Salzgitter. Unter dem Motto „Ein modernes Berufsbildungsgesetz – jetzt!“ hatte die IG Metall Jugend in Salzgitter kürzlich zu einer Diskussionsrunde mit der Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann eingeladen. Grund hierfür ist die gerade laufende Überarbeitung des Berufsbildungsgesetzes. Dieses regelt die Ausbildungsbedingungen von über 500.000 Auszubildenden in Deutschland und ist damit von besonderer Bedeutung für die Gewerkschaftsjugend. Dies berichtet die IG Metall Jugend Salzgitter-Peine.
Die Regierungsparteien aus CDU, CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, das neue Berufsbildungsgesetz noch in diesem Jahr zu beschließen. Laut IG Metall Jugend greifen die geplanten Änderungen viel zu kurz und blenden wichtige Aspekte einfach aus. Dies habe die örtliche Gewerkschaftsjugend zum Anlass genommen, um die Bundestagsabgeordneten, Landtagsabgeordneten und verantwortliche Politikerinnen und Politiker aus dem Wahlkreis zu einer Diskussionsrunde anzuschreiben und zu einem Austausch einzuladen. Der Einladung gefolgt sei lediglich Jutta Krellmann von der Linken. Viele Jugend- und Auszubildendenvertreterinnen und -vertreter von regionalen Unternehmen wie Volkswagen, der Salzgitter Flachstahl, Alstom, Peiner Träger, MAN, DB Schenker und Stoll hätten ihre täglichen Erlebnisse aus dem betrieblichen Alltag geschildert und konfrontierten die Politikerin mit ihren Erfahrungen.
Klare Richtlinien für Duales Studium benötigt
„Es gibt Betriebe, die teilen den Auszubildenden erst kurz vor ihrer Abschlussprüfung mit, ob sie danach in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden. Wie soll man denn so sein Leben planen?“, berichtet Derya Nas von der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Volkswagen Salzgitter. „Bei uns haben wir die Übernahme nach der Ausbildung gemeinsam mit der IG Metall in einem Tarifvertrag durchgesetzt. Darüber sind wir sehr froh, denn das ist leider nicht in jedem Unternehmen der Normalfall“, führt Derya weiter aus. Eine der Anliegen der IG Metall Jugend für die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes ist die Einführung einer Ankündigungsfrist von drei Monaten für die Nichtübernahme nach der Ausbildung. Diese soll den Auszubildenden größere Planungssicherheit verschaffen.
Darüber hinaus übt die IG Metall Jugend Kritik an fehlenden Regelungen für dual Studierende: „Dual Studierende benötigen endlich einen rechtlichen Rahmen für den praktischen Teil ihrer Ausbildung im Betrieb“, stellt Bedran Tarlan, Vertrauenskörperleiter Jugend der Hütte klar. „Viele bewegen sich während ihrer betrieblichen Praxisphasen im rechtsfreien Raum und sind in vielen Betrieben damit konfrontiert, ihre Ausbildungsmittel selbst finanzieren oder hohe Fahrtkosten tragen zu müssen. So bildet man keine Fachkräfte aus“, erklärt Bedran weiter. Die Anzahl der dual Studierenden hat sich laut Statistiken des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt. Für mehr als die Hälfte dieser zukünftigen Fachkräfte finde der betriebliche Teil ihrer Ausbildung aufgrund der fehlenden Regelung im BBiG ohne rechtlichen Rahmen statt. „Man könnte meinen, Bildungsministerin Anja Karliczek hat das Problem der dual Studierenden gar nicht verstanden“, merkt Jutta Krellmann an. „Dies ist eine der großen Schwächen des Entwurfs. Gerade vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Transformation der Arbeitswelt ist eine kann es nicht sein, dass der Rahmen der Ausbildung für Studierenden nicht fest geregelt. Das passt doch nicht“, so Krellmann.
"Auszubildende werden erpressbar"
Auch mit der geplanten Einführung einer Mindestausbildungsvergütung ist die Gewerkschaftsjugend nicht zufrieden. Das Bundesministerium plant die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung in Höhe von 515 Euro im ersten Ausbildungsjahr. Diese orientiert sich am Schüler-BAföG. Laut IG Metall Jugend führe dies zu einer Verschlechterung für viele junge Menschen in den Betrieben. Laut aktueller Rechtsprechung müsse eine angemessene Ausbildungsvergütung mindestens 80 Prozent der branchenüblichen tariflichen Ausbildungsvergütung betragen. Diese Regelung sei durch die geplante Gesetzesänderung in Gefahr und würde die größte finanzielle Umverteilung in der beruflichen Bildung, die es je gegeben habe, zu Ungunsten der Auszubildenden einleiten.
Eine weitere Gefahr für zukunftssichere Ausbildungsplätze sehen die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in der geplanten Auflockerung des Durchstiegs bei Stufenausbildungen: „Künftig sollen Auszubildende in vielen Bereichen nach erfolgreichem Ablegen der Abschlussprüfung 1 bereits einen zweijährigen Berufsabschluss erwerben“, sagt Nicole Heise von MAN. „Dadurch werden wir erpressbar, unsere Ausbildung frühzeitig abzubrechen: Wenn der Ausbilder zu uns kommt und sagt, er kann mich jetzt mit dem zweijährigen Berufsabschluss übernehmen, nächstes Jahr sieht es vermutlich schlecht aus – wie würden sich die meisten wohl entscheiden? Den Arbeitgeber spart das natürlich Geld, denn wer nur eine zweijährige Ausbildung vorzuweisen hat, verdient weniger und hat schlechtere Weiterbildungsmöglichkeiten. Gerade vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Transformation der Arbeitswelt ist eine gute, dreijährige Ausbildung unverzichtbar!“ Dem pflichtet Jutta Krellmann bei und stellt fest, dass der Kampf gegen „Schmalspurausbildung“ eine besondere Herzensangelenheit für sie sei.
Betriebliche Realität sieht anders aus
Die Gewerkschaftsjugend werde nun weitere Gespräche mit den politisch Verantwortlichen suchen und Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess nehmen. „Wir waren etwas enttäuscht, dass uns viele Politiker auf unser Anschreiben die kalte Schulter gezeigt haben. Natürlich möchten wir auch mit Vertretern der anderen Parteien diskutieren und für echt Verbesserungen streiten“, sagt Jan Laging von der IG Metall Salzgitter-Peine. Im Januar hatte das zuständige Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (Berufsbildungsmodernisierungsgesetz – BBiMoG) vorgelegt. Die geplanten Änderungen im Berufsbildungsgesetz greifen laut der Gewerkschaftsjugend viel zu kurz und gehen an der betrieblichen Realität und den tatsächlichen Problemen der Auszubildenden und dual Studierenden vorbei.
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