Maskenpflicht gegen Corona: Unsere Bundestagsabgeordneten positionieren sich klar

Die Einführung einer Maskenpflicht in Österreich und der thüringischen Stadt Jena hat die Debatte darüber im ganzen Land angeheizt.

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(Symbolbild) | Foto: Pixabay

Region. Österreich bekommt sie, die Stadt Jena hat sie, der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach ist skeptisch und der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will nichts davon wissen - es geht um die "Mundschutzpflicht", die zum Tragen eines Mundschutzes in der Öffentlichkeit verpflichten soll, um andere vor einer möglichen eigenen Erkrankung zu schützen. Man selbst schützt sich damit eher weniger. Und so ist es wenig verwunderlich, dass unsere regionalen Bundestagsabgeordneten die Sache eher skeptisch sehen.


"Je näher dran an der Quelle, desto besser. Deswegen muss der Mundschutz an der Quelle sein, nicht am Empfänger", so der Virologe Christian Drosten gegenüber dem ZDF. Trotz ihrer Bezeichnung schützt das Tragen eines Mundschutzes den Träger eher unzureichend vor einer möglichen Infektion - wohl aber das Gegenüber. Wirklichen Selbstschutz bieten nur die Schutzmasken der Kategorien FFP2 und FFP3, bei denen ein Filter kleinste Partikel aus der Luft nimmt, die ansonsten in der Lunge des Einatmenden landen würden. Das Coronavirus verbreitet sich vornehmlich durch Tröpfcheninfektion. Das Tragen einer Maske sorgt dafür, dass beim Sprechen, Niesen und Husten keine Tröpfchen in die Luft gelangen, und gewährleistet so einen passiven Schutz. Hierfür müsste aber eben wirklich jeder eine solche Maske tragen.

In einem Gespräch mit regionalHeute.de bewertete Dr. Carsten Gieseking, Vorsitzender des Landverbandes Braunschweig im Deutschen Hausärzteverband, die Diskussion über eine Maskenpflicht gar als Affront: "Es ist unsinnig, dass die Bevölkerung Schutzmasken tragen soll, solange nicht mal die Menschen an der vordersten Front geschützt werden können." Der Braunschweiger Bundestagsabgeordnete Carsten Müller (CDU) teilt diese Auffassung: "In der aktuellen Situation kommt es zunächst darauf an, ausreichend Schutzmaterialien für die medizinischen und systemrelevanten Berufe sicherzustellen. Eine allgemeine Verpflichtung könnte zu Panikkäufen führen und Atemschutzmasken für die besonders belasteten und gefährden Menschen im Gesundheitswesen und im Pflegebereich weiter verknappen."

Carsten Müller (CDU), Mitglied des Bundestages.
Carsten Müller (CDU), Mitglied des Bundestages. Foto: CDU



Müller zufolge seien sich selbst Experten uneins, ob eine allgemeine Maskenpflicht helfe oder sogar schade: "Ein Schaden könnte danach beispielsweise entstehen, wenn Träger - vor allem von selbstgenähter Masken - zu großes Vertrauen in die Schutzwirkung der Masken entwickeln und die Ausbreitung des Virus dadurch wieder begünstigt wird."

Während das Robert Koch-Institut das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes - Korrekte Anwendung vorausgesetzt - als durchaus sinnvoll erachtet, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ihrer Ablehnung während einer Pressekonferenz in Genua (Schweiz) am vergangenen Montag noch einmal Nachdruck verliehen: "Es gibt keine Hinweise darauf, dass es irgendeinen Vorteil bringen könnte, wenn die gesamte Bevölkerung Schutzmasken trägt. Tatsächlich gibt es Belege, dass sogar das Gegenteil der Fall ist, wenn die Maske falsch verwendet wird oder schlecht sitzt", so Dr. Mike Ryan, Direktor des Notfallprogramms der WHO.

So uneins sich das Robert Koch-Institut und die WHO auch sein mögen, rät Müller zur Offenheit bei dieser Frage: "Wir sehen, dass insbesondere in asiatischen Ländern das Tragen von Masken Bestandteil des jeweiligen Infektionsschutzkonzeptes ist. Daher muss eine laufende Neubewertung der Situation vorgenommen und über eine Ausweitung des Einsatzes von Atemschutzmasken entschieden werden."

