Wolfenbüttel. Am Aschermittwoch, an dem ja redensartlich alles vorbei sein soll, legt die SPD erst richtig los – zumindest bei ihrem politischen Aschermittwochstreffen im Dorfgemeinschaftshaus Seinstedt. Über 200 Besucher warten hier auf den Ehrengast des Abends, der mit seiner Rede für Stimmung sorgen soll und für den sie sogar auf das Länderspiel der Fußball-Nationalmannschaft gegen Chile im Fernsehen verzichten. Sie warten auf ihren Landesvater Stephan Weil.
Bevor vom Leder gezogen wurde trug sich der Ministerpräsident ins Goldene Buch der Samtgemeinde ein. Foto:
Wenn zu seinem "Einzug" in das Dorfgemeinschaftshaus von den Oderwaldmusikanten nicht das Niedersachsenlied gespielt worden wäre, man hätte auf die Idee kommen können, man sei beim Aschermittwochstreffen der CSU in Bayern. Weil genießt auf dem Weg zum Podium das Bad in der Menge, schüttelt Hände, lässt sich auf die Schulter klopfen. Lass das mal den Papa machen, der Papa macht das gut…
Bevor "Papa" dann aber ans Mikro darf, gibt sich Unterbezirksvorsitzender Marcus Bosse als "Einheizer". Etwas Balsam für die Seele der Genossen ("Mit rund 1650 Mitgliedern ist unser Unterbezirk spitze."), eine kleine Bilanz der bisherigen Leistung ("Wir Sozialdemokraten haben hier gestaltet.") und etwas Häme für den politischen Gegner ("Was machen die anderen: Die haben eine große Klappe und laufen uns hinterher.") – da kommt schon einmal Stimmung im Saal auf.
Zwischen Länderspiel und Wolters
"Bis zum Länderspiel-Anpfiff bin ich fertig", verspricht Weil dann als erstes nach der Mikrophonübernahme. Als Hannoveraner muss er ja erst einmal seine Liebe zum Braunschweiger Land bekunden. Und da er ja am Sonntag zu Gast beim Schoduvel ("So viele Narren auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen. Dagegen ist die Ansammlung im Landtag ja echt bescheiden."), am Dienstag in Helmstedt und am Aschermittwoch in Wolfenbüttel zu Besuch war, könne er ruhigen Gewissens das Braunschweiger Land als Nabel der Welt bezeichnen. Und als er dann noch einen kräftigen Schluck aus der Wolters-Steini-Flasche nahm, da war das Eis endgültig gebrochen.
Dafür hatte Weil plötzlich ein anderes Problem: "Auf wen kann man in einer Aschermittwochsrede noch schimpfen?", fragte er in den Saal. Die CDU? Naja, mit der sei man ja mittlerweile im Bund in einer Koalition und die Schwarzen seien ja sensible Seelen, besonders die der CSU. Die Grünen, mit denen man im Land ja koaliere? "So lange sie mich nicht zwingen, den Veggi-Day einzuführen, kann ich nicht meckern", erklärte Weil. Die FDP? Auch dies ginge nicht, denn über Tote solle man schließlich nichts Schlechtes reden. Dann die Linke? "Von wem stammt wohl dieses Zitat? ,Die EU ist ein Hebel zur Zerstörung der Demokratie.' Nein, nicht von den Rechten, sondern von Sahra Wagenknecht. Ich hoffe, dass sie bei der Europawahl dafür abgestraft wird, denn wir brauchen keine Linke, die wie Rechte redet."
