Wir veröffentlichen die Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag Björn Thümler wie immer ungekürzt und unkommentiert hier:
[image=5e1764c6785549ede64cce6c]Wenn wir heute über Europa reden, dann reden wir meist über Krise - Schuldenkrise, Eurokrise, Finanzmarktkrise, Wirtschaftskrise, Sinnkrise und so weiter. Richtigerweise sollten wir aber mehr davon reden, dass Europa nicht nur Krise ist. Und wenn wir heute über den Euro reden, dann reden wir meist über Rettungsschirme, Umschuldungen, Bankenkrise, Immobilienkrise und so weiter. Richtigerweise sollten wir aber mehr darüber sprechen, dass der Euro nicht nur ein Problem ist.
Es ist völlig klar: Der Euro ist Kern der Europäischen Union. Der Euro hält Europa zusammen, er schützt und stärkt uns. Er bewahrt uns vor Krieg. Staaten, die mit demselben Geld bezahlen, führen keine Kriege gegeneinander.
Wenn der Euro in der Krise ist, ist Europa in der Krise. Das ist die Realität. Aber es gibt noch mehr zwischen Himmel und Erde, was uns Menschen bestimmt, politische Konstrukte zusammenhält und Identität schafft. Das sind Werte, Frieden und Freiheit, Wirtschaft und Wohlstand.
Warum brauchen wir Europa? Weil wir alle eine gemeinsame Geschichte haben und dasselbe kulturelle Erbe teilen. Daraus wächst eine gemeinsame Verantwortung.
Unser Kontinent hat zwei Ursprungsgeschichten: Die Geschichte der griechischen Philosophie und die Geschichte des römischen Rechts. Beide Ursprungsgeschichten werden vom Christentum aufgenommen, über die Geschichte der Welt gerettet und zur Synthese geführt. So entstand das europäische Wertfundament. So entstanden unsere Wurzeln. Diese begründen unsere gemeinsame Verantwortung für Europa.
Warum brauchen wir Europa?
Weil Europa der Garant für Frieden und Freiheit ist. Der europäische Einigungsprozess hat die Staaten Europas zusammenwachsen lassen. Das Netz ist über die Jahre so eng gewebt worden, dass sich der einzelne Faden nicht mehr ohne weiteres herauslösen kann.
Warum brauchen wir Europa?
Weil Europa unserer Wirtschaft neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnet und uns allen einen noch nie dagewesenen Wohlstand beschert hat. Mit 500 Mio. Verbrauchern ist Europa ein größerer Absatzmarkt als die USA. Dies ist ein Segen für unsere exportorientierte Wirtschaft - auch in Niedersachsen. So gingen 2011 63 % der Exporte niedersächsischer Unternehmen in Mitgliedstaaten der EU. Das belegt, welche Chancen Europa bietet.
Was erwarten wir heute von Europa?
Einen stabilen Euro. Und dafür brauchen wir stabile Finanzen in den Mitgliedstaaten. Das setzt voraus, dass diese die Stabilitätskriterien erfüllen. Deshalb ist es richtig, dass immer mehr Staaten eine Schuldenbremse eingeführt haben.
Es geht darum, dass wir uns Spielräume verschaffen, um zu investieren. Immer neue Schulden haben dazu geführt, dass ein immer größerer Anteil der öffentlichen Haushalte in den Zinsdienst fließen muss und nicht für notwendige und zukunftsgerichtete Investitionen zur Verfügung steht. Dieses Problem mit weiteren Schulden lösen zu wollen, ist ein Irrglaube. Denn weitere Schulden verschärfen das Problem statt es zu lösen.
Ein Neuverschuldungsverbot ist zudem eine Frage der Solidarität, und zwar in einem doppelten Sinn. Es ist eine Frage der Solidarität mit den kommenden Generationen und auch eine Frage der Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander. Auf Schuldenbergen können Kinder nicht spielen. Man muss die Probleme in dem Land lösen, wo sie entstehen. Solidarität erfordert also Subsidiarität, Subsidiarität wiederum eigenverantwortliches Handeln.
Das bedeutet für mich ganz klar: Wir helfen. Wir helfen aber auch, damit Staaten wie Griechenland sich auf längere Sicht wieder selber helfen können. Und deshalb sind politische Ansätze wie Eurobonds und weitere Transfergemeinschaften falsch – schlichtweg falsch. Auch die Abgabe von Souveränitätsrechten wie die Haushaltsho-heit wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht wünschenswert – weil es nicht solidarisch ist, die Probleme einfach umzuverteilen.
