"Von Göttingen nach Hamburg mit 180" - Autobahnen so leer wie nie

Man sollte sich jedoch nicht zu früh freuen.

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Die Straßen sind so leer wie nie - Was allerdings kein Anlass für touristischen Tatendrang sein sollte. (Symbolbild)
Die Straßen sind so leer wie nie - Was allerdings kein Anlass für touristischen Tatendrang sein sollte. (Symbolbild) | Foto: aktuell24(DC)

Region. Wenn Thomas Seidel, stellvertretender Betriebsleiter der Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen zurzeit auf seine zahlreichen Monitore blickt, sieht er leere Autobahnen: "Der Verkehr hat durch die Corona-Pandemie um rund ein Viertel nachgelassen. Außer beim LKW-Verkehr, aber auch der hat nachgelassen." Für die bevorstehende Osterzeit sei dies jedoch kein Grund für großen Tatendrang - Hotelübernachtungen und Reisen zu touristischen Zwecken sind nach wie vor untersagt.


"Im Moment können Sie von Göttingen nach Hamburg mit 180 fahren", beschreibt Seidel die Situation und erläutert: "Es gibt keinen Wochenendverkehr an die Küste, keinen Urlaubsverkehr, nichts. Staus hatten wir diese Woche auf der Autobahn gar keinen, aktuell haben wir ein staufreies Niedersachsen. Das ist schon das erste Indiz dafür, dass die Verkehrsmenge abnimmt."

"Aktuell haben wir ein staufreies Niedersachsen."

- Thomas Seidel, VMZ Niedersachsen



"Sowas gab es noch nie. Vielleicht in der Ölkrise in den Siebzigern oder an autofreien Sonntagen, aber das waren ja auch nur einzelne Tage", findet auch Alexandra Kruse, Pressesprecherin des ADAC in Niedersachsen. "Auf der A 2 hatten wir im Februar 558 Staus mit einer Gesamtlänge von 1.582 Kilometern, im März waren es dann nur noch 274 Staus mit einer Länge von 646 Kilometern." Ähnliche Verhältnisse herrschten derzeit laut Kruse auf nahezu allen Autobahnen des Landes: "Außer auf der A 7, da ist der Rückgang wegen der Baustellen tatsächlich nicht ganz groß."

Sicherheitsrisiken durch wenig Verkehr?


Seidel gibt zu bedenken, dass die große Freiheit auf den Autobahnen auch ihre Schattenseiten haben kann: "Wenn die Straßen leer sind, wird auch schneller gefahren. Das Risiko eines Unfalls steigt mit der abnehmenden Verkehrsbelastung natürlich." Eine Gefahr die bestehen könnte, sich aber bis dato nach Ansicht von ADAC-Sprecherin Christine Rettig noch nich ausgewirkt habe: "Einen Anstieg bei den Raserunfällen können wir zurzeit nicht bestätigen. Es gibt jedoch häufig Unfälle in Verbindung mit Baustellen, an denen Stauenden übersehen wurden." Ihre Kollegin Kruse ergänzt: "Wo noch Baustellen sind, kann es weiterhin zu Staus kommen Der Güterverkehr läuft schließlich weiter." Besonders anfällig sei dafür in unserer Region speziell das Dreieck Salzgitter, wo die A 39 in die A 7 mündet.

Rettig findet jedoch, dass der Verkehr sich sogar zum Positiven verändert habe: "Auch auf den Bundesstraßen sind die Leute viel gesitteter unterwegs. Der Termindruck ist weg, es gibt kaum noch Pendler. Dadurch dass nicht mehr so gehetzt wird, hat sich die Situation sogar ein bisschen entspannt."

Ausblick auf Ostern


"Der Gründonnerstag war ja sonst immer der schlimmste Tag des Jahres, aber das wird sich in diesem Jahr nur auf wenige Pendler beschränken", weiß Alexandra Kruse und bemerkt: "Es sind ja auch vielfältige Kontrollen angekündigt." Das Land Schleswig-Holstein hat die Einreise zu touristischen Zwecken beispielsweise komplett untersagt. "Reisen aus touristischem Anlass in das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein werden ab morgen untersagt. Das kann kontrolliert und ordnungsrechtlich durchgesetzt werden", sagte der Schleswig-Holsteiner Tourismusminister Bernd Buchholz im März dem NDR. "Es wird sicherlich Maßnahmen geben, um unnötigen Privatverkehr zu unterbinden", glaubt auch Verkehrsexperte Seidel.

