Region. Im September berichteten wir über die Idee der Wolfenbütteler Grünen, die Braunschweiger Straßenbahn zu verlängern, sodass diese in die Lessingstadt führt, wie es einst bis in die 1950er-Jahre der Fall war (regionalHeute.de berichtete). Als Reaktion unserer Leser wurde auf das Projekt der RegioStadtBahn verwiesen, welches nie realisiert wurde. Doch warum und woran ist dieses Projekt gescheitert? regionalHeute.de geht dieser Frage nach.
Nach dem Vorbild anderer Großstädte und Ballungsgebiete sollte die RegioStadtBahn Züge und Straßenbahnen im Braunschweiger Land und darüber hinaus miteinander verbinden. Bereits seit 1998 wurde es vom Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB), dem heutigen Regionalverband Großraum Braunschweig, geplant. Erste Ideen gehen sogar noch etwas weiter zurück, ins Jahr 1996. Nach dem Beschluss des Projektstarts 1998 folgten in den Jahren danach mehrere Machbarkeitsstudien sowie mehrere Stufen der Planung bis 2007. Die Deutsche Bahn, die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) und der ZGB unterzeichneten im September 2008 dann eine Absichtserklärung.
Was war geplant?
Zu Beginn sollte das Projekt von Uelzen, über Braunschweig bis nach Bad Harzburg reichen, womit von Norden nach Süden eine rund 125 Kilometer lange Strecke und im Rahmen dieser ein Dreischienengleis im Braunschweiger Stadtgebiet entstanden wäre. Auf einer um die vier Kilometer langen Durchfahrtsstrecke wäre so eine gemeinsame Nutzung der Trasse durch die RegioStadtBahn und die Braunschweiger Straßenbahn ermöglicht worden. Allerdings hätten aufgrund der breiteren Züge der RegioStadtBahn einige Braunschweiger Straßenbahnhaltestellen angepasst werden müssen. Bereits zwischen 1999 und 2000 am Berliner Platz, an der Mühlenpfordtstraße und 2006 am Bohlweg wurden entsprechend Dreischienengleise eingesetzt. Weitere Abschnitte wurden bis 2009 geplant. Einzig in Braunschweigs Innenstadt und in Salzgitter-Lebenstedt wären neue Gleise vonnöten gewesen. Bereits vorhandene Abschnitte der Deutschen Bahn wären im Zuge des Projektes modernisiert und erweitert worden. Von Westen nach Osten wären zudem Salzgitter-Lebenstedt und Schöppenstedt miteinander verbunden gewesen, wobei auch Wolfsburg zu jener Zeit ebenfalls Interesse bekundete, sich dem Projekt anzuschließen.
Woran ist es gescheitert?
Insgesamt hätte das Projekt, dessen Umsetzung immer wieder verschoben wurde, zunächst 164 Millionen Euro verschlungen. Doch 2007 wurden die Kosten, aufgrund genauerer Planungen, auf 232 Millionen erhöht. Um getroffene Verbindlichkeiten nicht auslaufen zu lassen, hätten erfolgte Planungen und Planfeststellungen bis 2017 umgesetzt werden müssen. Ferner stiegen die Kosten der Fahrzeuge, die wahlweise mit Strom oder Diesel hätten fahren können, von 106 auf 206 Millionen Euro.
Zu teuer, dachte man wohl, denn am 1. Oktober 2010 deklarierte eine Kosten-Nutzen-Analyse das Projekt für nicht rentabel. Dadurch wäre eine Förderung vom Bund nicht mehr möglich gewesen. Die Finanzierung scheiterte dann komplett, als auch das Land Niedersachsen sich aus der Affäre zog. Danach sollte nach günstigeren Alternativen gesucht werden, wobei keine Strecke mehr durch die Innenstädte Braunschweigs und Salzgitter-Lebenstedts führen sollte.
Was passierte danach? Was wurde realisiert?
Im Nachhinein konzentrierte sich der Verband auf Verbesserungen des bestehenden Eisenbahnnetzes sowie des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Dafür sollten neue Fahrzeuge beschaffen und Bahnstationen modernisiert werden. Aus der Asche der RegionStadtBahn entstand so das "Regionalbahnkonzept 2014+“. Damit verbunden war das Ziel, ein ausgewogenes sowie verbessertes SPNV-Angebot, auch über die Grenzen des Verbandsgebiets hinaus, und eine sinnvolle Verknüpfung mit dem ÖPNV zu realisieren.
