Wehrhafter Rechtsstaat: Länder wollen das Grundgesetz ändern

Das Bundesverfassungsgericht soll dadurch besser vor Verfassungsfeinden geschützt werden.

Bundesverfassungsgericht (Archiv)
Bundesverfassungsgericht (Archiv) | Foto: Über dts Nachrichtenagentur

Hannover. Die Vorsitzenden der Justizministerkonferenz Ministerin Dr. Kathrin Wahlmann, A-Koordinatorin Senatorin Anna Gallina und B-Koordinator Staatsminister Georg Eisenreich gaben eine gemeinsame Erklärung zur institutionellen Stärkung des Bundesverfassungsgerichts ab. Eine Änderung des Grundgesetzes soll den Rechtsstaat besser vor Verfassungsfeinden schützen. So geht aus einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Justizministeriums hervor.



Die unabhängige Stellung des Bundesverfassungsgerichts soll mit einer Grundgesetzänderung besser geschützt werden. Im Bund wird über entsprechende Maßnahmen diskutiert. Auf Länderebene wird bereits an einem konkreten Gesetzentwurf gearbeitet. Die Justizministerkonferenz hatte hierzu bereits Ende vergangenen Jahres eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum wehrhaften Rechtsstaat unter Federführung Hamburgs eingesetzt. Der Gesetzentwurf wird erarbeitet auf Grundlage von Vorarbeiten Nordrhein-Westfalens und im Austausch mit einer ehemaligen Richterin und einem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht.

Gegenstand der Beratungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sind unter anderem:
- die Verankerung der doppeltqualifizierten Mehrheit zur Wahl der Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht in der Verfassung
- die Festlegung der zwölfjährigen Amtszeit und das Verbot der Wiederwahl der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz
- eine verfassungsrechtliche Regelung zur Fortführung der Amtsgeschäfte bis zur Ernennung des nachfolgenden Mitglieds
- eine verfassungsrechtliche Regelung zur Ersatzbestimmung von Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts im Falle von Wahlblockaden
- die Aufnahme einer Regelung ins Grundgesetz, dass Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes der Zustimmung des Bundesrates bedürfen
- die Verankerung der Bindungswirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz

Das sagen die Vorsitzenden der Justizministerkonferenz


Niedersachsens Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann (SPD), Vorsitzende der Justizministerkonferenz 2024:
"Ich bin nicht nur als Vorsitzende der Justizministerkonferenz, sondern auch als Staatsbürgerin und Demokratin froh über den breiten Konsens in Bund und Ländern, die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärker zu schützen und es immuner gegen Angriffe zu machen. Wie nötig das ist, zeigen die Erfahrungen in anderen Ländern. Wenn Antidemokraten an die Macht kommen, ist die unabhängige Justiz oft ihr erstes Angriffsziel. Das Bundesverfassungsgericht als höchstes deutsches Gericht und Hüter des Grundgesetzes repräsentiert den Rechtsstaat in herausgehobener Weise. Deshalb haben wir als Justizministerkonferenz bereits im letzten Jahr begonnen, konkrete Vorschläge zu seinem Schutz zu erarbeiten. Ich hoffe, dass wir in den kommenden Monaten konkrete Ergebnisse dieses Prozesses sehen und diese dann auch auf Bundesebene umgesetzt werden. Wir sind davon unabhängig auch gut beraten, die Justiz insgesamt immuner gegen illegitime Eingriffe zu machen und verfassungsfeindlichen Bestrebungen konsequent entgegenzutreten. Ohne eine unabhängige Justiz als Garantin des Rechtsstaats ist die Demokratie in akuter Gefahr, einen schnellen Tod zu sterben. Das dürfen wir nicht zulassen."


Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), Koordinatorin der von Grünen, SPD, Linken und FDP geführten Justizressorts:
"Es ist an der Zeit, dass wir über Parteigrenzen hinweg in Bund und Ländern gemeinsam für einen wehrhaften Rechtsstaat eintreten. Die Justizministerkonferenz hatte dafür Ende vergangenen Jahres mit einer Arbeitsgruppe unter Federführung Hamburgs und Beteiligung des Bundesjustizministeriums den Weg bereitet. Ich freue mich, dass es nun auch auf Bundesebene Bewegung bei diesem Thema gibt. Unser Gesetzentwurf entsteht auf Grundlage von Vorarbeiten Nordrhein-Westfalens und im Austausch mit einer ehemaligen Richterin und einem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht. Wir müssen neben der verfassungsrechtlichen Absicherung von Wahl, Stellung und Verfahren auch Vorkehrungen gegen Blockaden bedenken. Wir werden auf Grundlage unseres intensiven fachlichen Austauschs Vorschläge in den gemeinsamen Prozess einbringen. In Zeiten der Polarisierung ist ein breiter politischer Konsens notwendig. Wir müssen zügig, aber abgewogen handeln. Die Länder sind bereit, mit einem konkreten Gesetzentwurf ihren Beitrag zu einer fundierten Debatte zu leisten."



Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU), Koordinator der von CDU und CSU geführten Justizressorts:
"Fast 75 Jahre nach der Verkündung des Grundgesetzes erleben wir derzeit Entwicklungen, die eine Gefahr für unsere Demokratie darstellen. Feinde des Rechtsstaats und der Demokratie bedrohen unsere freiheitliche Gesellschaft auch von innen. Der Rechtsstaat muss wehrhaft sein und insbesondere die Hüter unserer Verfassung entschlossen und konsequent schützen. In vielen Demokratien, in denen autoritäre und extreme Parteien Einfluss gewinnen, sind die Verfassungsgerichte und die gesamte Justiz eines der ersten Ziele. Deshalb müssen wir jedem Vorstoß, die Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen und die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken, entschieden entgegentreten. Die Länder arbeiten derzeit parteiübergreifend in einer von der Justizministerkonferenz eingesetzten Arbeitsgruppe an einem Maßnahmenbündel unter anderem zur Stärkung des Verfassungsgerichts. Es ist an der Zeit, effektive Schutzmechanismen zur Sicherung der Unabhängigkeit unseres Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern."


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