Weniger Arbeiten für die Konjunktur - Ist die Vier-Tage-Woche das Modell der Zukunft?

Weniger Arbeiten, um Jobs zu erhalten und die Wirtschaft anzukurbeln? Die Gewerkschaft IG-Metall und die Linksfraktion im Bundestag halten das für den richtigen Weg. Doch die Sache hat einen Haken.

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(Symbolbild) | Foto: pixabay

Region. Katja Kipping (Die Linke) sorgte Ende Juli mit ihrer Forderung nach einer Vier-Tage-Woche für Diskussionen. Doch auch die IG-Metall hält die Einführung einer Vier-Tage-Woche für die Sicherung von Jobs in der Metall- und Elektroindustrie, die aufgrund der Corona-Pandemie auf der Kippe stehen für denkbar. Doch ergibt die 30 Stunden Woche außerhalb der Fertigungsindustrie überhaupt einen Sinn? Und wo ist der Haken an der Sache? regionalHeute.de hat sich in den Gewerkschaften und in der Politik umgehört.


"Damit lassen sich Industriejobs halten, statt sie abzuschreiben", sagte IG-Metall Vorsitzender Jörg Hoffmann der Süddeutschen Zeitung. Das Modell ist nicht unbedingt neu - Während der Hochzeit der Pandemie hat Volkswagen die Arbeitszeiten reduziert. Und nicht das erste Mal. Im Jahr 1993 gelang es Volkswagen durch Reduzierung der Arbeitszeiten, 30.000 Jobs zu sichern. Linken-Chefin Kipping bringt in einem Gespräch mit der "Rheinischen Post" auch eine psychologische Komponente ins Spiel: "Die Vier-Tage-Woche macht Beschäftigte glücklicher, gesünder und Produktiver. Gerade jetzt in der Corona-Krise wäre ein guter Zeitpunkt, damit anzufangen."

"Eigentlich geht die vier-Tage-Woche überall", meint Eva Stassek, Pressesprecherin der IG-Metall in Braunschweig im Gespräch mit regionalHeute.de. Letzten Endes sei sie ein "Rechenmodell." Es gehe um eine intelligente Gestaltung der Präsenz bzw. notwendigen Arbeitszeiten. "Da gibt es verschiedene Möglichkeiten", sagt Stassek und erklärt: "Zum Beispiel kann ein Teil der Beschäftigten Montag bis Donnerstag arbeiten, ein anderer Teil dienstags bis freitags. Oder man arbeitet vier Wochen wie bisher von Montag bis Freitag und hat die fünfte Woche komplett frei." Letztlich müsse man auch im Zuge der Digitalisierung über solche Schritte nachdenken. Der Qualifikationsbedarf steige, der Personalbedarf sinke. "Es ist allemal besser als Arbeitslosigkeit für die Beschäftigten und volkswirtschaftlich gesehen Vermeidung von Massenarbeitslosigkeit."

Teilzeit statt Entlassung lautet für Stassek hier das Stichwort. Dies könne zum Beispiel auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im sozialen Bereich helfen, wo wenig Personal immer mehr Aufgaben erledigen muss: "Mehr Output in der gleichen Zeit – und schon sind einige Beschäftigte überflüssig. Die verbleibenden Mitarbeiter arbeiten sich einen Wolf!"

Die Sache hat einen Haken


Der Haken an der Vier-Tage-Woche ist offensichtlich, wie Alexander Wertmüller von der Gewerkschaft ver.di schildert: "Das größte Problem ist die Frage inwieweit eine Arbeitszeitverkürzung mit Abzügen beim Lohn und Gehalt einhergeht. Bei vielen Dienstleistungsberufen könnten sich die Beschäftigten Abzüge überhaupt nicht leisten, weil die Löhne eh schon relativ niedrig sind." Auch Stassek sieht dieses Problem: "Die Arbeitgeber wollen ja in der Regel Leute entlassenen, um die Personalkosten zu sparen. Ein Tag weniger die Woche sind 20 Prozent Arbeitszeit weniger, also auch 20 Prozent weniger Geld", erklärt die Gewerkschafterin. Doch die IG-Metall halte die Idee dennoch für durchführbar: "Wir wollen deshalb mindestens einen Teillohnausgleich erreichen. Denn der Arbeitgeber spart dadurch auch die 'Entlassungskosten' für Sozialpläne und Kündigungsschutzklagen. Dieses Geld ist viel besser investiert in Weiterbeschäftigungszusagen mit Lohnausgleich." Stassek schlussfolgert: "Das könnte eine „Win-Win“ Situation werden!"

Meinungen in der Politik sind gespalten


"Wir haben mit der Kurzarbeit Millionen Arbeitsplätze gerettet. Gute und pragmatische Ideen sind gefragt, um gemeinsam durch die Krise zu kommen. Reduzierte Arbeitszeit bei teilweisem Lohnausgleich kann eine geeignete Maßnahme sein, wenn sich die Sozialpartner darauf verständigen", meint der Bundesarbeitsminister und Peiner Abgeordnete Hubertus Heil (SPD) auf die Anfrage unserer Online-Zeitung, was er von der Vier-Tage-Woche halte.

