Todesfahrt von Amazon-Lieferwagen: Viele offene Fragen in Broistedt

Die Polizei geht Hinweisen auf ein beteiligtes Fahrzeug aus dem SUV-Segment nach. Wenige konkrete Anhaltspunkte gibt es jedoch zu den in den sozialen Medien getätigten Vorwürfen über die allgemein waghalsige Fahrweise der für Amazon tätigen Lieferunternehmen.

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Der Schauplatz des tödlichen Unfalls am 14. Oktober. Heute steht dort ein Kreuz im Gedenken an den Verstorbenen.
Der Schauplatz des tödlichen Unfalls am 14. Oktober. Heute steht dort ein Kreuz im Gedenken an den Verstorbenen. | Foto: aktuell24/KR

Lengede/Broistedt. Nach dem tragischen Tod eines 23-jährigen Fußgängers auf der Vechelder Straße in Broistedt am 14. Oktober (regionalHeute.de berichtete) hagelte es Kritik am Auftreten von Amazon und auch Ortsbürgermeisterin Maren Wegener in den sozialen Medien. Wie regionalHeute.de bestätigt wurde, handelte es sich bei dem weißen Lieferwagen tatsächlich um das Fahrzeug eines für Amazon tätigen Subunternehmers. Die Polizei geht derzeit weiteren Hinweisen auf ein weiteres Fahrzeug nach, das bei dem Unfall eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte.


Eine Woche nach dem Unfall erlag der 23-jährige Fußgänger am 21. Oktober seinen Verletzungen durch den Zusammenstoß mit dem weißen Lieferwagen. Nur einen Tag später fand in den Räumlichkeiten des neuen Amazon-Verteilzentrums in Lengede ein Pressetermin zum offiziellen Start der Tätigkeitsaufnahme statt. In den sozialen Medien häuften sich daraufhin die Kommentare über den "unpassenden Zeitpunkt" der Presseberichterstattung, sowie am Verhalten der Fahrer. Vorwürfe wurden laut, dass diese mit überhöhter Geschwindigkeit fahren, am Handy telefonierten - und dass der Unfallfahrer keine erste Hilfe leistete. regionalHeute.de bat die Kommentierenden daraufhin, sich mit ihren Erfahrungen als Anhaltspunkt für eine weitergehende Recherche zu melden. Bis heute erreichte unsere Online-Zeitung jedoch keine einzige Nachricht. Einzig eine Angehörige des Opfers zeigte sich bereit, das Erlebte zu schildern. Da die tiefen seelischen Wunden noch zu frisch sind, wollte sie sich selbst noch nicht öffentlich äußern. Sie gab jedoch den Hinweis darauf, dass die ebenfalls beim Amazon-Ortstermin anwesende Ortsbürgermeisterin Maren Wegener von dem Vorfall gewusst haben könnte.


Ortsbürgermeisterin hält sich bedeckt


Aufgrund der erhobenen Vorwürfe gegen Wegener als Ortsbürgermeisterin und Amazon als neu ansässiges Unternehmen baten wir Wegener - auch aufgrund der aktuellen Corona-Lage - um ein Gespräch per Telefonkonferenz oder Videoschalte. Das lehnte Wegener auf Nachfrage ab und bestand weiterhin auf ein persönliches Gespräch, ließ aber mitteilen: "Mein Mitgefühl gilt der Familie und den Freunden des verunglückten jungen Mannes, denen ich in dieser schwierigen Zeit viel Kraft wünsche." Auf den Bezug des Vorfalls zu Amazon ging die Ortsbürgermeisterin jedoch nicht ein. Während des Termins im Verteilzentrum erklärte sie jedoch, dass ihr keine Beschwerden seit der Tätigkeitsaufnahme des Verteilzentrums bekannt seien.


Amazon hinterfragt eigenes Vorgehen


Weitaus offener zeigte sich dann Amazon über die für Deutschland zuständige Unternehmenssprecherin Nadiya Lubnina. Noch bevor die Recherchen zur Herkunft und Unternehmenszugehörigkeit des am Unfall beteiligten Lieferfahrzeugs abgeschlossen waren, meldete sie sich unerwartet bei regionalHeute.de. Sie bedaure den Ablauf des Pressetermins in Bezug auf den tödlichen Unfall: "Wir hätten das am 22. Oktober proaktiv ansprechen sollen. Das haben wir aber nicht gemacht, weil alles noch unübersichtlich war - wir stehen selbst nicht in Kontakt mit der Polizei und hatten die Informationen auch nur aus den Medien. Deswegen wollten wir bei dem Pressetermin nicht spekulieren." Grund für die Nichteinbindung in die Ermittlungen sei, dass der beteiligte Transporter nicht zu Amazon selbst, sondern zu einem für Amazon tätigen Logistikpartner gehöre, der "im Auftrag" für den US-Versandriesen fährt. Man wünsche sich gute Beziehungen zu den Ortsansässigen. Lubnina kündigte daher an, auch weitergehende Presseberichterstattung transparent zu unterstützen und die Vorwürfe gegen die Fahrer zu prüfen. "Wir möchten unser Beileid ausdrücken. Wir versuchen immer noch mit der Familie Kontakt aufzunehmen, auch wenn keiner jetzt das Richtige sagen oder tun kann", erklärt Lubnina und ergänzt: "Wenn wir sie irgendwie unterstützen können, ich weiß nicht wie, dann wären wir natürlich für die Familie da - vorausgesetzt, sie möchten das oder wollen das hören." Gleiches gelte auch für André Lüdger, Betreuer des Lengeder Verteilzentrums.

Polizei untersucht Beteiligung eines SUV


Die Polizei teilt mit, dass sie derzeit noch immer zur Unfallursache ermittele. Der Fokus liege dabei auf dem unbekannten schwarzen Fahrzeug, das den Transporter vor dem Unfall überholt hat. Anschließend habe der unbekannte Fahrer stark abgebremst. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, verriss der 25-jährige Transporterfahrer das Lenkrad, wich auf die Gegenfahrbahn aus und erfasste daraufhin den am Straßenrand laufenden Fußgänger. "Es gibt Hinweise auf ein Fahrzeug aus dem SUV-Segment, hierzu werden derzeit Ermittlungen getätigt", berichtet Polizeisprecher Frank Oppermann über den aktuellen Sachstand.


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