Jeder vierte Schüler kann nicht richtig lesen: So reagiert die Politik

Die kürzlich veröffentlichte Leseuntersuchung von Grundschülern zeichnet ein düsteres Bild. Doch was wollen die Politiker unternehmen? regionalHeute.de fragte nach.

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Viele Grundschüler erreichen keine ausreichende Lesekompetenz. (Symbolfoto)
Viele Grundschüler erreichen keine ausreichende Lesekompetenz. (Symbolfoto) | Foto: Pixabay

Region. Die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) 2021 wurden Mitte Mai veröffentlicht. Sie zeigen, dass die Lesekompetenz der deutschen Viertklässler seit 2016 gesunken ist. Deutschland liegt international nur im Mittelfeld. Doch wie kann man dieser Situation begegnen, wie können wir die Lesefähigkeiten der Grundschüler wieder verbessern? Was die Politik plant, danach fragte regionalHeute.de unsere Landtagsabgeordneten aus dem Bildungsressort.



Die Ergebnisse sind alles andere als gut. Etwa ein Viertel der Viertklässler erreicht nicht den Standard für eine ausreichende Lesekompetenz - ein durchaus besorgniserregender Trend. Die Schulschließungen während der COVID-19-Pandemie hätten sich negativ auf die Lesekompetenz ausgewirkt. Es werde zu wenig in der Schule gelesen, und der Einsatz digitaler Medien sei gering. Geschlechtsunterschiede bei den Lesekompetenzen hätten sich eingependelt, während soziale Disparitäten unverändert hoch sind. So hätten Schüler aus sozioökonomisch benachteiligten Familien im internationalen Vergleich starke Kompetenzrückstände. Dies teilte das Land mit und sieht eine Förderung der Lesekompetenz als dringend erforderlich an.

Auf Anfrage von regionalHeute.de äußerten sich Sophie Ramdor (CDU) und Kirsikka Lansmann (SPD), beide Landtagsabgeordnete aus unserer Region und Mitglieder des Kultusausschusses.

Gefahren einer sinkenden Lesefähigkeit


Sophie Ramdor (CDU).
Sophie Ramdor (CDU). Foto: CDU


Ramdor erläuterte die Gefahren dieser Entwicklung und hob hervor, dass das Verstehen von Texten nicht nur für den Deutschunterricht relevant sei, sondern eine grundlegende Voraussetzung dafür darstelle, in allen anderen Fächern erfolgreich mitarbeiten zu können. Ramdor betonte: "Bei einer sinkenden Lesefähigkeit liegt die Gefahr darin, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler nicht genügend Deutschkenntnisse haben, um aktiv am Unterricht teilnehmen zu können und einen Schulabschluss zu erlangen."

Ursachen und Herausforderungen in heterogenen Klassen


Als Ursache für diese Entwicklung nannte sie den Umstand, dass immer mehr Schüler mit unzureichenden Deutschkenntnissen in die erste Klasse kämen. Die Klassen seien in den letzten Jahren immer heterogener geworden, insbesondere in Grundschulen, wo Kinder mit unterschiedlichen Sprach- und Lernniveaus gemeinsam lernen würden. Zusätzlich gebe es vermehrt Kinder mit unterschiedlichen Förderbedarfen, die von einer einzelnen Lehrkraft im regulären Unterricht unterrichtet werden müssten. Ramdor stellte fest: "Die bisherigen Fördermaßnahmen in den Schulen sind nicht ausreichend, um den verschiedenen Bedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden und sie entsprechend fördern zu können."

Stärkung der sprachlichen Förderung und Einsatz von Fachkräften


Um die Situation zu verbessern, betonte Ramdor die Notwendigkeit, die sprachliche Förderung im frühkindlichen Bereich zu stärken. Sie schlug vor, dass die Überprüfung der sprachlichen Fähigkeiten bei Kindern im Alter von vier bis viereinhalb Jahren durch die Gesundheitsämter erfolgen solle, anstatt kurz vor der Einschulung. Falls ein Defizit festgestellt werde, solle die Teilnahme an einem Förderprogramm verpflichtend sein, wenn das Kind keinen Kita-Platz habe. Die vorhandenen Fördermöglichkeiten müssten überprüft und angepasst werden.

Des Weiteren sprach sich Ramdor dafür aus, Förderschullehrkräfte, Schulbegleiter und Schulsozialarbeiter verstärkt in Grundschulen einzusetzen, insbesondere an Schulen mit sozialen Herausforderungen. Dies erfordere mehr Flexibilität bei der Einstellung des Personals und der Verwendung des Schulbudgets. Sie betonte auch, dass die Beantragung von Schulbegleitern unkomplizierter und schneller möglich sein müsse.

