Salzgitter. Wie die Staatsanwaltschaft Kempten und die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München in einer gemeinsamen Presseerklärung am heutigen Dienstag bekannt gaben, hat die Bundespolizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Kempten seit den frühen Morgenstunden in Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle gegen international agierende Schlepper vollstreckt. Unter anderem waren die rund 400 Beamten auch in Salzgitter im Einsatz. Die Durchsuchung soll in Salzgitter-Lebenstedt in der Straße Am Schlehenweg am frühen Morgen stattgefunden haben.
Im Hintergrund würden aufwendige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kempten in Zusammenarbeit mit der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München stehen, nach denen die Bande seit mindestens April 2019 Schleusungen über die sogenannte Balkanroute organisierte und durchführte. Zurzeit werden den 19 Beschuldigten, bei denen es sich um syrische, libanesische und lybische Staatsangehörige im Alter zwischen 21 und 44 Jahren handelt, mindestens 23 Fälle des gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern vorgeworfen. Gegen Bezahlung hoher Geldbeträge sollen laut Mitteilung dabei mutmaßlich 140 Personen überwiegend syrischer Herkunft mittels Kleintransportern und PKW geschleust worden sein. Die Täter gingen überaus planvoll und sehr professionell vor: Tatorte wurden umfangreich aufgeklärt, es kam zum Einsatz von sogenannten "Scouts", also vorausfahrenden Fahrzeugen zur Meldung von Polizeikontrollen, und den eigentlichen Grenzübertritten oftmals zu Fuß in geschütztem Gelände. Der Bandenchef koordinierte die Schleuser dabei regelmäßig minutiös via Smartphone, jedoch aus sicherer Entfernung.
Ob ein Fall aus dem Jahre 2018 bei der heutigen Durchsuchung eine Rolle spielt, konnten Polizei und Staatsanwaltschaft Braunschweig nicht sagen. Am 27. September 2018 wurden auf der Ladefläche eines LKW fünf Männer aus Pakistan und Afghanistan gefunden.
Sieben Haftbefehle erlassen
Auf die Schliche kam die Bundespolizei den Schleppern im August 2019 nach der Festnahme eines Schleuserfahrers der Bande auf frischer Tat auf der A7 bei Füssen. Die Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft Kempten zur Bekämpfung der internationalen Schleuserkriminalität ("Traunsteiner Modell") führte die Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Ermittlungsbehörden in Österreich, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, den Niederlanden sowie in Belgien. Zudem wurden die Ermittlungen durch Europol unterstützt. Dadurch konnte der Kopf der Schleuserbande bereits im Dezember in Österreich festgenommen werden, dessen Auslieferung aus Österreich angestrebt wird.
Anhand der Ergebnisse der umfangreichen Ermittlungen erließ das Amtsgericht Kempten nun gegen die weiteren Bandenmitglieder unter anderem elf Durchsuchungsbeschlüsse und sieben Haftbefehle. Bei dem akribisch geplanten heutigen Großeinsatz, an dem auch Kollegen des österreichischen Bundeskriminalamtes teilnehmen, gelang bisher die Vollstreckung von fünf Untersuchungshaftbefehlen sowie die Sicherstellung von umfangreichem Beweismaterial, darunter insbesondere der bei der Tatausführung genutzten Smartphones. Letztere werden nun durch die speziell auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität im Bereich von Schleusungsdelikten ausgerichtete und dafür ausgestattete Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München ausgewertet.
Die Ermittlungen dauern an, aufgrund der laufenden polizeilichen Maßnahmen können derzeit keine weiteren Angaben gemacht werden.
Hintergrund
Das sogenannte "Traunsteiner Modell" zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität wurde bei der Staatsanwaltschaft Kempten zum 1. November 2019 eingeführt. Die sechsköpfige Spezialabteilung arbeitet bei der Verfolgung von international agierenden Schleuserbanden, Drogen- und Waffenhändlern nicht nur eng mit den ausländischen Polizei- und Justizbehörden zusammen, sondern auch mit Eurojust und Europol.
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