Region. Bei den Vorberatungen zur Konferenz zwischen Bund und Ländern am morgigen Mittwoch zeichnet sich nach wie vor keine Einigkeit beim Thema Feuerwerk ab. regionalHeute.de sprach mit dem Braunschweiger Bastian Lerche über ein drohendes Feuerwerksverbot. Der Pyrotechnik-Experte und Inhaber des Online-Shops Pyroprima.de befürwortet den Vorschlag der CDU-geführten Länder nach einem Feuerwerksverbot auf öffentlichen Plätzen. Ein völliges Verbot würde Lerche zufolge zu einer gefährlichen Verbreitung von illegalem Feuerwerk führen.
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf Teilnehmerkreise berichtet, plädierten die SPD-geführten Bundesländer für ein Verbot des Verkaufs und des Zündens von Feuerwerk an Silvester, um Einsatz- und Hilfskräfte zu entlasten, die CDU hingegen ist für ein Verbot auf bestimmten von den Kommunen festzulegenden öffentlichen Straßen und Plätzen, um größere Gruppenbildungen zu vermeiden. Lerche befürwortet diesen CDU-Vorstoß und kann sich diesen sogar für die Zukunft "nach" Corona vorstellen: "Die Menschenmassen auf dem Schlossplatz in Braunschweig fand ich noch nie gut. Das läuft ja völlig unkontrolliert ab. Dann sind da viele Betrunkene und darunter auch Leute, die nicht richtig mit dem Feuerwerk umgehen." Lerche erklärt: "Ich finde Verbotszonen gut. Wenn Corona vorbei ist, sollen sich alle wieder da treffen, aber in solchen Menschenmengen würde ich kein Feuerwerk erlauben."
Der Braunschweiger Pyrotechnik-Händler Bastian Lerche wirbt für einen verantwortungsvollen Umgang mit privatem Feuerwerk. Foto: Privat
"Ich finde Verbotszonen gut. Wenn Corona vorbei ist, sollen sich alle wieder da treffen, aber in solchen Menschenmengen würde ich kein Feuerwerk erlauben."
Eine Entlastung für die Einsatzkräfte der Polizei durch ein komplettes Verkaufsverbot sieht Lerche hingegen nicht: "Ich glaube ein generelles Verbot wäre sogar schwieriger durchzusetzen und zu kontrollieren für die Polizei. Die müssten von einer Ecke in die andere flitzen, wenn es irgendwo knallt", meint Lerche und ist sicher: "Man kann aber die üblichen Punkte wie den Nussberg und den Schlossplatz, oder große Mehrfamilienhäuser auf Menschenansammlungen überprüfen. Man kann es wohl nicht ganz verhindern, dass sich nicht doch irgendwo Grüppchen bilden, aber so wäre es immerhin möglich."
Nur wenig Menschen direkt durch Feuerwerk verletzt
Die Argumente für ein generelles Feuerwerksverbot sind vielfältig. Verbrennungen und Hörschäden sind an Silvester für die Rettungskräfte an der Tagesordnung. Jährlich erleiden rund 8.000 Menschen Hörschädigungen durch Knallkörper. Rund ein Drittel davon behält bleibende Schäden, wie das Deutsche Ärzteblatt im Jahr 2018 bekannt gab. Eine Entlastung der Rettungskräfte und der Intensivstationen liegt also auf der Hand. Oder nicht? Die genauen Zahlen zu den Verletzten in Silvesternächten sind uneindeutig. Der Krankenhausbetreiber Vivantes hat hierzu jedoch eine Erhebung durchgeführt und spricht von bis zu 70 Prozent mehr Patienten als an durchschnittlichen Tagen. Verletzungen durch Feuerwerk machen der Erhebung des Gesundheitsversorgers zufolge aber nur 5 Prozent der Patienten aus. Der Rest sei auf die Folgen von Alkohol, Drogen und Schlägereien zurückzuführen. "Von diesem geringen Prozentsatz wird ein Großteil durch illegale Feuerwerke verletzt", kommentiert Lerche diese Zahlen.
Kaum Feuerwerk so sicher wie in Deutschland
Dieses illegale Feuerwerk macht dem Familienvater und Geschäftsmann Bastian Lerche die meisten Sorgen: "Durch ein Verbot würden sich viele wohl über polnische Online-Shops mit der Ware versorgen. Wenn dieses Feuerwerk in die Hände von Leuten gerät, für die das gar nicht geeignet ist, kann das schlimme Folgen haben." Polnisches Feuerwerk zeichne sich durch eine deutlich höhere Sprengkraft aus. "Wenn da 200 Gramm Blitzknallsatz drin sind, reicht es, wenn Sie zwei Meter daneben stehen. Dann zerreißt es einem trotzdem noch irgendwelche Organe. In Polen können die Leute besser damit umgehen, weil die das auch gewohnt sind. Die halten sich an die Sicherheitsabstände und zünden das auch nicht aus der Hand. Das hätte schlimme Folgen in Deutschland."