Über 200 Gäste waren zu Gast im Dorfgemeinschaftshaus. Foto:
Crazy-Horst und die Energiewende
Also müsste er sich in seiner Rede auf Sachthemen beschränken. Ganz oben stehe da die Energiepolitik. Aber: "Ein Hühnerhaufen ist geordneter als der Ablauf der Energiewende", unterstrich der Ministerpräsident. Jüngste Eulenspiegelei: das Thema Stromnetzausbau. Merkel sei für neue Stromleitungen, die Bundesländer seien für neue Stromleitungen nur "Crazy-Horst" aus Bayern sei dagegen und verhalte sich dabei wie ein Geisterfahrer, der sich noch beschwere, dass ihm nicht einer, sonder hunderte Geisterfahrer entgegen kämen. "Die meisten Atommeiler stehen in Süddeutschland und wenn die abgeschaltet, dann muss der Strom aus dem Norden dahin transportiert werden. Und dafür brauchen wir die Leitungen", sagt Weil. Gerhard Schröder habe damals als Kanzler den Ausstieg aus Atomenergie mit den Konzernen beschlossen. "Doch die Energiekonzerne konnten damals vor Kraft nicht laufen und haben darauf gedrängt den selbst geschlossenen Vertrag nach dem Regierungswechsel zu ändern." Der Ausstieg vom Ausstieg war perfekt. Zwei Jahre später dann zwei Purzelbäume vorwärts. Plötzlich sollte der Atomausstieg schneller als geplant kommen. "Ohne jeden Plan wurde richtig Vollgas gegeben. Das war die Energiepolitik von Angela Merkel. Von Energiepolitik haben die Konservativen nicht den Hauch eines Schimmers," lederte der Landesvater los. Aber, nun werde es besser; wenn es darauf ankomme, müsse eben der Bundestags-Abgeordnete auch dem Kreis Wolfenbüttel ran. Weil: "Sigmar ist auf einem guten Weg."
In diesem Zusammenhang betrachtete der Gast aus Hannover auch die Asse. Über Jahrzehnte habe man hier die Gesundheit der Menschen aufs Spiel gesetzt. "Nun gibt es nur eine Lösung: die Fässer müssen so schnell wie möglich raus." Auch sprach sie Weil für einen angemessenen Nachteilsausgleich für die Region aus. Es könne nicht sein, dass für ein rechtmäßiges Lager (Schacht Konrad) 100 Millionen Ausgleich, für ein unrechtmäßig eingerichtetes Lager wie die Asse nur 10 Millionen Euro gezahlt werden sollen.
Des Pudels Kern?
Eine kleine Bilanz seit dem Regierungswechsel durfte nicht fehlen. Nachdem sein Vorgänger nur noch die Hacken zusammengeknallt habe, wenn es neue Weisungen aus Berlin gegeben habe ("Der Ministerpräsident war der Pudel von Angela Merkel") präsentiere sich das Land nun wieder selbstbewusst. Dabei verfahre Weil nach der Devise "erst kommt das Land, dann die Partei oder Koalition". Anders ginge dies auch nicht, stünden in Niedersachsen doch einige Aufräumarbeiten ("Genug für zehn Jahre") an. 20 Milliarden Euro neue Schulden hätte die schwarz-gelbe Koalition Niedersachen hinterlassen. "Von der Schuldenbremse verstehen die genau so wenig, wie Berlusconi vom Zölibat", frotzelte Weil. Die Schuldenuhr hänge daher nicht ohne Grund ab sofort im Fraktionssaal der CDU. "Wir haben jede Menge Arbeit, aber auch viel Freude. Niedersachsen ist ein schönes Land, aus dem kann man viel mehr machen." Niedersachsen sei auf einem guten Weg. Weil bat aber um Unterstützung der Menschen, damit dies so weiterginge. "Wir wollen ein gerechtes Niedersachsen, dafür werden wir weiter hart und gemeinsam rackern." Langer Applaus und stehende Ovationen. Weil hat sein gegebenes Versprechen gehalten. Um 20.06 Uhr "hatte er fertig" – rund 30 Minuten vor dem Anpfiff…
Dem SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzenden Falk Hensel oblag das Schlusswort. Er zog Parallelen aus Weile Rede zur politischen Lage im Landkreis: "Du hast mit Crazy-Horst, wir mit Crazy-Frank zu tun. " Er spielte damit auf die hitzige Diskussion wegen einer von der Landrätin vorgetragenen Stellungnahme zur Regionsdebatte in der jüngsten Kreistagssitzung an (WolfenbüttelHeute.de berichtete). "Wenn die Schwarzen die Spielregeln nicht verstehen, müssen wir halt künftig ohne sie spielen."
Deftig war schließlich auch der Ausklang des Abends. Mettwurst, Brot und Senfgurken gehören beim Aschermittwochstreffen der SPD auch zur Tradition…
Unsere Berichterstattung zur Aschermittwochs-Veranstaltung der CDU finden Sie hier.
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