Deutschland. Das krankhafte Sammeln von Tieren hat 2021 einen traurigen Rekord gebrochen. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Datenauswertung des Deutschen Tierschutzbundes der vergangenen zehn Jahre. 68 Fälle von Animal Hoarding mit über 4.200 betroffenen Tieren wurden dem Verband im vergangenen Jahr bekannt – so viele wie noch nie. In den vergangenen zehn Jahren zählten die Tierschützer insgesamt mehr als 30.000 gehortete Tiere in 437 Fällen. Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen.
„Die Zahlen sind erschreckend. Hinter jedem einzelnen Fall steht unfassbares Tierleid: Während die Halter oft gar nicht merken, dass es ihren Tieren schlecht geht, sie möglicherweise immer noch weitere aufnehmen, hausen die Tiere auf begrenztem Raum in ihrem eigenen Urin und Kot, sind verwahrlost, unterernährt und krank. Völlig unkontrolliert pflanzen sie sich fort. In vielen Fällen bergen Tierschützer bei Rettungsaktionen tote Tiere“, kommentiert Nina Brakebusch, Fachexpertin für Animal Hoarding beim Deutschen Tierschutzbund.
Katzen am häufigsten betroffen
Seit Beginn der Datensammlung des Deutschen Tierschutzbundes waren Katzen in allen Jahren die am öftesten von Animal Hoarding betroffenen Tiere: In insgesamt 201 Fällen wurden sie gehortet. Hunde waren in 186 Fällen betroffen, kleine Heimtiere in 134. Mit 10.709 Individuen sind letztere absolut betrachtet aber die häufigsten Opfer von Tiersammelsucht. Die Fälle, in denen landwirtschaftlich genutzte Tiere inklusive Pferde gehortet wurden, steigt seit 2014. Lag ihr Anteil 2014 noch bei etwa vier Prozent, machten sie 2021 fast 15 Prozent aller Fälle aus.
Krisen können Problem verschärfen
In den vergangenen zehn Jahren ist sowohl die Zahl der Fälle als auch die Zahl der betroffenen Tiere deutlich angestiegen. Zählte der Tierschutzbund im ersten Jahr der Auswertung 2012 noch 22 Fälle, hat sich diese Zahl mittlerweile mehr als verdreifacht. Ob tatsächlich vermehrt Tiere gehortet werden oder ob mehr Fälle aufgedeckt werden, weil Behörden und Bevölkerung sensibilisierter sind, ist dabei unklar.
Denkbar sei durchaus, dass die aktuelle Krisenzeit – geprägt durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und steigende Lebenskosten - das Problem verschärft haben könnte, meint Brakebusch: „Häufig führt ein Schicksalsschlag, wie der Tod eines Angehörigen, die Verschlechterung der eigenen, auch psychischen Gesundheit oder finanzielle Not dazu, dass Menschen in eine Hoarding-Haltung abrutschen. Solche Auslöser könnte es zuletzt häufiger gegeben haben.“ Auch die Gruppe derer, die sich während der Pandemie leichtfertig ein Tier angeschafft haben und damit nun zunehmend überfordert sind, biete großes Potential für künftige Animal Hoarding-Fälle.
Tiere sammeln als Krankheit
Für Tierheime, die derzeit mit steigenden Kosten und Abgaben von „Corona-Tieren“ zu kämpfen haben, stellt die Versorgung von beschlagnahmten Tieren aus Animal Hoarding-Fällen eine enorme zusätzliche Belastung dar. Als Dachverband fordert der Tierschutzbund dafür bessere finanzielle Unterstützung durch die Kommunen. Das Problem langfristig eindämmen könne nur eine Heimtierschutzverordnung mit eindeutigen Vorgaben für Zucht und Haltung einzelner Tierarten und verpflichtendem Sachkundenachweis. Zudem würde ein übergreifendes Zentralregister für auffällig gewordene Tierhalter den Behörden helfen, gegen Hoarder vorzugehen.
Um den betroffenen Personen bessere Therapiemöglichkeiten zu bieten, machen sich die Tierschützer nicht zuletzt für die Anerkennung von Animal Hoarding als Krankheitsbild stark. Ohne entsprechende Therapien liegt die Rückfallquote bei annähernd hundert Prozent.
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