Professionelle Unterstützung für Menschen in seelischen Notlagen mit Migrationshintergrund: Das im November vergangenen Jahres gegründete Transkulturelle Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie im Stadtteil Linden in Hannover habe eine wichtige Versorgungslücke schließen können.
Bislang gab es bundesweit gerade für Menschen mit türkischem Hintergrund zu wenig Hilfsangebote, weil besonders Sprachbarrieren eine Verständigung erschwerten. Wer sich aber nur in seiner Muttersprache über Ängste und Depressionen äußern kann, der schweigt – und bleibt in einer sozialen Isolation. Darunter leiden vor allem türkische Frauen, die oft unter somatischen Beschwerden leiden. „Unser wohnortnahes Konzept mit einem bilingualen Team von Ärzten, Therapeuten, Sozialdienstmitarbeitern und Pflegekräften ist aufgegangen. Wir konnten eine Brücke zu den Menschen im Quartier bauen. Sie wissen, dass ihnen hier geholfen wird“, lautet die erste Bilanz von Dr. Rainer Brase, Geschäftsführer des Klinikum Wahrendorff. Europas größte Psychiatrie in privater Trägerschaft hatte sich wegen der hohen Nachfrage entschieden, dieses Angebot einzurichten.
Am heutigen Dienstag besuchte der türkische Generalkonsul Tunca Özcuhadar erstmals die neuen Räume der Tagesklinik und informierte sich vor Ort über das Behandlungskonzept mit Einzel- und Gruppentherapie, Entspannungsübungen und Kreativunterricht. „Türkische Mitbürger in seelischen Notlagen finden hier ein offenes Ohr, sie können sich mitteilen, werden verstanden und finden Entlastung und professionelle Unterstützung. Das ist eine Form von Integration, die einen wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft leistet“, lautet das Fazit von Tunca Özcuhadar. Mit der Aufstockung der räumlichen Kapazitäten im Nachbarhaus am Schwarzen Bär 8 wird der starken Nachfrage sowie der in den Räumen ebenfalls untergebrachten Psychosozialen Institutsambulanz (PIA) Rechnung getragen. Dieses Angebot richtet sich an Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung auf ambulante Betreuung durch ein multiprofessionelles Team angewiesen sind.
„Wir sind auch Anlaufstelle für Menschen ohne Migrationshintergrund und setzen verstärkt auf Hilfestellung für russische Migranten, die von unserem russischen Arzt betreut werden. Themen wie Alterspsychiatrie und Sucht sind hier große Themen“, erklärt Dr. Hamit Ince, leitender Arzt des Transkulturellen Zentrums. Die Tagesklinik habe sich im Stadtteil etabliert als niedrigschwelliges Angebot und sei Teil des gesamten medizinischen Netzes geworden.
Bei den türkischen Patienten suchen überwiegend Frauen, im zunehmenden Maße aber auch Männer (ihr Anteil beträgt rund 30 Prozent) das Gespräch mit dem bilingual ausgerichteten Spezialteam der Tagesklinik. Psychosen, Depressionen, Ängste und Persönlichkeitsstörungen sind die am häufigsten vertretenen Krankheitsbilder. „Viele Türkinnen haben somatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenprobleme oder Verspannungen an Nacken und Rücken. Wir klären vor allem den Zusammenhang zwischen Psyche und Körper auf. Desomatisierung durch Verbalisierung lautet unser Konzept“, erklärt die Diplom-Psychologin Semra Sgarra. Durch die vorgegebenen Rollen in den türkischen Familien sei eine grundlegende Veränderung allerdings schwer umzusetzen. „Es geht auch vielmehr um die Entlastung der Frauen, die zu uns kommen. Wir wollen ihre Ressourcen finden und fördern. Soziale Kontakte tun gerade jenen gut, die sich die meiste Zeit nur in ihren Familien aufhalten und dort selten offen reden“, ergänzt Semra Sgarra.
Die Klinik im Internet unter: www.wahrendorff.de
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