Niedersachsen setzt „Lehrkräfte-Gewinnungspaket" um

730 zusätzliche Stellen sollen geschaffen werden. Zudem soll es eine Prämie für neue Lehrkräfte und einen leichteren Zugang für Quereinsteigende geben.

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Symbolbild. | Foto: Pixabay

Region. Mit einem umfassenden „Lehrkräfte-Gewinnungspaket" sollen noch mehr qualifizierte Personen für den niedersächsischen Schuldienst rekrutiert werden. Kultusminister Grant Hendrik Tonne stellte am Montag den Katalog kurz-, mittel- und langfristiger Maßnahmen vor, um dem noch weiter steigenden Bedarf an pädagogischem Personal zu begegnen. Das berichtet das niedersächsische Kultusministerium am Montag.



Kultusminister Grant Hendrik Tonne erläuterte: „Im kommenden Schuljahr erwarten wir rund 32.000 Schülerinnen und Schüler zusätzlich an den Schulen. Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges, nachgeholte Einschulungen sowie weiter steigende Geburtenzahlen sind die Ursachen für diesen sprunghaften Anstieg. Damit werden wir beinahe doppelt so viele zusätzliche Schülerinnen und Schüler im System haben, wie durch den zusätzlichen Schuljahrgang bei der Umstellung von G8 auf G9. Die Lage stellt sich damit akut grundsätzlich anders da, als im Zulauf auf das zu Ende gehende Schuljahr."

Bedarf noch nicht gedeckt


Seit Beginn der Legislaturperiode habe das Land 3.000 Lehrkräfte mehr für das Schulsystem gewinnen können und verzeichne damit einen Höchststand von insgesamt 83.000 Lehrerinnen und Lehrern im Land. Dennoch sei die „Decke bei der Lehrkräfteversorgung noch zu kurz", da die Bedarfe und Herausforderungen schneller anstiegen, als sie über den regulären Lehrkräftearbeitsmarkt abzudecken seien.

„Wir stecken bundesweit und in nahezu allen Branchen in der Krise Fachkräftemangel, aber wir gestalten diese Krise im Bildungsbereich in Niedersachsen aktiv. Wir haben in den letzten Monaten wie angekündigt ein umfassendes Lehrkräfte-Gewinnungspaket entwickelt und in die Umsetzung gebracht. Dieses Paket ist sehr weitreichend und wird sich als wirksam erweisen. Übergeordnetes Ziel ist, so viele qualifizierte Menschen wie möglich an unsere Schulen zu bringen. Wir greifen jetzt zu auf dem Markt der klugen Köpfe zum neuen Schuljahr und stellen die Weichen für die Zukunft."


Kultusminister Tonne erklärt abschließend: „Wir haben mit dem Lehrkräfte-Gewinnungspaket auf die alten und die neuen Herausforderungen reagiert und proaktiv gehandelt. Ich bin sicher, dass das Einstellungsverfahren damit eine positive Dynamik entwickeln wird. Gleichwohl ist klar, dass die Arbeit damit nicht abgeschlossen ist. Wir sind auf einer wichtigen Zwischenetappe, aber bei Weitem nicht im Ziel. Wir werden bis zum Start des Schuljahres weitere Stabilisierungsschritte gehen und Maßnahmen ergreifen."Das „Lehrkräfte-Gewinnungspaket" sieht unter anderem folgende Maßnahmen vor:


730 zusätzliche Stellen


Für das aktuell laufende Einstellungsverfahren zum 22. August stellt das Niedersächsische Kultusministerium 730 Vollzeitlehrereinheiten zusätzlich zur Verfügung, 150 davon werden direkt in den Grundschulbereich gesteuert. Insgesamt sind damit rund 2.300 Vollzeiteinheiten zum neuen Schuljahr 2022/2023 mobilisiert worden. Von einem „gewaltigen Kraftakt im laufenden Verfahren" sprach Kultusminister Tonne. „Gleichwohl behalte ich mir vor, erneut nachzusteuern, sollte es die weitere Entwicklung erforderlich machen. Mit den zusätzlichen 730 Stellen sind wir aber erstmal vollumfänglich handlungsfähig."

Anreize und Prämien


Mit einem einmaligen befristeten Prämiensystem soll die Motivation von Bewerberinnen und Bewerbern, in der aktuellen 2. Einstellungsrunde eine noch offene Stelle zu besetzen, deutlich erhöht werden. Bis zu 400 Euro zusätzlich für 24 Monate können in diesem Einstellungsverfahren als Zuschlag zum Gehalt gezahlt werden. Die konkrete Höhe der Prämie ist abhängig von der Schulform und der Fächerkombination, der Zuschlag beträgt aber mindestes 150 Euro. Das Instrument kann landesweit ab sofort für alle offenen Stellen eingesetzt werden.

