AWO: Gesetz zur Familienpflegezeit enttäuscht


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„Das Ziel, Beruf und Pflege für viele Menschen miteinander vereinbaren zu können, wird damit verfehlt", kritisiert der Vorstandsvorsitzende des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig, Rifat Fersahoglu-Weber, das heute vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Familienpflegezeit. Die AWO hat den Prozess der Gesetzentstehung bis heute kritisch begleitet und seine Verantwortung als Sozialverband wahrgenommen, auf Schwachstellen hinzuweisen und Optimierungsvorschläge einzubringen.

„Die Bundesregierung hat jedoch unsere Bedenken wie auch Vorschläge, die wir mit vielen anderen Verbänden, Organisationen und Experten teilen, weitestgehend ignoriert. Doch ohne einen gesetzlichen Rechtsanspruch wird die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Familienpflegezeit für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer  ins Leere laufen“, fürchtet Fersahoglu-Weber und erklärt weiter: „Das Gesetz enttäuscht. Es bietet pflegenden Angehörigen nicht die notwendigen Leistungen und Rechte, um die gesamtgesellschaftlich so wichtige Verantwortung der Angehörigenpflege zu übernehmen. Und dabei verdienen Angehörige deutlich mehr Entgegenkommen des Staates, denn ohne ihre Bereitschaft zur Pflegeübernahme würde Pflege und Betreuung den Staat und das Solidarsystem an seine finanziellen Grenzen bringen.“

Den Kernpunkt des Gesetzes, dass Berufstätige für maximal zwei Jahre ihre Arbeitszeit auf wöchentlich 15 Stunden reduzieren können, lehnt Fersahoglu-Weber als nicht zielführend ab: „Niemand weiß, wie lange ein Angehöriger Pflege benötigt“, betont der AWO-Vorstandsvorsitzende. Unabhängig von dem fehlenden Rechtsanspruch fehle auch das Rückkehrrecht auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz.

Als weiteren Kritikpunkt sieht Fersahoglu-Weber, dass Beschäftigte die so genannte Ausfallversicherung selber übernehmen müssen. Diese soll das Risiko für die Arbeitgeber minimieren, falls Arbeitnehmer nach der Familienpflegezeit beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zum Arbeitsplatz zurückkehren können. Bei allem Verständnis dafür, dass auch Arbeitgeber durch das Gesetz zur Familienpflegezeit nicht über Gebühr belastet werden, hätte die Regierung zumindest eine Balance zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen herstellen sollen. Die jetzigen Regelungen ließen eine solche Balance vermissen.

„Was die Betroffenen wirklich benötigten, ist ein selbstbestimmter Anspruch auf Beratung, kurzfristige Freistellungsmöglichkeiten ohne Lohnverlust und einen Anspruch auf Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen, um die eigene Gesundheit zu erhalten und nicht zuletzt eine ambulante Betreuungsstruktur, die überhaupt erst ermöglicht, dass pflegende Angehörige erwerbstätig bleiben können“, fasst Fersahoglu-Weber die AWO-Forderungen zusammen.

Für eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit stellt die AWO folgende Forderungen auf:

  1. Gesellschaftliche Anerkennung für pflegende Angehörige

  2. Einführung von Beratungsgutscheinen

  3. Verbesserter ambulanter Leistungsanspruch

  4. Anspruch auf kurzfristige Freistellung von Arbeitnehmern in Pflegeverantwortung analog zu den Freistellungsregelungen bei Pflege eines erkrankten Kindes (§ 45 SGB V)

  5. Anspruch auf stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für pflegende Angehörige sowie

  6. Zeit für familiale Sorgearbeit.


Die Angehörigenpflege ist der größte „Pflegedienst" Deutschlands. Rund 1,6 Millionen Menschen werden derzeit zu Hause durch Angehörige gepflegt. 40 Prozent der pflegenden Personen sind erwerbstätig.


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