Organisierte Kriminalität: "Eine Bedrohung für unseren Staat"

Das Innen- und das Justizministerium stellten am heutigen Montag die Zahlen für Niedersachsen vor. Gegen 684 Tatverdächtige aus mehr als 50 verschiedenen Staaten wurde 2022 ermittelt.

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Symbolfoto. | Foto: Alexander Panknin

Niedersachsen. Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben am heutigen Montag gemeinsam das Lagebild der Justiz und der Polizei „Organisierte Kriminalität in Niedersachsen 2022“ vorgestellt. Darüber informiert das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport in einer Pressemitteilung.



Innenministerin Behrens sagt:

„Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) ist für uns - also Justiz und Polizei - von entscheidender Bedeutung, denn sie stellt eine ernsthafte Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Drogenhandel, Menschenhandel und Waffenhandel, sind nur ein Teil der Aktivitäten mit denen diese kriminellen Organisationen erhebliche soziale Schäden anrichten. Sie untergraben unsere Wirtschaft, sie fördern Korruption und sie bedrohen in ihrer schlimmsten Ausprägung sogar die nationale Sicherheit. Auf Grund der auf Verschleierung ausgelegten Vorgehensweise der Täter bewegt sich ein nicht unerheblicher Teil der Organisierten Kriminalität im sogenannten Dunkelfeld. Es ist vor diesem Hintergrund durchaus eine gute Nachricht, dass wir im Jahr 2022 die zweithöchste Zahl von OK-Verfahren in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen haben. Das zeigt, dass wir das Dunkelfeld Stück für Stück weiter aufhellen.“


Justizministerin Dr. Wahlmann:
„Der entschiedene Kampf gegen jede Form der Organisierten Kriminalität hat auch weiterhin oberste Priorität für Justiz und Polizei in Niedersachsen. Die kriminellen Strukturen bedrohen unseren Staat, unsere Gesellschaft und uns alle, deshalb wird der Rechtsstaat hier klare Kante zeigen. Und dabei sind wir auf einem guten Weg: Der bisherige Höchststand von 114 staatsanwaltschaftlichen Verfahren im Jahr 2022 ist ein deutlicher Beleg für die erfolgreiche Arbeit von Justiz und Polizei. Daher gilt mein besonderer Dank unseren Staatsanwaltschaften und Gerichten, die mit ihrer Einsatzbereitschaft und Beharrlichkeit unseren Rechtsstaat so erfolgreich verteidigen.“


Die niedersächsische Polizei führte im letzten Jahr 68 Ermittlungsverfahren (Vorjahr 78) durch, 17 weitere Ermittlungskomplexe wurden im Auftrag niedersächsischer Staatsanwaltschaften von den Bundesbehörden (Bundespolizei und Zoll) bearbeitet. Bei diesen 85 gemeldeten Verfahren ging es zum größten Teil um den Handel mit oder Schmuggel von Betäubungsmitteln (52 Verfahren).

684 Tatverdächtige


Insgesamt wurde gegen 684 Tatverdächtige aus mehr als 50 verschiedenen Staaten ermittelt. Tatverdächtige deutscher Nationalität stellten dabei mit 318 Personen den größten Anteil, gefolgt von den türkischen Staatsangehörigen mit 78 Personen.

468 Millionen Euro Schaden


Der hochgerechnete Gesamtschaden der OK lag im Jahr 2022 bei etwa 468 Millionen Euro (2021: 167 Millionen Euro). Hierbei ist zu berücksichtigten, dass beispielsweise auch Gebäudeschäden im Kontext von Geldautomatensprengungen einfließen. Insgesamt konnten Vermögenswerte in Höhe von zirka 6,3 Millionen Euro (2021: 4 Millionen Euro) vorläufig gesichert werden. Damit konnte der sich seit 2019 abzeichnende Abwärtstrend gestoppt werden.