Der Wolfsburger SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs.
Der Wolfsburger SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs. Foto: SPD Wolfsburg



Auch der Wolfsburger Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs (SPD) steht der Idee positiv gegenüber: "Ich begrüße den Vorstoß der IG-Metall. Mir ist wichtig zu betonen, dass es kürzere Arbeitszeiten verbunden mit einem Lohnausgleich geben soll." Grundsätzlich seien kürzere Arbeitszeiten für Mohrs in allen Branchen denkbar, solange sie nicht zulasten der Beschäftigten gehen, sondern in guten Tarifverträgen und Tarifvereinbarungen fair vereinbart werden. "Welche Branchen das sind und wie einzelne Modelle aussehen könnten, sollten die Tarifpartner bestimmen", so Mohrs abschließend.

"Eine Vier-Tage-Woche sehe ich nicht"



Der Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller.
Der Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller. Foto: CDU



Der Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller steht der Vier-Tage-Woche hingegen mit Skepsis gegenüber: "Eine allgemeingültige, gesetzlich vorgeschriebene Vier-Arbeitstage-Woche sehe ich nicht. In der Bundesrepublik folgen wir seit 1949 den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet auch, dass bei uns Tarifautonomie herrscht und die verantwortlichen Gewerkschaften gemeinsam mit den verantwortlichen Arbeitgebern die relevanten Punkte als gleichberechtigte Tarifpartner autonom klären. Wenn die IG Metall eine Vier-Tage-Arbeitswoche mit Lohnausgleich vorschlägt, muss sie das in den Tarifgesprächen durchsetzen."

Müller weist auch auf die Bedürfnisse der Beschäftigten hin: "In diesem Kontext müssten allerdings auch die Fragen geklärt werden, zu welchen Einkommensverlusten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereit sind, wie der vorgeschlagene Lohnausgleich gegenfinanziert wird, ohne Wohlstand und soziale Sicherheit in der Gegenwart und vor allem im Alter zu gefährden, wie die Folgen steigender Lohn- und Arbeitskosten gedämpft werden. Zu klären wäre auch die Frage, wie in Zeiten eines bereits weitreichenden Fachkräftemangels die anfallenden Arbeitsleistungen erbracht werden können. Selbst mit den digitalen und innovativen Fortschritten in der Zukunft wird nach einschlägiger Expertenmeinung die Menge der anfallenden Arbeit auch zukünftig nicht weniger, sondern höchstens in andere Bereiche verlagert."

"Früher galt für Arbeiter noch der 12-Stunden-Tag"



Der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli.
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli. Foto: Victor Perli MdB



Der Wolfenbütteler Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli weist auf den historischen Trend hin, dass sich die Arbeitszeit tendenziell verkürze: "Vor über hundert Jahren galt für Arbeiter noch der 12-Stunden-Tag bis eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich politisch und gewerkschaftlich erkämpft worden. Es ist gut und richtig, dass die Arbeitszeitverkürzung bei Vollzeitstellen jetzt wieder zu einer zentralen politischen Auseinandersetzungen wird. Ohne eine Verkürzung drohen jetzt in der Wirtschaftskrise und in den kommenden Jahren Massenentlassungen."

"Arbeitszeitverkürzung nur mit Lohnausgleich"


Laut Perli sei es besser für alle, die vorhandene Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen: "Die Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen fordern zum Beispiel 'Mehr von uns ist besser für alle'. Der Ökonom Heinz-Josef Bontrup hat erst kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau darauf hingewiesen, dass es ausreichend Studien gibt, die belegen, dass, wer kürzer arbeitet oft sogar produktiver wird. Ich denke daher, dass in allen Branchen eine Verkürzung der maximalen Arbeitszeit Sinn machen würde, sowohl in der Industrie als auch dem Dienstleistungssektor."

Abschließend mahnt der Linken-Politiker: "Die Kosten der Krise dürfen aber nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Daher darf es Arbeitszeitverkürzung bei Vollzeitstellen natürlich nur mit Lohnausgleich geben. Das würde einer nachträglichen Lohnerhöhung gleichkommen, wäre gerechtfertigt und bezahlbar. Im EU-Vergleich haben sich die Löhne in Deutschland in den letzten 20 Jahren unterdurchschnittlich entwickelt. Viele Beschäftigte mit geringen und durchschnittlichen Einkommen hatten inflationsbereinigt lange Zeit kaum Reallohnsteigerungen. Wenn ihre Löhne steigen, kurbeln sie auch die Binnenkonjunktur an."

Der Goslarer AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Kestner äußerte sich auf Anfrage von regionalHeute.de nicht zum Thema.


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