Sylter Flair am Rande von Wolfenbüttel

von Andreas Molau




Wir haben am Wochenende eine Regenpause ausgenutzt und uns den süßen Freuden des Lebens hingegeben: In der Sylter Eisdiele.


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Neulich war ich Braunschweig mittags essen. In der Vielharmonie. Ein Restaurant, das schon lange auf der Liste für einen abendlichen Besuch steht. Der Mittagstisch ist klasse. Es gibt immer entweder ein Vorsüppchen oder ein Dessert. Beim letzten Mal beantwortete ich die obligatorische Frage nach einem Dessert ohne lange nachzudenken abschlägig. Vielleicht habe ich der Küche unrecht getan. Aber der süße Abschluss wird in der Gastronomie oft stiefmütterlich behandelt. Es gibt keine anständigen Desserts mehr, so scheint es mir manchmal. Entweder nur süß oder auf jeden Fall einfallslos – und viel zu süß. Dabei können „Dolci“ so einfallsreich sein. Hanns-Josef Ortheil hatte mich erst kürzlich mit einem kulinarischen Reisebericht in die „süßen Paradiese Siziliens“ entführt. Ein grandioses Buch, das Lust auf den tiefen Süden des Kontinents macht oder zumindest auf gute Nachspeisen. Offenbar verstehen die Sizilianer etwas davon. Und tatsächlich: Im Katané in Braunschweig gibt es Cannolis, die einen so himmlischen Kontrast zwischen knusprig leichten Teig und süß, aromatischer Creme entfalten, dass man eine Ahnung davon bekommt, was die Dolci alles können. Aber ansonsten ist eben oft selbst beim Italiener um die Ecke oft auch nicht viel mehr zu bekommen als das obligatorische Tiramisu oder Panna cotta.

Gute Empfehlungen

Insofern ist auch Eis immer so eine Sache. Auf das aufgepimpte, klebrig süße Industrie-Eis, das vermutlich kaum eine echte Frucht gesehen hat, kann ich schon lange verzichten. Wenn überhaupt, dann mal ein Häagen Dazs. Aber am Besten doch zur Eisdiele – etwa in der Autostadt oder in Wolfenbüttel bei Martini auf der Langen Straße. Seit einiger Zeit gibt es am Rande Wolfenbüttels – ausgerechnet am Alten Schlachthof – eine Sylter Eisdiele, von der ich schon viel Gutes gehört habe – Susanne Röder vom Röber Gourmetmarkt schwärmte und auch im Facebookprofil vom Assegriller Thorsten Nowak konnte ich neulich auf der Facebook-Timline ein freudiges Gesicht beim Schlecken einer Kugel Eis sehen. Also: Trotz des Wochenendregens ging’s nach Wolfenbüttel, über die Adersheimer Straße – dort vorbei, wo ich die ersten Jahre die Schulbank drücktet, zur Eisdiele. Sylter Flair mitten im Gewerbegebiet. Die Sylter Eisdiele ist eine kleine Insel. Einfache Holztische, die von hübsch angelegten Beeten gesäumt werden, eine gelöste Stimmung bei einem Publikum, das ganz und gar gemischt ist. Ältere Herrschaften, Radler, Cowboy-Freaks, kleine Kinder. Die Eistheke drinnen erinnert in ihrer hellen Aufgeräumtheit wirklich an das Urlaubsparadies an der Nordsee.

Einfach gut

Und das Eis? Zum Test nehme ich mein Lieblingseis – das Spaghettieis. Es wurde 1967 erfunden von einem Dario Fontanella und hat seitdem einen Siegeszug ohnegleichen gefeiert. Über Schlagsahne wird Vanilleeis durch eine Spätzlepresse gepresst und mit Erdbeersauce und geraspelter weißer Schokolade garniert. Eine ebenso einfache wie geniale Idee. Die Qualität jeder Küche kann man, finde ich, zuerst immer an den ganz einfachen Dingen testen. Vanilleeis und Sahne mit Erdbeersauce, das sind solche Essentials. Und: Die Lobeshymnen stimmen tatsächlich. Dieses Eis ist einfach klasse. Ein zarter Schmelz, angenehm sahnig und trotzdem nicht zu schwer. Nuancierte Vanille- und Erdbeeraromen, guter, reiner Sahnegeschmack – und vor allem ist es nicht zu süß. Während wir unsere Sorten still genießen – Kaffeeeis und Schokolade bei meinen Lieben – seufzt eine ältere Dame verzückt, nachdem sie den ersten Löffel ihres Gefrorenen zu sich genommen hat: „Himmlisch. Der Tipp war wirklich gut.“ Wer es also noch nicht den Weg in den Westen der Lessingstadt geschafft, der sollte das unbedingt tun. Denn es gibt sie noch, die Dolci.


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