Tourismusbrennpunkte ohne Menschen


Die Nordseeinseln sind bereits gesperrt, der Tourismusverband Nordsee ruft mögliche Tagesgäste laut dem NDR auf, zu Hause zu bleiben. In Cuxhaven dürfen derzeit nur Einwohner der Stadt an den Strand. Auch eine Sperrung der Großparkplätze zu Wanderzwecken im Harz sei laut Goslars Oberbürgermeister Oliver Junk schon im Gespräch gewesen, kam aber nicht durch.

Jedoch: Ausflüge sind nur in den niedersächsischen Harz möglich, Sachsen-Anhalt hat seine Grenzen für Tagestouristen gesperrt. Und auch die Parkplätze im Harz blieben nur unter Vorbehalt geöffnet, wie Oliver Junk auf seinem Twitter-Profil durchscheinen lässt: "Wir haben das Übungswochenende vor Ostern ja noch vor uns. Wenn es partnerschaftlich und kooperativ nicht geht..." Viele Optionen bleiben also nicht. "Ostern heißt zu Hause bleiben", wie es Seidel ausdrückt. Urlaub in stetiger Flucht vor den Behörden könnte vielleicht gutes Material für eine neue Komödie sein, scheitert in der Realität jedoch eindeutig am mangelnden Erholungsfaktor.

Rücksicht, Reißverschlussverfahren, Rettungsgasse


Gebaut wird weiterhin auf den Autobahnen – trotz Corona. Und wenn sich in diesen ruhigen Zeiten doch mal ein Stau bildet oder ein Unfall passiert, dann in der Regel vor den Baustellen. "Fällt eine Spur weg oder werden die Fahrbahnen eng, gilt: Beschilderung beachten, Fuß vom Gas und Rücksicht nehmen", so der ADAC in einer Pressemitteilung.

"Wenn jeder an das Reißverschlussverfahren denkt, so weit wie möglich beide Spuren nutzt und andere vor dem Engpass einfädeln lässt beziehungsweise selbst einfädelt, dann kommen alle gut und ohne Stau durch die Baustelle", so der Automobilclub weiter. Bei engen Fahrspuren sei es wichtig, die Breite des eigenen Fahrzeugs zu kennen. Denn zum Teil sind die linken Spuren nur für Autos bis maximal zwei Meter Breite zugelassen. Bereits Fahrzeuge der Kompaktklasse (wie etwa ein VW Golf) dürfen heute die engen Spuren nicht mehr befahren. Und auch, wenn die Fahrstreifen eine tatsächliche Fahrzeugbreite bis 2,1 Meter zulassen, haben Autofahrer nicht viel Platz. Wer seine Nerven schonen will, solle sich deshalb rechts halten. So kommt es nicht zu unnötigen Bremsungen von verunsicherten Fahrern, die wiederum schnell zu Staus führen. "Passiert ein Unfall, unbedingt eine Rettungsgasse bilden, sonst verlieren die Rettungskräfte wertvolle Zeit: Die linke Spur fährt nach links, die anderen nach rechts", rät der ADAC abschließend.

Baustellen auf der A7

• Grunderneuerung Raststätte Allertal – Dreieck Hannover Nord
- 2 Spuren Richtung Hamburg, 3 Spuren Richtung Hannover
• 6-streifiger Ausbau mit Fahrbahnverengung in drei Abschnitten (beide Richtungen):
- Nörten-Hardenberg – Northeim Nord
- Northeim Nord – Echte
- Echte – Seesen Harz
• 6-streifiger Ausbau mit Erneuerung der Brückenbauwerke in beiden Richtungen
- Bockenem – Hildesheim (inkl. Dreieck Salzgitter)
• dadurch auch auf der A39 Westerlinde – Dreieck Salzgitter (Zubringer zur A7)


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