Heidelberg. Eine wachsende Gruppe in der Mitte der Bevölkerung neigt einer Erhebung des Markt- und Sozialforschungsinstituts Sinus zufolge zu populistischen Positionen. Das berichtet das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagausgaben).
Sinus-Geschäftsführerin Silke Borgstedt spricht von Anzeichen, dass die Stimmung in der Gesellschaft insgesamt kippen könnte. Seit Jahren ermitteln die Forscher, wie hoch der Anteil bürgerlicher Wähler bei den Stimmen für die AfD liegt. 2021 waren es dem Institut zufolge 43 Prozent, 2022 exakt 50 Prozent. Aktuell sind es 56 Prozent. Der Populismus sei in der Mitte der Bevölkerung angekommen, lautet die Schlussfolgerung nach Befragung und Analysen des Instituts. "Die Milieus der Mitte definieren in hohem Maß, was in einer Gesellschaft als normal gilt", sagte Borgstedt dem RND. Sie könnten zugleich die Kipppunkte hin zur Empfänglichkeit für Populismus auslösen. Insbesondere in der modernen Mitte finde sich ein großer Anteil an Wechselwählern mit parteipolitischen Schwankungen, je nach Themenkonjunktur. So stimmen laut Sinus in diesem Milieu inzwischen 54 Prozent der Aussage zu, Politiker und andere Führungspersönlichkeiten seien nur Marionetten dahinterstehender Mächte. Ebenfalls mehr als die Hälfte (53 Prozent) vertreten demnach die Ansicht, dass demokratische Parteien alles zerredeten und keine Probleme lösten beziehungsweise wichtige Fragen nicht in Parlamenten, sondern in Volksabstimmungen entschieden werden sollten. Die genutzten Daten stammen aus einer Online-Umfrage mit mehr als 1.000 Befragten. In der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft unterscheidet das Sinus-Institut einen eher nostalgischen Teil und die moderne Mitte, die auch "adaptiv-pragmatisches Milieu" genannt wird. Als neues Phänomen ist demnach zu beobachten, dass eben diese moderne, fortschrittsorientierte Mitte zunehmend von der AfD erreicht wird. Nach der Bundestagswahl sah die Lage noch ganz anders aus. Im pragmatischen bürgerlichen Milieu habe Aufbruchstimmung geherrscht, schilderte Borgstedt. "Sie interessierten sich für E-Mobilität, Digitalisierung und eine neue Familienpolitik. Je mehr der Zukunftsoptimismus schwindet, desto mehr wächst der Anteil der AfD-Wähler in diesem Milieu."
Die gesellschaftliche Mitte brauche für ihr Leben eine Roadmap, Planungssicherheit und Verlässlichkeit, so Borgstedt. "Auch veränderungsbereite und zukunftsorientierte Menschen sehen sich aktuell erheblichen transformativen Zumutungen gegenüber, die die Verwirklichung einer angestrebten Normalbiografie mit Haus, Kindern und Auto gefährden."
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