Deswegen ist es ein Gebot der Stunde, endlich die Schuldenproblematik in den Griff zu bekommen. Deswegen sind Schuldenbremsen - ob in Deutschland, in Spanien oder sonst wo - in Staatshaushalten richtig! Deswegen brauchen wir auch in Niedersachsen rasch eine Schuldenbremse – und zwar nicht erst 2020, wie SPD und Grüne das wollen, sondern schon 2017. Wir sind nur dann glaubwürdig, wenn wir selber das leisten, was wir von anderen erwarten. Sie sind mit Ihrem Herumgeeiere bei der Schuldenbremse jedenfalls kein Vorbild, Herr Schostock!
Was erwarten wir heute von Europa?
Regulierung mit Augenmaß. Es kann nicht sein, dass die EU-Kommission eine tragende Wand der Automobilindustrie einreißt. Wir kämpfen für den Erhalt des VW-Gesetzes. Die EU-Kommission bringt mit ihrem Vorgehen ohne Not große Unruhe in ein wirtschaftlich äußerst erfolgreiches Unternehmen. Dadurch wird auch das Vertrauen der Menschen in die europäischen Institutionen belastet. Mit ihrem erneuten Vorstoß leistet die EU-Kommission der um sich greifenden Europaskepsis unnötig Vorschub.
VW hat heute mit Katar einen ausländischen Großaktionär. VW hat heute mehr Standorte außerhalb Deutschlands als innerhalb unserer Landesgrenzen. VW beschäftigt heute mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Ausland als im Inland. Dies alles war mit dem Volkswagengesetz möglich. Auch Europa profitiert also in großem Maße von Volkswagen. Deshalb ist mir nicht einsichtig, warum das Volkswagengesetz gegen die europäischen Interessen verstoßen sollte! Deshalb sind wir froh, dass unser Ministerpräsident David McAllister den Erhalt des VW-Gesetzes zur Chefsache gemacht hat!
Was erwarten wir heute von Europa?
Regulierung mit Augenmaß – auch bei der EU-Arbeitszeitrichtlinie, die derzeit in Brüssel verhandelt wird. Es kann nicht sein, dass durch neue Arbeitszeitvorschriften die Existenz unserer freiwilligen Feuerwehren in Niedersachsen gefährdet wird. Historisch gewachsene Strukturen wie die freiwillige Feuerwehr, die es in anderen Mitgliedstaaten so nicht gibt, müssen vor dem Regulierungsteufel geschützt werden. Es ist richtig, Arbeitnehmerrechte zu sichern. Ehrenamtliches Engagement muss aber anders behandelt werden als normale Erwerbstätigkeit.
Was erwarten wir heute von Europa?
Dass die gesellschaftliche Leistung der Landwirtschaft auch weiterhin honoriert wird. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU ist für Niedersachsen als Agrarland Nummer 1 von besonderer Bedeutung. Denn Niedersachsen ist der zehntgrößte Agrarproduzent in der EU. In Niedersachsen ist die Land- und Ernährungswirtschaft heute nach dem Fahrzeugbau der zweitwichtigste Sektor des produzierenden Gewerbes - in einigen Regionen sogar der wichtigste Sektor. Die Land- und Ernährungswirtschaft sowie die vor- und nachgelagerten Branchen sichern Einkommen, Beschäftigung und Lebensqualität im ländlichen Raum.
Bisher werden aus EU-Mitteln jährlich knapp 1 Mrd. Euro Direktzahlungen an niedersächsische Landwirte ausgezahlt. Diese machen durchschnittlich 60 % der landwirtschaftlichen Einkommen aus. Die Ausgestaltung der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik ist für eine weitere gute und erfolgreiche Entwicklung der niedersächsischen Landwirtschaft wichtig. Deshalb sind wir froh, dass sich die Landesregierung so tatkräftig für die Belange unserer Landwirte und des ländlichen Raums einsetzt!
Ministerpräsident David McAllister hat heute das Europapolitische Konzept der Landesregierung vorgestellt. Die Landesregierung hat uns alle eingeladen, das Konzept ausgiebig zu diskutieren. Dieses Angebot sollten wir alle annehmen. Denn nur gemeinsam können wir uns in Brüssel im Konzert der europäischen Regionen behaupten und Niedersachsen eine kraftvolle Stimme verleihen.
Konrad Adenauer hat einmal gesagt: „Die Einheit Europas war ein Traum weniger. Sie wurde eine Hoffnung vieler. Sie ist heute eine Notwendigkeit für alle.“
Das war damals richtig. Das ist heute richtig. Europa ist nicht die Frage, Europa ist die Antwort.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
mehr News aus Wolfenbüttel