Licht und Schatten beim Schülerticket - "Ich werde von den Verkehrsbetrieben abgestraft"

Das neue verbundweit gültige Schülerticket für monatlich 30 Euro ist ein Segen für viele Schüler und Auszubildende. Doch besonders Auszubildende müssen nun deutlich tiefer in die Tasche greifen. Ist das gerecht?

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Des einen Freud ist des anderen Leid - Diese Devise gilt offenbar auch beim Schülerticket. (Symbolbild)
Des einen Freud ist des anderen Leid - Diese Devise gilt offenbar auch beim Schülerticket. (Symbolbild) | Foto: Pixabay

Region. Seit Anfang August gibt es das kostengünstige Schülerticket. Für 30 Euro können Schülerinnen, Schüler und Studierende im Monat mit den ÖPNV die gesamte Region bereisen. Die Karte ist im Jahres- oder Monatsabo erhältlich und der Verkehrsverbund Region Braunschweig ist stolz darauf, diese Möglichkeit anbieten zu können. Doch viele Auszubildende müssen bei ihren Nahverkehrstickets durch das neue Angebot deutlich tiefer in die Tasche greifen. Sie zahlen nun teilweise das doppelte wie ihre Klassenkameraden - ein politisches Problem, wie Recherchen von regionalHeute.de ergaben.



Ein Auszubildender zum Gesundheits- und Krankenpfleger aus Goslar, der namentlich nicht genannt werden wollte, wendete sich mit seinem Anliegen an regionalHeute.de: "Dadurch, dass die einzige Monatskarte für den Bereich Goslar, die ich überhaupt noch nehmen kann, mehr als doppelt so teuer ist wie die neue Schüler-Monatskarte, habe ich gegenüber meinen Klassenkameraden erhebliche Mehrkosten", berichtet uns der Pflegeschüler und ergänzt: "Die Plus-Karte für angrenzende Bereiche, welche ich für meine Ausbildung ebenfalls anfahren muss, ist als Azubi kaum noch bezahlbar. Meine Klassenkameraden unter 25 hingegen leben überwiegend noch zu Hause, werden von ihren Eltern unterstützt und haben deutlich weniger Lebenshaltungskosten als ich. Die älteren Auszubildenden müssen vor jeder Bekanntgabe neuer Einsatzorte Sorge haben, wie sie die Fahrtkosten stemmen sollen."

Stadtbus Goslar gegen Wochenkarten-Abschaffung


Mit der Einführung des neuen Schülertickets wurden Verbundweit andere Angebote wie Wochenkarten für Schülerinnen, Schüler und Auszubildende ersatzlos gestrichen. Anders als das neue Schülerticket waren diese nicht von der harten Altersgrenze von 25 Jahren betroffen. Stadtbus Goslar-Geschäftsführerin Anne Sagner bestätigt auf Nachfrage von regionalHeute.de, dass es seitens des Verkehrsbetriebes im Vorfeld bedenken gegeben habe: "Wir haben uns aus diesem Grund gegen die Abschaffung der Wochenkarten ausgesprochen, weil wir viele Bildungsträger haben, die auf die Wochenkarten zurückgreifen. Die Gesamtentscheidung im Verkehrsverbund ist dann aber dafür gewesen, das abzuschaffen." Die Abschaffung der Wochenkarten geschah also gegen den Widerstand des Stadtbus Goslar, um Verbundweit einheitliche Tarife zu gewährleisten.

Ein Graben zieht sich durch Berufsschulen


Das besonders Auszubildende auf die Wochenkarten zurückgegriffen haben, habe einen einfachen Grund: Wenn in der Ausbildung die Berufsschulblöcke laufen, fahren viele Azubis mit dem Rad oder laufen zu Fuß zu ihrer Berufsschule. Für die zur Ausbildung gehörenden Praxiseinsätze griffen viele zwecks Kostenersparnis und des schlicht fehlenden Bedarfs an Busfahrten im übrigen Berufsschuljahr dann auf die Wochenkarten zurück. Mit der Abschaffung dieser zieht sich durch Berufsschulklassen ein Graben: Auszubildende unter 25 kommen in den Genuss eines deutlich vergünstigten Tickets, das sogar Verbundweit gilt. Auszubildende über 25 haben das nachsehen und müssen nun für ihre Mobilität zum Teil mächtig draufzahlen.