Alle Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst des Lehramts an Haupt- und Realschulen sowie für das Lehramt an Förderschulen erhalten ab August 2022 eine „HRS-Prämie" in Höhe von rund 300 Euro für die Dauer des gesamten Vorbereitungsdienstes. Zudem zahlt das Land eine Umzugskostenvergütung, wenn Lehrkräfte offene Stellen an weiter entfernten Schulstandorten annehmen.

Lockerungen beim Quereinstieg


Der Pool an potenziellen Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern wird deutlich erweitert, Verfahren beschleunigt und formelle Hemmnisse beseitigt. Allen Bewerbern soll ein Einstellungsangebot im Schulbereich gemacht werden, wenn nicht als Lehrkraft, dann im Bereich der pädagogischen Mitarbeit.

Durch das neue Instrument „Vorratsprüfung" wird die Bewerbungsfähigkeit direkt festgestellt, das neue Format der Kontaktgespräche zwischen Bewerberinnen und Bewerbern um den Quereinstieg erhöht die Transparenz im Verfahren, die Bündelung der Zuständigkeit für den Quereinstieg in einem Regionalen Landesamt für Schule und Bildung reduziert Reibungsverluste.

Fehlende Leistungspunkte von Bewerberinnen und Bewerbern um den Quereinstieg können ab sofort durch pädagogische Tätigkeiten und/oder Berufserfahrung ausgeglichen werden. Meisterinnen und Meister sowie Fachschulabsolventinnen und -absolventen können an Haupt-, Real- und Oberschulen praktischen Unterricht in der ihrer Vorbildung entsprechenden beruflichen Fachrichtung erteilen, zum Beispiel in den Fächern „Arbeit-Wirtschaft-Technik", „Hauswirtschaft", „Textiles Gestalten", aber auch „Werken" und „Informatik" sind mögliche Einsatzfächer für den Einsatz der Fachpraxislehrkräfte.

Ausländische Hochschulabschlüsse sollen schneller und in höherem Umfang anerkannt werden, das gilt auch für Lehrkräfte aus dem Ausland, die lediglich ein Schulfach studiert haben.

Ausbildungsreform


Beide Phasen der Lehrkräfteausbildung, Studium und Vorbereitungsdienst, sollen auf die aktuellen und zukünftigen Erfordernisse hin ausgerichtet werden. Für das Lehramt an Haupt- und Realschulen werden zum Wintersemester 2022/2023 die Möglichkeiten der Fächerkombination ausgeweitet und zwar so, dass alle Fächerkombinationen untereinander kombinierbar sind.

Der Vorbereitungsdienst Haupt- und Realschule wird für Studienabsolventinnen und -absolventen des Lehramts an Grundschulen oder Gymnasien zum nächstmöglichen Zeitpunkt (ab Januar 2023) geöffnet. Ebenfalls wird der Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen für Studienabsolventinnen und -absolventen des Lehramts an Gymnasien zum nächstmöglichen Zeitpunkt (ab Januar 2023) geöffnet.

In Zukunft sollen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst zudem mehr eigenverantwortlichen Unterricht erteilen (können). Stattdessen soll im Bereich der schriftlichen Prüfung reduziert werden. Minister Tonne: „Damit stärken wir die angehenden Lehrkräfte in der pädagogisch-didaktischen Praxis und gewinnen gleichzeitig hochwertige Unterrichtsstunden hinzu. Über die genaue Ausgestaltung dieser Maßnahme tauschen wir uns derzeit noch mit den Interessenvertretungen der Lehrkräfte aus."

Vor-Ort-Maßnahmen


Die Schulleitungen vor Ort haben eine breite Palette im Angebot, um zusätzliches Schulpersonal beziehungsweise Lehrerstunden zu generieren. Sämtliche Möglichkeiten hat das Niedersächsische Kultusministerium in einer aktuellen Handreichung für die Schulen zusammengestellt und stellt diese allen Schulen zur Verfügung. Inhaltlich geht es um den Quereinstieg, aber insbesondere auch um das Generieren zusätzlicher Stunden durch die Einstellung von Studierenden und Pensionären, die Erhöhung von Teilzeit, zusätzliche Unterrichtserteilung auf freiwilliger Basis und das Hinausschieben des Ruhestandes mit Zuschlag. Auch können Lehrer im Vorbereitungsdienst zusätzliche Stunden gegen Vergütung erteilen, wie die Handreichung ausführt.


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