Verschlüsselte Kommunikation


Nachdem über Monate Millionen von Nachrichten des Krypto-Handy-Anbieters EncroChat abgefangen werden konnten, habe sich diese Erfolgsgeschichte fortgesetzt: Auch Daten der Anbieter SkyECC und ANOM befinden sich nach deren Entschlüsselung im Zulauf zu den Bundesländern. Die bisherigen und zum Teil noch andauernden Auswertungen dieser Informationen hätten allein für Niedersachsen eine außergewöhnliche Dimension erreicht. Im Berichtsjahr 2022 basierten 29 der niedersächsischen Verfahren und damit 42 Prozent auf Erkenntnissen aus der verschlüsselten Täterkommunikation.

Der Deliktsbereich der Rauschgiftkriminalität sei die am meisten festzustellende Hauptaktivität der OK-Gruppierungen und somit auch deren Haupteinnahmequelle. Unverändert gelangten große Mengen von Betäubungsmitteln insbesondere aus Südamerika und dem Nahen Osten nach Europa. Die wiederkehrende mediale Berichterstattung über Rekordsicherstellungen belege, dass Deutschland nicht nur eine Abnehmerland ist, sondern die Rolle eines zentralen Knotenpunktes der Transportrouten in das benachbarte europäische Ausland innehat. Im Berichtsjahr 2022 betrafen 52 Verfahren der insgesamt 85 gemeldeten OK-Verfahren den Deliktsbereich der Rauschgiftkriminalität.

"Der Bankraub des 21. Jahrhunderts"


In Niedersachsen wurde im Jahr 2022 mit insgesamt 68 Geldautomatensprengungen wiederholt eine Steigerung der Fallzahlen verzeichnet. Hierbei wurden 40 Taten vollendet, bei 28 handelte es sich um Versuchstaten ohne Beuteerlangung. Zwar seien für diese Angriffe unterschiedliche Tätergruppierungen verantwortlich, der größte Anteil der Täter stamme jedoch aus den Niederlanden, welche nur zur Tatausübung kurzfristig in das Bundesgebiet einreisen. Im laufenden Jahr könne bisher ein deutlich sinkender Trend der Fallzahlen festgestellt werden.

Ministerin Dr. Wahlmann: „Die Geldautomatensprengung ist der Bankraub des 21. Jahrhunderts. Die Täter gehen äußerst skrupellos vor und bringen die umliegende Bevölkerung, Polizeibeamte und Verkehrsteilnehmende in akute Lebensgefahr. Mit insgesamt 68 Taten in Niedersachsen haben wir im Jahr 2022 einen Höchststand dieser gemeingefährlichen Taten erreicht. Gleichzeitig deutet der Rückgang der Taten im laufenden Jahr 2023 darauf hin, dass unsere Strategie der energischen Verfolgung erfolgreich ist.“

Kriminelle Clanstrukturen


Die Bekämpfung krimineller Clanstrukturen stelle die niedersächsische Polizei unvermindert vor große Herausforderungen und bilde seit Jahren einen landesweiten Schwerpunkt in der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung. In 2022 wurden insgesamt zehn entsprechende Ermittlungskomplexe gemeldet, in denen 108 Tatverdächtige in Clanstrukturen eingebunden waren oder Bezüge zu diesen festgestellt wurden. Im Jahr 2021 waren es noch acht Verfahren. Auch die Anzahl der Tatverdächtigen ist merkbar um über 40 Prozent angestiegen. Dieser Aufwärtstrend korrespondiere mit den generell anwachsenden Fallzahlen dieses Phänomens. Die Zahlen belegten allerdings nicht zwingend ein Anwachsen der Clankriminalität. Es zeige sich hier vermutlich auch die Wirkung der justierten Stellschrauben im Bereich polizeilicher Analyse und Auswertung, wodurch die Clankriminalität nach und nach immer mehr ins Hellfeld der polizeilichen Wahrnehmung rücke.

Die hochkriminellen OK-Gruppierungen zeichneten sich insbesondere durch eine enorme Kreativität und Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen aus - alles im Sinne einer ausgeprägten Macht- und Gewinnmaximierung, so das Fazit der Ministerien. Dabei zeigten sie sich zunehmend flexibel in Bezug auf die jeweilige Tatausführung und reagierten schnell auf jeden gesellschaftlichen Trend. Die Täterstrukturen seien immer häufiger international vernetzt. Deshalb gewinne auch die internationale polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit immer weiter an Bedeutung.


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