Kokländer Huhn mit alten Gemüsesorten in der Brasserie an der Oker

von Andreas Molau




Tim Müller, Küchendirektor in der Brasserie an der Oker, servierte ein Kokländer Huhn mit alten Gemüsesorten. Ein Traum für den Gaumen.


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Die herannahende Herbstzeit lässt die Brasserie an der Oker im Steigenberger Hotel noch einmal gemütlicher wirken, als das vor ein paar Wochen bereits schien. Die Bäume im Bürgerpark tragen nur ein spärliches Laubkleid. Die Tage werden unaufhörlich kürzer. Da kann die Zeitumstellung auch nicht viel ändern. Ich treffe mich mit Küchendirektor Tim Müller, der sich die Zeit nimmt, damit wir über einen immer wichtiger werdenden Schwerpunkt seiner Arbeit sprechen können: alte Gemüsesorten. »Köche sind stets auf der Suche nach Neuem. Sonst kehrt irgendwann Monotonie auf der Speisekarte ein«, bekräftigt Müller. Das Thema ist eines, das ihn seit der Kindheit begleitet. In der Ausbildung und ersten Schaffensphase im Berufsleben sei es dann etwas eingeschlafen und nun mit den kreativen Möglichkeiten der Brasserieküche verstärkt zurück gekommen.

Eine alte Liebe, neu entdeckt

Die Liebe zu diesen alten Sorten sei, wie gesagt, bereits in frühen Kindertagen gelegt worden. Die Familie kommt aus Schlesien und hatte die überlieferten Rezepte nach dem Krieg mit in die neue Heimat genommen. »Bei den Großeltern habe ich die vielen wunderbaren Sorten in der Pfalz kennenlernt. Wir sammelten als Kinder schon Steinpilze, Beeren oder Maronen. Auf dem Feld klaubten wir die Hörnle zusammen«, erzählt Müller. Die Bamberger Hörnle sind eine alte Kartoffelsorte. Inzwischen werde sie auf den Märkten der Region wieder verstärkt angeboten. »Überhaupt beziehe ich meine Ideen viel von Märkten im Elsass oder in Süddeutschland. Überall, wo ich unterwegs bin, suche ich das Gespräch mit den Bauern. Da erfährt man etwas über Trends, neue und alte Ideen.«


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Neues aus dem Alten

Denn das Neue kann eben auch oft im Alten und Bewährten liegen, weiß Tim Müller, der die Rezeptbücher seiner Urgroßmutter, seiner Großmutter und seines Vaters wie seinen Augapfel hütet. »Manchmal nehme ich die Rezepte so, wie sie sind. Manchmal füge ich andere Komponenten hinzu«, verrät er. Daraus entstehen dann die kulinarischen Variationen, mit denen die Gäste in der Brasserie an der Oker verwöhnt werden. Als Beispiel schlägt Tim Müller zum Probieren das Kokländer Huhn vor – eine spezielle Hühnerrasse aus Schleswig-Holstein. Die Tiere wachsen mit viel Platz artgerecht auf und werden an Ort und Stelle, ohne große Transportwege, geschlachtet und zerlegt. Zu ihrem hochwertigen Futter, das ebenfalls aus der Region stammt, kommt Butter als Besonderheit. Chemie und Antibiotika sind für die Züchter tabu. Das Ergebnis kann man schmecken.

Der Zauber des Anfangs

Die gebratenen Hühnerteile auf dem bunt dekorierten Teller sind butterzart und saftig. Dass sie gut gewürzt sind, ist das Werk des Küchenchefs. Auch die Zusammenstellung der Gemüsevariation. Süßliche violette Möhren, verschiedene bunte Rübensorten. Dazu ein Schaum von Orangen und ein Portwein-Jus. In einem kleinen gusseisernen Topf gibt‘s schließlich einen Steckrübenstampf. Womit beginnen? Das erste Geschmackserlebnis: die leicht süßlichen Gemüse mit etwas Orangenschaum und ein wenig Hühnchenfleisch. Süßliche, würzige und säuerliche Aromen explodieren förmlich im Mund. Der Portwein-Jus verstärkt auf der anderen Seite die Süße. Der Steckrübenstampf erscheint zunächst ganz mild mit den Aromen dieses wunderbaren Gemüses und bekommt erst im Abgang eine angenehme Schärfe.


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Ein Hochgenuss für die Geschmackssinne

Das Kokländer Huhn und Gemüsevariation ist in dem harmonischen Zusammenspiel salziger, süßer und saurer Geschmackskomponenten ein absolutes Erlebnis. Ich genieße in der gemütlichen Brasserie, in der das Küchenteam um Tim Müller sich gerade für die Abendgäste rüstet. Lediglich ein Stück Brot fehlt am Ende zu meinem vollständigen Glück, mit dem ich die letzten Reste dieser wunderbaren Mahlzeit auftitschen könnte. Tim Müller kommt noch einmal an den Tisch und fragt mich, wie mir das Essen gefallen habe. In solchen Momenten spürt man, wie flach die Sprache gegenüber dem sein kann, was man erlebt, schmeckt und riecht. Ein einfaches »vorzüglich« fasst das zwar kurz zusammen, aber charakterisiert das Erlebnis nur unzureichend. Ein Erlebnis, das man sich selbst zu eigen machen sollte.

Das Kulinarisch38-Porträt über die Brassserie an der Oker.


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