Mega-Amtszeit für Urte Schwerdnter - Unmut bei den Ratsfraktionen

Wäre der Umstand früher bekannt gewesen, hätte der Oberbürgermeister durch einen vorzeitigen Verzicht die Mega-Amtszeit verhindern können.

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Urte Schwerdtner (SPD) übernimmt das Amt der Oberbürgermeisterin bis zum Jahr 2031. Erst dann wird es wieder Neuwahlen geben.
Urte Schwerdtner (SPD) übernimmt das Amt der Oberbürgermeisterin bis zum Jahr 2031. Erst dann wird es wieder Neuwahlen geben. | Foto: Axel Otto

Goslar. In der Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt in Goslar setzte sich Urte Schwerdtner (SPD) mit 63,87 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Dr. Oliver Junk (CDU) durch. Dieser muss das Amt damit nun am 1. Januar 2021, nach etwa zehn Jahren und zwei Wahlperioden, abgeben. Schwerdtner übernimmt jedoch nicht wie zunächst angenommen für fünf, sondern gleich für zehn Jahre. Ein Umstand, der sich aus dem Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz ableitet und auf die Städtefusion mit Vienenburg zurückgeht. Vielen Ratsfraktionen scheint das nicht zu gefallen. Wie das Innenministerium jetzt jedoch bestätigt, hätte Oberbürgermeister Junk das bis April verhindern können.


Es ist gleich die zweite Überraschung für Schwerdtner. Dass ihre Amtszeit nicht im November, sondern erst im Januar beginnt, habe sie aus der Zeitung erfahren, wie sie im Gespräch mit regionalHeute.de erklärt. Und jetzt auch noch die Mega-Amtszeit.


Wie konnte das passieren?


Die lange Amtszeit ist aus der Verkettung mehrerer Faktoren entstanden. Antworten liefern das Niedersächsische Innenministerium und Paragraf 80 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes.

Oliver Junk wurde erstmals im September 2011 ins Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Goslar gewählt. Mit 45,0 Prozent der Stimmen. Nach dem damaligen Niedersächsischen Wahlrecht war eine Stichwahl nicht notwendig. Mit der Eingemeindung der Stadt Vienenburg in die Stadt Goslar wird Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk am 22. September 2013 - unter Absprache aller Fraktionen ohne Gegenkandidaten - erneut gewählt. Letztmalig für eine Amtszeit von acht Jahren.

Denn 2014 trat ein neues Kommunalverfassungsgesetz in Kraft, das die Amtszeit der Verwaltungsspitzen von acht auf fünf Jahre verkürzt, um die Wahlen der Stadt- und Kreisräte und deren Verwaltungsoberhäupter zu synchronisieren. Wegen der Fusion mit Vienenburg trat Junk seine "neue" Amtszeit jedoch erst am 1. Januar 2014 an, so geregelt im Gebietsänderungsvertrag zwischen der Stadt Goslar und der Stadt Vienenburg, weil zu diesem Datum die Fusion vollzogen wurde.


Das neue Kommunalverfassungsgesetz im Jahr 2013 sieht jedoch eine Synchronisation der Wahlen bis zum Jahr 2031 vor. Da Junk 2013 quasi "außerhalb der Reihe" neu gewählt wurde und im Januar 2014 sein Amt antrat, endet dieses nach acht Jahren - nach der alten Regelung - erst im Januar 2022 und nicht bereits im November 2021.


Das Kommunalverfassungsgesetz schreibt in diesem Fall vor, eine Kommunalwahl auszusetzen, um eine Verkürzung der Amtszeit des neuen Amtsinhabers zu verhindern und im Jahr 2031 synchrone Wahlen zu ermöglichen. Somit findet die nächste Wahl einer Oberbürgermeisterin oder eines Oberbürgermeisters im September 2031 statt - die Amtszeit von Urte Schwerdtner endet am 31. Oktober 2031 und die Synchronität ist wiederhergestellt.


Unmut im Rat


Bereits am vergangenen Sonntag stellten die Fraktionen der Grünen, der CDU, der Linken und der Bürgerliste eine Dringlichkeitsanfrage. Es wird bemängelt, dass der Umstand der verlängerten Amtszeit bis dato nicht bekannt war. Nun will man einen Verantwortlichen. Die Fraktionen fragen, wo die Zuständigkeit für die Prüfung der Länge der Amtszeit liegt und ob eine Sorgfaltsverletzung der Wahlleitung vorliegt und wollen außerdem wissen, was die Stadt Goslar nun gedenkt zu tun. Auch welche Auswirkung eine Verkürzung der Amtszeit von Urte Schwerdtner um zwei Monate auf mögliche Versorgungsansprüche hätte.


Oberbürgermeister hätte Mega-Amtszeit verhindern können


Dass eine Städtefusion mit einer Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes und damit mit der Verkürzung von Amtszeiten in den Verwaltungsspitzen kollidiert, ist wohl in Niedersachsen ein einmaliger Vorgang. Wäre der Umstand der damit vermutlich letzten derart langen Amtszeit in einem Oberbürgermeisteramt in Niedersachsen früher bekannt gewesen, hätte Amtsinhaber Junk bis April noch handeln können.

Goslars Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk (CDU).
Goslars Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk (CDU). Foto: Axel Otto


Das Innenministerium bestätigt, dass ein vorzeitiger Amtsverzicht im Falle einer Wahlniederlage die Amtsübernahme durch Urte Schwerdtner bereits im November ermöglicht hätte. "Die Erklärung muss der Kommunalaufsichtsbehörde vor dem 1. April des Kommunalwahljahres zugehen", so das Innenministerium. Weiter heißt es: "Infolge der entsprechenden Erklärung endet die Amtszeit des Amtsinhabers dann jeweils bereits am 31. Oktober des Kommunalwahljahres. Die Amtszeit der Nachfolgerin oder des Nachfolgers wiederum beginnt am 1. November und endet regulär am Ende der allgemeinen Wahlperiode." In diesem Falle wäre die nächste Wahl eines Oberbürgermeisters oder einer Oberbürgermeisterin dann im September 2026 gewesen.

Darauf habe auch die erst nach Junks "zweiter" Amtszeit in Kraft getretene Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes keinen Einfluss gehabt: "Die Regelung wäre in diesem Fall anwendbar gewesen. Denn Hauptverwaltungsbeamtinnen und –beamte können von der Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens immer Gebrauch machen."

Will Schwerdtner überhaupt so lange?


Schwerdtner werde oft gefragt, wie lange sie das Amt denn überhaupt bekleiden wolle, gerade vor dem Hintergrund ihrer fast zehnjährigen Amtszeit. Eine Frage, die sie aus ihrer aktuellen Position nur schwer beantworten könne. Sie entgegnet: "Ich hab ja noch nicht mal angefangen. Ich habe viel vor, und wenn ich mehr Zeit habe, kann ich auch mehr machen." Die zusätzliche Zeit im Amtsgericht wolle Schwerdtner nun nutzen, um eine ausführliche Übergabe an ihre Nachfolge vorzunehmen.


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