Berlin. Im Zuge der Debatte um konsequentere Abschiebungen spricht sich Joachim Stamp (FDP), Sonderbevollmächtigter für Migrationsabkommen der Bundesregierung, für Kontakt mit den Taliban aus. "Unverbindliche Sondierungsgespräche könnten eine Option sein", sagte der FDP-Politiker der "Welt am Sonntag".
Er habe allerdings kein Mandat, diese Entscheidung selbst zu fällen. Stamp fordert, die Möglichkeit eines direkten Austauschs mit den Taliban "sorgsam abzuwägen". Er verstehe die ablehnende Haltung einiger Außenpolitiker aufgrund der Menschenrechtslage im Land: "Deutschland hat aber ein ernsthaftes Rückführungsinteresse. Wenn zudem auch erste Hilfsorganisationen aus humanitären Gründen für eine veränderte Haltung sind, sollten wir uns damit ernsthaft auseinandersetzen."
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Hoffmann äußerte sich deutlicher. Der "Welt am Sonntag" sagte er: "Die Taliban sind ein Fakt - auch wenn wir das nicht gerne sehen. Die Bundesregierung braucht diese außenpolitischen Drähte nach Kabul."
Hoffmann, der Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist, hält die Öffnung einer ständigen Vertretung in der afghanischen Hauptstadt für sinnvoll: "Eine weitere Option wäre, dass die Botschaft eines anderen Staates künftig die deutschen Interessen in Afghanistan vertritt."
Angesichts der Tatsache, dass Deutschland auch Entwicklungszusammenarbeit mit afghanischen Stellen leiste, sei die Etablierung von diplomatischen Kontakten ein logischer Schritt. Hoffmann sprach sich zudem für Gespräche mit dem Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad aus.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, sagte der "Welt am Sonntag": "Kontakte sind weder zu Syrien noch zu Afghanistan komplett abgebrochen worden." Allerdings sei das Botschaftspersonal vor Ort "aus nachvollziehbaren Gründen" abgezogen worden: "Wir werden nicht umhin kommen mit dem Taliban-Regime und dem Regime in Damaskus technische Gespräche über einzelne Punkte zu führen, etwa Abschiebungen."
Die Grünen lehnen das klar ab. Außenpolitikerin Deborah Düring sagte: "Der Kriegsverbrecher Assad und die radikal-islamistischen Taliban sind keine Partner, mit denen wir diplomatische Beziehungen pflegen wollen." Damit würde man "gravierende Menschenrechtsverletzungen legitimieren und ein fatales Signal an alle senden, die unter ihrer Gewalt leiden".
Friedrich Merz (CDU), Vorsitzender der Unionsfraktion, sagte der "Welt am Sonntag": "Ich rate dazu, dass Deutschland direkte Verhandlungen mit den Machthabern in Afghanistan und Syrer über die Rücknahme ihrer Staatsbürger aufnimmt." Die Bundesregierung habe "die technischen Kontakte, die notwendigen Kenntnisse und das Personal", um unmittelbare Kontakte aufzubauen: "Sie ist zuständig, das zu tun."
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