[image=5e1764d7785549ede64cd1f3]„Die Härtefallkommission hat im Jahr 2011 in 51 Fällen das Innenministerium ersucht, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen“, berichtete die Vorsitzende Martina Schaffer, die gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Hubertus Lueder den Tätigkeitsbericht 2011 der niedersächsischen Härtefallkommission vorstellte.
Die von den Eingaben betroffenen Personen waren nach den geltenden Bestimmungen des Ausländerrechts ausreisepflichtig. Wegen des Vorliegens von dringenden humanitären oder persönlichen Gründen hat sich die Kommission für einen Verbleib in Deutschland ausgesprochen. Das Innenministerium hat diesen Ersuchen in 49 Fällen stattgegeben. 22 Familien und 27 Einzelpersonen, insgesamt 103 Personen, wurde dadurch der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht. Ein Ersuchen hatte der Innenminister abgelehnt, da die Möglichkeit des Erwerbs eines Aufenthaltstitels nach § 25a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden) bestand. Ein Fall ist noch offen.
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Anzahl der Härtefalleingaben stark verringert. Gingen 2010 noch 264 Eingaben ein, so waren es im Jahr 2011 nur noch 116 Eingaben. „Ursächlich für diesen Rückgang waren im Wesentlichen 75 % geringere Eingänge aus dem Kosovo und Syrien“, sagte Schaffer. In den Jahren 2009 und 2010 waren die Eingaben von Menschen aus dem Kosovo erheblich angestiegen, weil die Ausländerbehörden aufgrund eines Rückübernahmeabkommens verstärkt damit begonnen hatten, aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten. Diese Entwicklung ist erkennbar abgeebbt. Der Rückgang von Eingaben aus Syrien ist sicherlich auf die Entscheidung des Niedersächsischen Innenministeriums vom 02.05.2011 zurückzuführen, wonach angesichts der Konfliktsituation in Syrien Abschiebungen vorübergehend auszusetzen waren. Auch das aufgrund einer Bundesratsinitiative Niedersachsens seit Juli 2011 gewährte eigenständige Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende nach § 25a Aufenthaltsgesetz hat zum Rückgang beigetragen. Die im Jahr 2011 eingegangenen 116 Eingaben sind zu einem Teil nicht zur Beratung angenommen worden, zum Teil wurden sie beraten und zum Teil steht die Beratung in der Kommission noch aus.
Lueder, der seit Einrichtung der Kommission deren Mitglied ist, und im April 2012 den stellvertretenden Vorsitz übernommen hat, berichtete von den Anstrengungen der Kommission bei der Entscheidungsfindung. „Die Bewertung, ob dringende persönliche oder humanitäre Gründe für einen weiteren Aufenthalt vorliegen, beinhaltet häufig einen komplexen Abwägungsprozess zwischen positiven und negativen Aspekten, der die Entscheidung für die einzelnen ehrenamtlich tätigen Kommissionsmitglieder schwer macht. Die Entscheidungsfindung führt auch zu persönlichen Belastungen bei den Mitgliedern“, so Hubertus Lueder. In 18 Sitzungen wurden 103 Eingaben intensiv behandelt. Die im Bericht dargestellten Vergleichsfälle verdeutlichen, wie nah positive und negative Entscheidungen beieinander liegen können.
Evaluierung
Die Geschäftsstelle hat die Entscheidungen der Kommission und des Ministers erstmals einer Evaluierung unterzogen, um festzustellen, ob sich die mit der positiven Entscheidung verbundenen Erwartungen an die betroffenen Ausländerinnen und Ausländer im weiteren Werdegang erfüllt haben. Seit Einrichtung der Härtefallkommission im September 2006 bis zum 31.12.2010 hat der Minister aufgrund entsprechender Ersuchen der Härtefallkommission 61 Anordnungen getroffen. Teilweise waren die Anordnungen mit Maßgaben (Erfüllung Passpflicht, Sicherung Lebensunterhalt, Abschluss der Schule oder einer Berufsausbildung) verbunden. In 49 Fällen wurde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, in 10 Fällen läuft noch der Zeitraum für die Erfüllung der Auflagen.
Nur in einem Fall wurden die Maßgaben nicht erfüllt und das Verfahren damit negativ abgeschlossen. Ein Fall erledigte sich durch unbekannten Fortzug. „Dieses Ergebnis ist sehr positiv, da die zunehmende Praxis der Kommission, Härtefallersuchen mit Maßgaben zu verbinden, die zur weiteren wirtschaftlichen und sozialen Integration beitragen, zeigt, dass die Kommission mit dem Ansatz „fördern und fordern“ auf dem richtigen Weg ist“, sagte Lueder.
Ausblick
„Im Jahr 2012 ist mit einem erheblichen Anstieg der Eingaben zu rechnen“, erklärte Schaffer. Seit dem 30.11.2011 werden Personen, die eine Duldung haben, von den Ausländerbehörden darüber informiert, dass sie die Härtefallkommission anrufen können. Damit soll verhindert werden, dass Betroffene von der Festsetzung eines Abschiebungstermins überrascht werden und dann keine Möglichkeit mehr haben, sich an die Härtefallkommission zu wenden. In Niedersachsen kann sich grundsätzlich jede Person an die Härtefallkommission wenden, ganz im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die zum Teil einen Landtagsausschuss vorgeschaltet haben oder aber den Zugang nur über Eingaben von Kommissionsmitgliedern ermöglichen.
