Region rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu

Laut einer Untersuchung des Pestel-Institut wird es in zehn Jahren fast 280.000 Ruheständler in der Region geben. Der Wohnungsmarkt sei damit komplett überfordert.

Wenn Rollator auf Treppe trifft: Die Region braucht mehr Seniorenwohnungen. Symbolbild
Wenn Rollator auf Treppe trifft: Die Region braucht mehr Seniorenwohnungen. Symbolbild | Foto: Nils F. Hillebrand

Region. Die Region Braunschweig kommt in die Jahre – und ist auf das Wohnen der älteren Menschen nicht vorbereitet: Die Baby-Boomer gehen bis 2035 komplett in Rente. Dann werden in der Region rund 279.800 Menschen im Ruhestand sein. Das geht aus einer Regional-Untersuchung zum Senioren-Wohnen hervor, die das Pestel-Institut gemacht hat. Darüber informiert das Institut in einer Pressemeldung.



Dabei verteilen sich die Ruheständler folgendermaßen: die Städte Braunschweig rund 54.500 Menschen, Salzgitter 24.000 und Wolfsburg 27.600; die Landkreise Goslar rund 35.900 Menschen, Wolfenbüttel 32.700, Helmstedt 23.800, Gifhorn 46.500 und Peine 34.800.

"Wohnungsmarkt komplett überfordert"


Die Wissenschaftler warnen dabei: „Der Wohnungsmarkt ist mit der neuen Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert. Es fehlen Seniorenwohnungen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Schon jetzt gebe es einen massiven Mangel an altersgerechten Wohnungen. „Das wird sich in den nächsten Jahren allerdings noch enorm verschlimmern. Oder anders gesagt: Die Region rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu“, so Matthias Günther.

So viele Wohnungen werden benötigt


Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu konkrete Zahlen: So gibt es aktuell rund 136.800 Haushalte in Braunschweig. In 28 Prozent davon leben Senioren. „Bereits heute braucht Braunschweig rund 8.900 Wohnungen für die älteren Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Doch diese Seniorenwohnungen gibt der Wohnungsmarkt in Braunschweig bei weitem nicht her“, sagt Matthias Günther. Und für 2045 ermittelt die Untersuchung bei den benötigten Seniorenwohnungen sogar einen deutlichen Anstieg: So wird Braunschweig in zwanzig Jahren für rund 10.900 Seniorenhaushalte Wohnungen brauchen, die zum Leben im Alter passen.

In Salzgitter gibt es aktuell rund 50.400 Haushalte. In 34 Prozent davon leben Senioren. Bereits heute benötige Salzgitter rund 3.900 Wohnungen für ältere Menschen. In Wolfsburg gibt es 64.300 Haushalte, in 32 Prozent davon leben Senioren, rund 4.700 Senioren-Wohnungen werden benötigt. Im Landkreis Goslar sieht es so aus: rund 67.300 Haushalte, in 38 Prozent davon leben Senioren. Heutiger Bedarf: rund 5.900 Wohnungen, für 2045 ermittelter Bedarf: 7.000 Seniorenhaushalte.

Im Landkreis Wolfenbüttel gibt es aktuell rund 56.700 Haushalte, in 36 Prozent davon leben Senioren. Heutiger Bedarf: rund 4.800 Wohnungen für Ältere, für 2045 geschätzter Bedarf: rund 6.500 Wohnungen, die zum Leben im Alter passen. Zahlen für den Landkreis Helmstedt: rund 43.500 Haushalte, 36 Prozent mit Senioren. Bedarf heute: rund 3.600 Wohnungen, geschätzter Bedarf 2045 rund 4.700 Wohnungen. Landkreis Gifhorn: rund 78.100 Haushalte, 34 Prozent mit Senioren. Bedarf heute: rund 6.200 Wohnungen, Bedarf 2045 rund 9.600 Wohnungen. Landkreis Peine: rund 61.800 Haushalte, 34 Prozent mit Senioren. Bedarf heute: rund 4.900 Wohnungen, Bedarf 2045: rund 7.300 Wohnungen.

Barrierefreie Wohnungen von Jüngeren belegt


Eigentlich sei der Bedarf sogar noch höher, so das Pestel-Institut. „Denn ein Großteil der altersgerechten Wohnungen wird noch nicht einmal von Älteren bewohnt. Oft nutzen nämlich auch Familien den Komfort einer Wohnung ohne Schwellen, mit breiten Türen, Fluren und Räumen. Denn wo das Leben mit einem Rollator klappt, da kommt man auch mit einem Kinderwagen klar“, sagt Matthias Günther.

Neben dem Neubau sei deshalb vor allem eine Sanierungsoffensive notwendig, um für mehr seniorengerechte Wohnungen zu sorgen. „Doch die ist bislang nicht in Sicht: Das Fatale ist, dass wir dazu politisch nur eine Vogel-Strauß-Taktik erleben. Statt mit einem effektiven Programm fürs Senioren-Wohnen das Problem anzupacken, hat vor allem der Bund den Kopf in den Sand gesteckt und die graue Wohnungsnot seit Jahren ignoriert“, sagt Günther.

Forderung an neue Regierung


Das müsse sich jetzt dringend ändern, fordert Katharina Metzger. Sie ist Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Regional-Untersuchung zum Senioren-Wohnen beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat. An die Adresse der Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD aus Niedersachsen richtet Katharina Metzger einen eindringlichen Appell: „Das Wohnen muss bei den Koalitionsverhandlungen ein absoluter Schwerpunkt sein. Der Wohnungsbau braucht einen gewaltigen Schub. Es ist wichtig, dass die CDU und die SPD dieses ‚SOS-Notsignal fürs Wohnen‘ deutlich nach Berlin funken.“