Region. Die finanzielle Lage ist vielerorts dramatisch: Kommunen in Niedersachsen befinden sich in einer Finanzkrise. Allein in den sieben Landkreisen im Südosten des Landes steigen die geplanten Haushaltsdefizite im Jahr 2025 auf fast 230 Millionen Euro an (Vergleich 2023: rund 101 Millionen Euro). Die Landrätinnen und Landräte der Landkreise Gifhorn, Goslar, Göttingen, Helmstedt, Northeim, Peine und Wolfenbüttel fordern bei einer Sitzung in Goslar das Land zum dringenden Handeln auf. Das berichtet der Landkreis Goslar in einer Pressemitteilung.
„Die stetig zunehmenden Aufgaben sowie die erheblichen Kostensteigerungen führen zu Überforderung und lassen unseren finanziellen Spielraum immer weiter sinken. Wenn wir nicht handlungsfähig bleiben, kein Geld in unsere Schulen, unsere Infrastruktur und die Daseinsvorsorge investieren, wird die Unzufriedenheit weiter wachsen. Wir brauchen neue Lösungen und Verabredungen, um uns den kommunalen Herausforderungen auch künftig souverän und gemeinsam stellen zu können“, so Dr. Alexander Saipa.
"Unkontrollierte Ausgabenentwicklung"
Als Beispiele für die unkontrollierte Ausgabenentwicklung nennen die Landrätinnen und Landräte unter anderem gestiegene Transferleistungen im Sozialbereich und Aufwendungen der Eingliederungshilfe. Aufwendungen für Kindertagesbetreuung, aber auch Jugendhilfe, das Wohngeld-Plus oder die staatliche Aufgabenwahrnehmung für Lebensmittel- und Veterinärverwaltung stellen ebenfalls zunehmende finanzielle Belastungen für die kommunale Seite dar, die bei weitem nicht auskömmlich finanziert sind.
Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt die Forderung des Niedersächsischen Landkreistags, Überschüsse des Landeshaushalts 2024 in zu erwartender Milliardenhöhe auch zur Linderung kommunaler Finanznöte zu verwenden, anstatt diese – wie im Vorjahr – allein der Landesrücklage zuzuführen. Mit Blick auf künftige Haushalte bedarf es ihrer Meinung nach grundsätzlicher Maßnahmen.
Dazu erklärt Dr. Saipa: „Die Kommunen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind im vergangenen von vielen Krisen geprägtem Jahrzehnt bereits über sich hinausgewachsen und haben vieles geleistet und kompensiert. Nun muss aber endlich landes- und auch bundesseitig gegengesteuert werden, denn angesichts der prekären Entwicklungen können Einschränkungen in einigen Bereichen für die Zukunft nicht mehr ausgeschlossen werden. Auf die immer wieder beschworene Solidarität muss sich auch die kommunale Ebene verlassen können.“
"Eine Gefahr für die Demokratie"
Landrat Gerhard Radeck aus Helmstedt ergänzt in einer eigenen Pressemeldung: „Nicht nur ständig neue Pflichtaufgaben, sondern auch erhebliche Kostensteigerungen bei den bisherigen Aufgaben führen allein im Landkreis Helmstedt zu einem Haushaltsdefizit von rund 60 Millionen Euro, das wir laut Gesetz gar nicht haben dürften. Deshalb klagen wir auch vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg gegen das Land Niedersachsen, denn so kann es nicht weitergehen. Eine immer prekärere Finanzlage der Kommunen ist auch eine Gefahr für die Demokratie. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen die Defizite in der Infrastruktur, bei Schulen oder im kulturellen Bereich in ihrem Wohnumfeld direkt als staatliches Versagen wahr. Es sollte auch im Interesse der Landesregierung und des Bundes sein, dem entgegen zu wirken“.