Das Konzept wurde Stück für Stück erfolgreich umgesetzt, wie der Regionalverband auf Nachfrage von regionalHeute.de mitteilt. Die einzelnen Netze wurden neu ausgeschrieben und erstmals bekamen in der Region auch privatwirtschaftliche Eisenbahnunternehmen den Zuschlag. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014 standen die ersten Betriebsaufnahmen an. Seit 2018 bedienen sechs verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen die Bahnstrecken im Verbandsgebiet. Ferner wurde die Fahrzeugausstattung, mit einem Hauptaugenmerk auf Komfort, modernisiert, sodass beispielsweise in fast allen Zügen ein Fahrgast-WLAN angeboten werde.
Im Regionalbahnkonzept 2014+ war ein Stundentakt auf allen Strecken vorgesehen, was im Dezember 2020 durch den Start des Stundentaktes auf der RB47 zwischen Braunschweig – Gifhorn und Uelzen abgeschlossen wurde. Auf besonders stark nachgefragten Strecken sollten die Züge zudem im Halbstundentakt fahren, was auf den Strecken Braunschweig – Hannover, Braunschweig – Wolfenbüttel, Braunschweig – Salzgitter-Lebenstedt realisiert wurde. Ab 2023 soll der enno zwischen Braunschweig und Wolfsburg im Halbstundentakt fahren, wozu die Weddeler Schleife derzeit zweigleisig ausgebaut wird. In Zukunft sollen auf allen Hauptstrecken ein Halbstundentakt umgesetzt werden.
Wie sieht die Zukunft aus?
Von insgesamt 46 Bahnstation seien nur vier nicht modernisiert und barrierefrei ausgebaut worden. Diese Umbauarbeiten seien in Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Land und der LNVG durch die Deutschen Bahn geleistet worden. Dazu seien Fördergelder aus verschiedenen Förderprogrammen des Landes und des Bundes hinzugekommen, aber auch der Regionalverband selbst habe sich an allen Maßnahmen finanziell beteiligt. Ferner bekomme der Regionalverband seit 2016 für Aus- und Umbau sowie für die Erweiterung des Angebots deutlich mehr Geld aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes. Darüber hinaus sei der Verband jetzt in der Lage, die Kommunen innerhalb des Verbandsgebietes bei Infrastrukturmaßnahmen finanziell zu unterstützen.
Ein Beispiel sei hierfür der Ausbau des Bahnhofes in Braunschweig-Gliesmarode, der bis Mitte dieses Jahres zu einem modernen Umsteigebahnhof weiter entwickelt werden solle. Hier sollen sämtliche ÖPNV-Arten und der Radverkehr miteinander verbunden, sodass hier in den nächsten Jahren höhere Fahrgastzahlen erwartet werden. Darüber hinaus betreibe man eine sogenannte "Stationsoffensive", mit der Neubauten und Reaktivierungen bestehender Haltestellen in der Region verwirklicht werden sollen.
Auch in Sachen Digitalisierung sind Projekte im Gange. So etwa das "Echtzeit-Projekt“. Dabei werden zunächst bis Ende dieses Jahres mehr als 400 dynamische Fahrgastinformationsanzeiger an stark frequentierten Haltestellen installiert und alle Busse mit entsprechenden Monitoren ausgestattet, um auch hier den Fahrgästen in Echtzeit anzeigen zu können, wann der nächste Bus oder die nächste Tram kommt, so eine Pressesprecherin des Regionalverbands gegenüber regionalHeute.de. Aktuell erarbeite der Regionalverband das "SPNV-Konzept 2030+", welches eine weitere Ausweitung des Angebots und eine Verbesserung der Streckeninfrastruktur vorsieht. Themen wie Wasserstoffantrieb oder batteriebetriebene Züge stehen für die Zukunft des ÖPNV auch auf der Agenda. Zudem laufen die aktuellen Verträge zwischen dem Regionalverband und den Verkehrsunternehmen im SPNV bis 2030 aus, wodurch es aufgrund einer Neuvergabe zu weiteren Veränderungen im ÖPNV kommen könnte.
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