Salzgitter. Die Bilder von einem jungen, bis auf die Knochen abgemagerten, Hund sorgten für tiefes Entsetzen und große Wut in den sozialen Netzwerken. Nur wenige Tage später war Hund Kevin tot. Ehrenamtliche Tierschützer erheben nun schwere Vorwürfe gegen das Veterinäramt der Stadt Salzgitter. Schon seit Monaten seien zahlreiche Hinweise auf Misshandlungen und Vernachlässigung des Hundes eingegangen – doch konsequentes Eingreifen sei ausgeblieben. Der Tod des Mischlings namens Kevin hätte verhindert werden können, meinen die Tierschützer.
regionalHeute.de sprach mit einer ehrenamtlichen Tierschützerin, die den Fall eng begleitet hat und mit einer weiteren Tierschützerin dafür sorgte, dass Kevin am vergangenen Samstag in die Obhut des Tierschutzhofes in Immendorf kam. Sie beschreibt den Hund als abgemagert bis auf die Knochen, schwach und verängstigt. „Seine Rippen waren deutlich zu sehen, er wirkte apathisch und völlig erschöpft“, erzählt sie und berichtet, was der junge Hund in den vergangenen Monaten wohl durchgemacht haben musste.
Kevin sei mangelernährt gewesen und stark abgemagert. Laut zahlreichen Zeugen soll der Hund bei Hitze am Fahrrad mitgeschleift sowie regelmäßig stundenlang vor einer Spielothek angebunden worden sein. „All das ist dokumentiert“, erzählt die Tierschützerin. Trotz wiederholter Hinweise an das Veterinäramt und scheinbaren Vor-Ort-Kontrollen sei der Hund aber in seinem schlechten Zustand beim Halter verblieben.
Tierschützer retten Kevin
Der entscheidende Wendepunkt kam erst, als Videos und Fotos von Kevin in seinem schlechten Zustand auf Facebook die Runde machten und eine Welle der Betroffenheit auslösten. Daraufhin griffen die ehrenamtlichen Tierschützer ein, konnten den Halter ausfindig machen und ihn zu einem Gespräch bewegen. Dass der Mischling derart abgemagert war, habe der Besitzer damit erklärt, dass eine Magenerkrankung vorliegen würde, er aber die Kosten für eine Behandlung nicht aufbringen könne. Schließlich gab er den Hund freiwillig ab. „Als Kevin auf dem Tierschutzhof ankam, war es, als könne er endlich loslassen. Er fühlte sich sicher und geborgen, schlief viel – das zeigte, wie erschöpft und entkräftet er war“, berichtet die Tierschützerin sichtlich bewegt.
Am Ende seiner Kräfte
Doch das Glück war nur von kurzer Dauer. Bereits wenige Tage später musste Kevin in einer Tierklinik in Hannover eingeschläfert werden. Sein Körper war einfach zu sehr geschädigt und am Ende seiner Kräfte. Die Tierschützerin zeigt sich tief betroffen: „Es zerreißt mir das Herz, dass Kevin so leiden musste. Was musste dieser junge Hund in seinem kurzen Leben alles ertragen und durchmachen? Ich habe den ganzen Tag geweint, als ich erfuhr, dass Kevin gestorben ist."
Kritik am Veterinäramt
Besonders kritisch sehen die Tierschützer die Rolle des Veterinäramtes. Zwei Tage nach der Übergabe des Hundes an den Tierschutz meldete sich das Amt plötzlich und kündigte an, Kevin „beschlagnahmen“ zu wollen – ein Schritt, der nach Meinung der Tierschützerin wie ein Versuch wirke, die vorherige Untätigkeit wiedergutzumachen. "Seit Monaten waren der Behörde zahlreiche Missstände bekannt, gehandelt wurde erst, nachdem der Fall öffentlich wurde."
Das sagt das Veterinäramt
Das Veterinäramt Salzgitter äußerte sich auf Anfrage von regionalHeute.de und betont zunächst, dass das Fachgebiet Verbraucherschutz und Veterinärwesen für Tierschutz und damit verbundene Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zuständig sei. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe seien die Mitarbeiter auf Hinweise der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Das Fachgebiet sei telefonisch unter 05341/839-2420 beziehungsweise per Mail unter Veterinaeramt@Stadt.Salzgitter.de zu erreichen.
Dabei sei es wichtig, dass Bürger vor einer offiziellen Meldung gründlich prüften, ob es sich tatsächlich um eine Verletzung des Tierschutzgesetzes oder gegebenenfalls eine Verletzung von Auflagen zur Haltung von Tieren handeln könnte. „Nur weil ein Hund einmal in der Nachbarwohnung laut bellt, liegt kein Tierschutzverstoß vor“, erläutert Amtstierärztin Ana Greta Coordes. „Deutliche Hinweise sind sehr abgemagerte Tiere, Tiere mit nicht behandelten Verletzungen oder grobes Fehlverhalten der Tierhalterinnen und Tierhalter“ ergänzt sie.
Die Meldungen werden je nach Dringlichkeit und Eingang der Meldung bearbeitet. „Leider erreichen uns aktuell sehr viele Meldungen und wir haben nicht immer die Kapazität, sofort tätig zu werden.“ betont Coordes dazu.
Im Fall Kevin sei das Fachgebiet Verbraucherschutz und Veterinärwesen frühestmöglich nach Eingang einer entsprechenden Meldung tätig geworden. Es habe mehrere Versuche gegeben, mit dem Halter in Kontakt zu treten. Einer schriftlichen Anordnung, den Hund in tierärztliche Behandlung zu bringen, sei dieser aber nicht nachgekommen. Nach Fristablauf sei eine Nachkontrolle durchgeführt worden. Der Halter habe erklärt, dass „jemand“ den Hund abgeholt hätte und er nicht wissen würde, wo sich der Hund nun befände. Nach sehr aufwendiger Recherchearbeit habe man herausgefunden, dass sich der Hund auf einem Tierschutzhof befindet. Dort habe man den Hund in einem extrem besorgniserregenden Zustand vorgefunden. Deshalb sei er durch das Veterinäramt sichergestellt und sofort in hochspezialisierte tierärztliche Behandlung gebracht worden. Leider seien mehrere Fachtierärzte zu dem Ergebnis gekommen, dass der Hund nicht mehr zu retten gewesen sei.