Zur Information der Betroffenen hat die Geschäftsstelle der Härtefallkommission ein Faltblatt mit Hinweisen zu Härtefalleingaben herausgegeben, das über das Verfahren und die möglichen Erfolgsaussichten einer Eingabe informiert.
Kritik der SPD
[image=5e1764ca785549ede64ccf67]Die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Silke Lesemann, fordert eine stärkere Orientierung „an humanitären Aspekten“:
„Gemessen an den Problemen in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik stellt die Arbeit der Härtefallkommission (HFK) einen Tropfen auf den heißen Stein dar. Sie kann nur in vergleichsweise wenigen Fällen helfen. In den vergangenen Jahren war die beim Innenminister ansässige HFK immer wieder in die öffentliche Kritik geraten. Kirchen und Wohlfahrtsverbände hatten regelmäßig gegen harte und ablehnende Entscheidungen des Innenministers und fehlende Möglichkeiten der HFK protestiert. Einige Kommissionsmitglieder drohten sogar damit, ihre Arbeit niederzulegen, sollte es nicht zu Veränderungen bei den rechtlichen Grundlagen kommen.
Die jüngst vom Innenminister angekündigten Änderungen sind unserer Beobachtung nach nur auf den massiven Protest von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden zurückzuführen. Die Arbeit der Härtefallkommission muss sich unserer Ansicht nach zukünftig stärker an humanitären Aspekten orientieren, damit diejenigen, die eine Abschiebung besonders hart treffen würde, auch als Härtefälle anerkannt werden können.
Wir fordern weiterhin, dass die Kommission um ein in der Flüchtlingssozial- arbeit erfahrenes Mitglied ergänzt wird.“
Kritik der LINKE:
DIE LINKE im Landtag sieht sich nach dem heute vorgestellten Tätigkeitsbericht der Härtefallkommission in ihrer Kritik an der Flüchtlingspolitik der Landesregierung bestätigt.
Mehr als die Hälfte der Anträge sei abgelehnt worden; hinzu kämen die Anträge, die nicht zugelassen oder gar nicht erst gestellt wurden, weil die Betroffenen angesichts der Praxis in Niedersachsen resigniert hätten. „Es ist zwar zu begrüßen, dass ein Fall künftig wie in anderen Bundesländern mit einfacher Mehrheit positiv beschieden werden kann, dennoch geht das nicht weit genug“, sagte Henning Adler, der Vorsitzende und rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion. Er forderte eine dringende Überarbeitung der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung.
„Im Sinne einer humanen Flüchtlingspolitik muss sie dringend überarbeitet und von den zahlreichen, nicht nachvollziehbaren Ausschlusstatbeständen befreit werden“, so Adler. Die Kommission müsse dann jeden Einzelfall ohne die zahlreichen Ausschlusskriterien prüfen dürfen. Ein großes Problem sei bisher, dass ein Antrag nach der Kommissionsverordnung ausgeschlossen werden kann, wenn die Betroffenen Sozialleistungen in Anspruch nähmen. „In vielen Fällen sind die Flüchtlinge jedoch auf Sozialhilfe angewiesen, weil ihnen keine Arbeitsgenehmigungen erteilt wurden“, betonte Adler.
Lob der FDP:
[image=5e1764c2785549ede64ccdbe]Die geplanten Änderungen bei der Härtefallkommission werden laut FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen zu liberaleren Regelungen in Niedersachsen führen.
„Ich verspreche mir mehr Spielraum für die Kommission, zum Beispiel durch den geplanten Vorprüfungsgremium“, sagt Oetjen, „damit wird die Härtefallkommission schon bei der Vorauswahl beteiligt. Das wird hoffentlich zu weniger strittigen Fällen führen, die sich im Nachhinein doch noch als beratungswürdig herausstellen.“ Bisher hatte allein die Vorsitzende der Härtefallkommission darüber entschieden, welche Fälle angenommen werden.
Diskussionsbedarf sieht der FDP-Innenexperte noch bei der geplanten Regelung, dass Härtefälle nach drei beziehungsweise spätestens sechs Monaten abgearbeitet sein müssen. Wenn das nicht geschieht, gilt der Fall als negativ beschieden. „Damit tut man den Mitgliedern der Kommission voraussichtlich keinen Gefallen. Wenn die Zahl der Fälle zunimmt, wird dadurch auch der Zeitdruck größer. Hier könnte ich mir eine bessere Lösung für die Kommission vorstellen.“
Oetjen dankte den Mitgliedern der Kommission für ihre Arbeit. „Sie ist nicht leicht. Es geht immer wieder um schwierige Einzelschicksale, bei den eine Abwägung nur schwer zu treffen ist“, so der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion. Es sei positiv, wenn die Kommission in diesem Jahr mehr Spielraum bekomme. Letztendlich müsse es aber darum gehen, das Bleiberecht insgesamt liberaler zu gestalten.
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