"Ein Päckchen Böller von vor 30 Jahren darf man heute nicht mehr zünden. Bis vor drei Jahren ging das noch. Mittlerweile werden die wie Handgranaten eingestuft."
In Deutschland hingegen herrschen für Feuerwerk strenge Regeln. "Jeder Hersteller, der aus China importiert, muss ungefähr 28 Muster an das Bundesamt für Materialforschung (BAM) schicken. Die machen dann ausführlich Tests damit", erklärt Lerche und fährt fort: "Was passiert, wenn es Erschütterungen ausgesetzt ist? Dann wird auch geprüft, wie lange es nach dem Anzünden dauert bis die Effekte losgehen." Es gebe außerdem eine Höchstmenge an Effektsätzen, die im Feuerwerk enthalten sein darf und weitere allgemeine Sicherheitsstandards. Kann bei Batterien etwas in die falsche Richtung fliegen? Wie standsicher sind die Produkte? "Das alles wird ausführlich getestet, auch wenn sich viele daran stören. Es gibt eine europäische Norm, aber das BAM ist nochmal ein Stück schärfer. Viele scheitern deswegen an der Zulassung", bemerkt Lerche. Diese Regeln werden auch weiterhin nachgeschärft. "Ein Päckchen Böller von vor 30 Jahren darf man heute nicht mehr zünden. Bis vor drei Jahren ging das noch. Mittlerweile werden die wie Handgranaten eingestuft."
Umweltgefahr durch Feinstaub
Ein großes Argument der Verbotsbefürworter sei auch die Menge an Feinstaub und Müll, die durch das Zünden von Feuerwerk Jahr für Jahr in die Umwelt gerät. Diesbezüglich musste das Umweltbundesamt (UBA) in diesem Jahr aber zurückrudern. Ging man bisher von einer Menge von jährlich rund 4.200 Tonnen Feinstaub (2 Prozent der jährlichen Feinstaubemissionen) durch Feuerwerkskörper aus, spricht eine neue Studie im Auftrag des Verbandes der pyrotechnischen Industrie (VPI) in Kooperation mit dem Umweltbundesamt nur noch von 1.477 Tonnen Feinstaub. (0,7 Prozent der jährlichen Feinstaubemmissionen). "Der Unterschied zu Feinstaub durch Fahrzeuge ist außerdem, dass er weniger umweltrelevant ist", erklärt Lerche dazu und ergänzt: "Das sind Salze, die sich aus der Verbrennung der verschiedenen Effekte ergeben. Das sind Substanzen, die aus der Natur kommen, nicht wie zum Beispiel Feinstaub durch Reifenabrieb. Es ist wirklich nicht so schlimm wie es immer dargestellt wird." Zudem bemühen sich auch die Hersteller um weniger Umwelt-gefährlichen Abfall: "Die Hersteller setzen immer mehr auf Altpapier. Es gibt leider noch ein paar produktionstechnische Bestandteile, bei denen Plastik verwendet werden muss. Feuerwerk besteht aber ungefähr zu 99 Prozent aus recyclebarem Material."
Wie gefährlich darf Spaß sein?
Lerches Fazit: Ein Großteil der Verletzungen stammt von illegalem Feuerwerk, das durch ein Verkaufsverbot in Deutschland Hochkonjunktur feiern könnte. Auch der Vorfall im Affenhaus des Zoos Krefeld, das in der Silvesternacht 2019/2020 vollständig niederbrannte und mehr als 30 Tiere mit in den Tod riss, wurde durch eine in Deutschland illegale, sogenannte "Himmelslaterne" ausgelöst. "Wenn Feuerwerk explodiert, ist es auch Teil der Prüfung durch das BAM, dass es danach sofort wieder ausgeht." Von ordnungsgemäß zugelassenem Feuerwerk geht Lerche zufolge nur eine geringe Brandgefahr aus: "Selbst gegen ein Fachwerkhaus müsste man ein paar tausend Raketen schießen, um es in Brand zu stecken. Es gibt natürlich immer wieder Idioten, die irgendwelche Mülleimer anzünden, oder jemand lässt sein Fenster auf." Lerche schlussfolgert: "Alle reden bei einem zentralen Feuerwerk immer von einer tollen Idee. Dann sag ich immer, 'es gibt auch viele, die gerne Motorrad fahren. Stellt euch mal vor, die dürften nur noch anderen dabei zuschauen'. Viele Dinge sind natürlich umwelttechnisch nicht gut. Kreuzfahrten zum Beispiel. Aber man sollte doch jedem so seins lassen. Mit ein bisschen Rücksichtnahme kann man auch einmal im Jahr Feuerwerk durchgehen lassen!"
Er selbst hoffe nun, seinen Silvesterverkauf in Sickte (Am Bockshorn 10) vor dem Jahreswechsel durchführen zu können. Zwar habe er Corona-Soforthilfen für sein Unternehmen erhalten, doch ein Totalausfall des Silvesterverkaufes würde nicht nur ihn in Schwierigkeiten bringen. Der ganzen Branche droht ein Verlust von deutlich über 100 Millionen Euro, da vieles bereits lange vorbestellt worden sei.
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