Keine falsche Sicherheit


Falko Mohrs, SPD-Bundestagsabgeordneter für die Wahlkreise Helmstedt und Wolfsburg mahnt noch einmal zur Einhaltung der Regeln: "Das Wichtigste ist, dass sich jeder an die aktuellen Regelungen hält und den persönlichen Kontakt auf ein absolutes Minimum reduziert!" Generell lehne Mohrs diese Maßnahme nicht ab, jedoch sollten es dann die selbstgenähten Masken sein: "Man darf sich durch einen Mundschutz nicht in falscher Sicherheit wiegen. Schutzmasken werden gerade jetzt in Kliniken und Pflegeeinrichtungen dringend benötigt. Daher ist es gut, wenn so viele Freiwillige jetzt selber Masken fertigen. Wer diese freiwillig trägt, der schützt sich und andere."

Allen Bemühungen zum Trotze herrscht in vielen Krankenhäusern, Praxen und Pflegeheimen nach wie vor ein großer Mangel an Schutzausrüstung. Perspektivisch könnten bestimmte Praxen aufgrund des Mangels an Schutzausrüstung sogar schließen müssen, wie Dr. Carsten Gieseking im Gespräch mit regionalHeute.de erläuterte. Der Mediziner ruft zu Spenden nicht benötigter Schutzkleidung auf.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs Foto: Anke Donner



Beispielhaft für eine aus seiner Sicht sinnvolle Implementierung einer Maskenpflicht nennt Falko Mohrs an dieser Stelle die Stadt Wolfsburg: "Eine generelle Pflicht ist aus meiner Sicht nicht erforderlich! Die Empfehlung der Stadt Wolfsburg begrüße ich: In geschlossen Räumen und beim Einkaufen können die selbst angefertigten Masken ein wichtiger Beitrag zum Schutz von uns allen sein!"

Risikogruppen müssen geschützt werden


Der Wolfenbütteler Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli hält eine allgemeine Schutzmaskenpflicht für insgesamt nicht sinnvoll: "Das ist nicht nur die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung, sondern auch der Mehrheit der medizinischen Experten. Es kommt gegenwärtig vor allem darauf an, dass wir Risikogruppen bestmöglich schützen. Also vor allem ältere Menschen, Personen mit Vorerkrankungen und Berufsgruppen, die eng am und eng mit Menschen zusammenarbeiten."

Wie schnell sich eine Infektion in einem Wohnheim ausbreiten kann, zeigt beispielhaft der Fall des Hanns-Lilje-Heims in Wolfsburg. Über die Hälfte der Bewohner hatte sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Unfassbare 22 Opfer forderte das Virus in nicht einmal zwei Wochen in dem Pflegeheim.

Entscheidend sei jetzt, den Bedarf an Schutzmasken in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arztpraxen und in Teilen des Einzelhandels zu decken. Victor Perli: "Die Leute, die unsere Gesellschaft gerade am Laufen halten, müssen besonders geschützt und unterstützt werden."

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli Foto: Alexander Dontscheff



Bund und Länder müssten, so der Parlamentarier, den Einkauf und die Verteilung von Schutzmasken und anderem medizinischen Schutzmaterial zentral und zuverlässig organisieren, um den Mangel an Schutzausrüstung abzuwenden. "Gesundheitsminister Spahn (CDU) muss hier endlich seiner Verantwortung gerecht werden. Der Staat muss es unterbinden und hart bestrafen, wenn sich einzelne Firmen aus Profitgier mit Wucherpreisen am Verkauf von Schutzkleidung bereichern", erklärt Perli und formuliert eine Forderung seiner Fraktion: "Falls es nicht anders möglich ist, müssen Schutzmaterialien beschlagnahmt und unter staatlicher Aufsicht produziert werden. Der Bundestag hat eine entsprechende Gesetzesänderung in der vergangenen Woche bereits beschlossen. Das Gesetz muss jetzt nur noch angewandt werden. Spätestens jetzt in der Krise müssen soziale Interessen über Profitinteressen gestellt werden."

Ein Beitrag in der Krise


Doch in der Krise sehe Perli auch viel Solidarität: "Dass viele Menschen nun Schutzmasken selbst basteln, zeigt für mich vor allem die große Solidarität in der Bevölkerung. Es ist schwer zu beurteilen, wie gut diese im Einzelfall schützen. Aber wenn ich Menschen mit einer solchen Maske im Alltag sehe, dann sehe ich vor allem Menschen, die ihren Beitrag leisten möchten, um andere zu schützen. Das bewegt mich."

Insgesamt scheinen sich die Bundestagsabgeordneten aus der Region in dieser Thematik einig zu sein. Die Wolfsburger Parlamentarierin Pia Zimmermann und der Peiner Abgeordnete und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil äußerten sich auf Anfrage der Redaktion nicht zu dem Thema.


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