Förderung trotz Auflösung der Förderschule Lernen


"Auch wenn ich immer gegen die Auflösung der Förderschule Lernen war und bis heute bin, wurde dies nun leider von Rot-Grün beschlossen", dennoch müsse man daran arbeiten, dass Kinder mehr Förderstunden erhalten und dass Förderschullehrkräfte langfristig an allgemeinbildenden Schulen eingesetzt werden, um möglichst viele Schüler ausreichend zu fördern und zu fordern.

Abschließend betonte Ramdor, dass die CDU-Landtagsfraktion ein Konzept zur langfristigen Stärkung der sprachlichen Förderung im vorschulischen Bereich erarbeite und dieses in den Landtag einbringen werde. Ramdor unterstrich: "Nur wer genügend Deutschkenntnisse mitbringt, kann von Anfang an dem Unterricht erfolgreich folgen und verliert nicht den Anschluss."

Eine gefährliche Entwicklung


Kirsikka Lansmann (SPD)
Kirsikka Lansmann (SPD) Foto: über SPD; Maximilian König


Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Kirsikka Lansmann äußert sich besorgt über die Ergebnisse: "Die Zahlen sind natürlich alarmierend und bestätigten einmal mehr, dass es Handlungsbedarf gibt."

Lansmann betont, dass eine gute Lesekompetenz ein wichtiger Grundstein für den weiteren Bildungsweg sei und dass es noch viel Luft nach oben gebe. Sie sieht die Gefahr darin, dass ein umfassender Kompetenzerwerb in der Grundschule das Fundament für den weiteren Bildungsweg bilde und dass die gesellschaftliche Teilhabe insgesamt von einer guten Lesefähigkeit abhänge.

Ein Teufelskreislauf


Laut Lansmann stellen die heterogene Schülerschaft und der veränderte Lebensalltag in vielen Familien, einschließlich des zunehmenden Medienkonsums, große Herausforderungen für Grundschulen dar. Sie betont, dass das Vorlesen im frühkindlichen Alter eine wichtige Voraussetzung für nachhaltige Lesekompetenz sei: "Kinder, die nicht gut lesen können, lesen auch weniger. Das ist ein Teufelskreislauf, der nur durch zusätzliche Anreize durchbrochen werden kann. Hier sind Familien, Schulen und Politik gleichermaßen gefordert."

Maßnahmen zur Verbesserung der Situation


Um die Situation zu verbessern, plädiert Lansmann für eine Stärkung der Bildungsgerechtigkeit, unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern, sowie für eine bessere Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Sie betont die Notwendigkeit von mehr Unterstützung für Grundschulen, um guten Unterricht zu gewährleisten. Lansmann sieht auch den Einsatz von Vorlesetagen und die Förderung des Lesens in Familien als wichtige Maßnahmen an.

Lansmann: "Ich freue mich außerdem jedes Mal, wenn ich sehe, dass es in Grundschulen kleine Bibliotheken oder Leseecken gibt. Das gibt den Kindern die Möglichkeit, Lesen noch einfacher in ihren Schulalltag zu integrieren."

Einsatz der SPD für eine Verbesserung


Lansmann gibt an, dass die SPD sich als Regierungspartei für die Ausweitung von Sprach-Kitas einsetzt, um frühzeitig gute Sprachkenntnisse bei Kindern zu fördern. Sie erwähnt auch das Pilotprojekt der Klassenassistenz in ihrem Wahlkreis an der Wesendorfer Grundschule.

Zusätzlich setze sich die SPD für eine ausreichende Unterrichtsversorgung an Grundschulen ein und strebt eine kontinuierliche Gewinnung von Lehrkräften an.

Ideen zur Bewältigung der Lesedefizite


Abschließend betont Lansmann, dass die aktuellen Lesedefizite der Kinder mehrere Ursachen haben und daher vielseitige Lösungsansätze erfordern. Sie fordert eine Entlastung der Familien, um mehr Zeit für gemeinsame Leseabende zu schaffen, und eine gezielte Unterstützung der Grundschulen, um Raum für individuelle Förderung zu schaffen. "Am Ende müssen wir uns alle für eine Verbesserung der Situation einsetzen, damit unsere Kinder unabhängig von Herkunft oder Einkommen ihrer Eltern die gleichen Chancen auf eine gute Bildung haben", so Lansmann.


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