Ärger um Asse II: Alternativenprüfung unzureichend

In Wolfenbüttel ärgert man sich über das Vorgehen des Landes: "Das Gebaren der Oberen, so nenne ich sie mal, ist ein dicker Hund (...) Die Art und Weise des Umgangs mit uns ist borniert und arrogant."

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Archivbild. | Foto: Alexander Panknin

Wolfenbüttel. Am 10. Juni 2024 forderte der Kreistag in Wolfenbüttel das Land auf, im Rahmen des anstehenden Raumordnungsverfahrens alternative Asse-ferne Standorte für die Zwischenlagerung des radioaktiven Mülls aus der Schachtanlage Asse II (bei Remlingen, Samtgemeinde Elm-Asse im Landkreis Wolfenbüttel) zu berücksichtigen. Dazu machte der Landkreis Wolfenbüttel eigene beispielhafte Vorschläge für mögliche Zwischenlager an das durch das Land Niedersachsen beauftragte Amt für regionale Landesentwicklung Braunschweig (ArL Braunschweig). Die Antwort aus dem ArL Braunschweig vom 9. September 2024 sei wenig erbaulich – aus Braunschweig heißt es, die Vorschläge seien nicht prüffähig. So geht aus einer Pressemitteilung des Landkreises Wolfenbüttel hervor.



Nun hat sich der Kreistag während seiner Sitzung am 30. September 2024 aufgrund einer Anfrage eines Abgeordneten erneut mit dem Raumordnungsverfahren beschäftigt. Der Bericht der Verwaltung sorgte für Befremden unter den Kreistagsabgeordneten. „In 72 Wochen wurde durch BGE und ArL das Raumordnungsverfahren vorbereitet und in nur vier Wochen sollen wir das prüfen – das ist absurd“, so Björn Försterling (FDP). „Hier hätten Planungszwischenschritte sowie ein Dialog stattfinden sollen. Wir müssen deutlich machen, dass hier über die Köpfe der Menschen im Landkreis hinwegentschieden wird. Die BGE will ein Zwischenlager am Standort Asse, die ArL hat jetzt den schwarzen Peter“, so Försterling.

„Das Gebaren der Oberen, so nenne ich sie mal, ist ein dicker Hund“, sagte Bertolt Brücher (Grüne). „Den Anregungen des Kreistages wurde keinerlei Rechnung getragen. Die Art und Weise des Umgangs mit uns ist borniert und arrogant.“

„In diesem Verfahren wird nicht so gearbeitet, wie es demokratisch zu wünschen wäre. Das trägt nicht zum Vertrauen in demokratische Verfahren bei“, äußerte sich Michael Wolff (CDU).

Prüfung ist Aufgabe des BGE


Die Vorlage entsprechender prüffähiger Unterlagen sei jedoch nicht Aufgabe der Öffentlichkeit oder der sogenannten Träger öffentlicher Belange, so der Landkreis. Dies sei vielmehr Aufgabe der Vorhabenträgerin, hier der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Aber auch die zuständige Behörde könne eigenständig eine Alternativenprüfung vornehmen.

Zudem habe das ArL Braunschweig die Öffentlichkeitsbeteiligung für die Raumverträglichkeitsprüfung am 19. September 2024 eingeleitet, da es der Meinung gewesen sei, dass die dafür erforderlichen Unterlagen von der BGE nunmehr vollständig und prüffähig vorgelegt wurden. In der Folge ergibt sich daraus, dass die Hälfte der Auslegungszeit in den Herbstferien liegt, kritisiert der Landkreis. Nicht erklärlich sei zudem, warum das ArL Braunschweig bei einem Vorhaben der vorliegenden Bedeutung und Komplexität sowie des Umfangs der Unterlagen die gesetzlich mögliche Stellungnahmefrist, die bis zu einer Woche nach dem Ende der Veröffentlichung der Verfahrensunterlagen andauern kann, nicht ausgeschöpft hat.

„Das Verhalten des ArL Braunschweig ist für uns absolut befremdlich“, sagte der für das Thema zuständige Umweltdezernent Sven Volkers. „Eine Auseinandersetzung durch das ArL Braunschweig mit der sehr differenziert dargelegten Rechtsauffassung des Landkreises ist nicht ersichtlich. Seit über zwei Jahren schweigt sich das Land Niedersachsen hierzu aus – sowohl das verantwortliche Ministerium als auch das ArL Braunschweig als verfahrensführende Behörde. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass vom Land Niedersachsen hier ein Schmalspurverfahren beabsichtigt ist, in dem der Öffentlichkeit eine echte Möglichkeit der Beteiligung erheblich erschwert wird“, so Volkers weiter.

Öffentlichkeitsbeteiligung als „Schmalspurverfahren“


In einem Schreiben des ArL Braunschweig vom 9. September 2024 wurde der Landkreis Wolfenbüttel darauf hingewiesen, dass das durchgeführte Verfahren im September in seine finale Phase eintreten und das Beteiligungsverfahren gestartet wird, sofern dann die vollständigen Unterlagen vorliegen. Für Überraschung habe dann zwei Tage später die Veröffentlichung im Niedersächsischen Ministerialblatt gesorgt, dass das Beteiligungsverfahren gestartet wird, so der Landkreis.

Die Unterlagen können vom 19. September bis 18. September 2024 unter anderem online (https://www.beteiligung-landesplanung.de/rvp-asse/beteiligung.php) eingesehen werden.

Im Schreiben vom 9. September führt das ArL Braunschweig zudem aus, es sei „dankbar, wenn sich der Landkreis Wolfenbüttel, wie auch die lokalen Akteure, mit den vorgelegten Unterlagen auseinandersetzten“.

Unverhältnismäßige Frist


„Der gewählte Zeitraum, der zur Hälfte in den Herbstferien liegt, erweist sich unsers Erachtens als untauglich für eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung. In der Sache ist dies auch unverhältnismäßig. Der vom ArL Braunschweig festgesetzte Zeitraum ist ein Schlag ins Gesicht gerade auch der 'lokalen Akteure', die sich als ehrenamtlich engagierten Personen unserer Region seit vielen Jahren mit dem Vorhaben auseinandersetzen und auch in diesem Verfahren sicherlich Relevantes beizutragen hätten. Aber auch die Landkreisverwaltung und andere Behörden kommen an ihre Grenzen“, erklärte Umweltdezernent Volkers.

Die Landkreisverwaltung hatte mit Schreiben vom 16. September 2024 gegenüber dem ArL Braunschweig dringend angeregt, die unverhältnismäßige Beteiligungs- und Stellungnahmefrist kurzfristig durch eine neue Bekanntmachung zu korrigieren, die außerhalb der niedersächsischen Herbstferien liegt und hinsichtlich ihrer Dauer eine verhältnismäßige Stellungnahmefrist vorsieht. Darüber hinaus wurde nochmals bezweifelt, dass die von der BGE vorgelegten Unterlagen nach den rechtlichen Maßstäben des Raumordnungsgesetzes insbesondere auch im Hinblick auf Asse-ferne Standortalternativen überhaupt vollständig sind.

Das ArL Braunschweig teilte im Nachgang zur Kreistagssitzung mit, dass eine Fristverlängerung zur Abgabe einer Stellungnahme um eine Woche formlos beantragt werden kann. Davon habe die Landkreisverwaltung umgehend Gebrauch gemacht und bereits eine Fristverlängerung bis zum 25. Oktober 2024 gewährt bekommen.


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