Wieso 25 Jahre?


Doch wieso kam es überhaupt zur krassen Altersgrenze von 25 Jahren? Wieso wurde das Ticket nicht einfach an den Schüler- oder Auszubildendenstatus gebunden? Eine Sprecherin des VRB erklärt, dass das zunächst auf drei Jahre begrenzte Pilotprojekt des Schülertickets nur durch den Zuschuss in Höhe von 15 Millionen Euro durch den öffentlichen Aufgabenträger für den ÖPNV, den Regionalverband Großraum Brausnchweig möglich gemacht worden sei. Dieser Zuschuss unterliege allerdings Bedingungen: "Die Subventionierung der Schüler-Monatskarte ist an die allgemeine staatliche Altersgrenze für den Bezug von Leistungen für Kinder geknüpft, wie zum Beispiel beim Kindergeld. Daher ist das Ticket nur bis zu einem Alter bis einschließlich 25 Jahren erhältlich."

"Härtefallregelung" für den Übergang


Der Verkehrsverbund betont auf Nachfrage, dass man zum Abfedern der besonderen Härten für Schülerinnen, Schüler und Auszubildende ab 25 Jahren eine Kulanzregelung eingebaut habe: "Voraussetzung ist, dass sich die Schüler und Auszubildenden bereits vor dem 1. August in der jetzigen Schul- bzw. Berufsausbildung befanden und bis Ende Juli Nutzer von Schüler-Monatskarten waren. Dann können diese Schüler und Auszubildende über 25 Jahren bis zum 31. Dezember dieses Jahres mit der neuen Schüler-Monatskarte Bus und Bahn fahren", schildert eine Sprecherin und ergänzt: "Wenn Schüler die Voraussetzungen der Kulanzregelung erfüllen, können sie in einem Service-Center eines Verkehrsunternehmens unseres Verbundes eine VRB-Kundenkarte beantragen. Dafür ist die letzte Schüler-Monatskarte (oder, falls vorhanden die aktuelle Kundenkarte), der ausgefüllte und unterschriebene Kundenkarten-Antrag sowie ein aktuelles Lichtbild mitzubringen. Die VRB-Kundenkarte wird direkt vor Ort ausgestellt. Im Anschluss kann dort sofort eine Schüler-Monatskarte gekauft oder eine Schüler-Jahreskarte bestellt werden."

"Wochenkarten sind nicht mehr notwendig"


Den flexiblen Wochenkarten-Nutzern bringt diese Regelung allerdings nichts, da sie ja, um in den Genuss der Kulanzregelung zu kommen, vorher schon eine Monatskarte genutzt haben müssen. Auf weitere Nachfrage erklärt der VRB, dass es tatsächlich Widerstand gegen das Abschaffen der Wochenkarten aus dem Harz gegeben habe. Aus Sicht des VRB seien die Wochenkarten jedoch nicht mehr notwendig, "weil ein Schüler ja regelmäßig zur Schule geht."

Es sollen Lösungen gefunden werden


Erst nach der Erklärung zu den besonderen Umständen von Auszubildenden im ländlichen Raum, die vorher schlicht keinen Bedarf an einer Monatskarte hatten und jetzt "in die Röhre gucken", räumt die Sprecherin ein, dass man im Rahmen des Pilotprojektes natürlich auch offen für Kritik sei. Man könne allerdings nicht eigenmächtig Änderungen vornehmen, sondern sei auf Entscheidungen aus der Politik angewiesen: "Es gibt schon kritische Punkte. Die werden wir sammeln und dann wird im Rahmen des auf drei Jahre ausgelegten Pilotprojektes mit der Politik über Lösungen gesprochen."

Doch bis über Lösungen gesprochen wird, müssen Auszubildende bei ihrer Mobilität weiterhin draufzahlen. Der Goslarer Pflege-Azubi betont: "Nicht für jeden ist die Nutzung der umweltfreundlicheren öffentlichen Transportmittel eine freiwillige Entscheidung. Das sorgt für Unruhe unter uns. Ich bereue, mich noch für eine Laufbahn in der Pflege entschieden zu haben, wenn ich sehe, wie ich von Verkehrsbetrieben dafür abgestraft werde."


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