Corona in Pflegeheim: Leben unter Quarantäne ist ein Balanceakt

In der Seniorenbetreuung Schloss Schliestedt gibt es viele Coronafälle. Besonders für die Demenzkranken ist das Leben in Quarantäne schwer, sagt Heimleiterin Sabine Resch-Hoppstock.

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Archivbild | Foto: Anke Donner

Schliestedt. Wie bereits berichtet, ist es in der Seniorenbetreuung Schloss Schliestedt zu einem Corona-Ausbruch gekommen. Inzwischen sind 25 Bewohner und fünf Mitarbeiter mit COVID19 infiziert. Das komplette Anwesen mit allen fünf Häusern steht unter Quarantäne, sagt Sabine Resch-Hoppstock, Leiterin der Einrichtung im Gespräch mit regionalHeute.de.


Bei dem betroffenen Bereich handelt es sich um die gerontopsychiatrischen Abteilung der Altenpflegeeinrichtung. Eine Abteilung, die größtenteils von stark Demenzkranken bewohnt wird. Hier ist es zu einer Ansteckung durch eine Mitarbeiterin gekommen. Nachdem die Mitarbeiterin positiv getestet wurde, seien sofort weitere Tests bei den Bewohnern angeordnet worden. Das Ergebnis: 25 Bewohner haben sich angesteckt.

Die baulichen Gegebenheiten seien in der Abteilung so ausgerichtet, dass sie an die Bedürfnisse der Bewohner angepasst sind. Viel Raum und wenig Einschränkungen. Große Bereiche, die immer zugänglich sind, wurden extra so geschaffen, dass sich die Bewohner frei bewegen können, sagt Sabine Resch-Hoppstock. Denn viele der Demenzkranken haben einen großen Bewegungsdrang. Dieser Umstand habe nun auch dazu geführt, dass sich das Virus so schnell ausbreiten konnte. "Wir können diesen Menschen oft nicht erklären, dass sie eben das nicht mehr sollen oder dürfen. Und wir können und wollen sie auch nicht isolieren. Und sie tragen keine Masken, weil sie diese oftmals nicht tolerieren und absetzen. Und dementsprechend war dann die Anzahl der Infektionen sehr hoch", erklärt Sabine Resch-Hoppstock weiter.

Keiner kommt rein oder raus


Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Hygieneregeln hat es die Senioreneinrichtung nun doch erwischt. Und das in einem Ausmaß, vor dem sich Sabine Resch-Hoppstock während der vergangenen Wochen fürchtete. "Das war die ganze Zeit unsere große Angst - wenn wir es einmal drin haben, wird es schwer. Und genau das ist jetzt passiert. Und das in einer sehr schnellen und dramatischen Entwicklung. Wir haben Bewohner, die morgens zwar Symptome hatten, aber durchaus fit waren und sich mittags kaum noch auf den Beinen halten konnten", sagt sie. Nun gilt es, die Bewohner in dieser Zeit zu begleiten, so gut es die Beschränkungen zu lassen. Auch sei man bemüht, den Kontakt zu den Angehörigen so gut es geht zu ermöglichen. Besuche sind ausgeschlossen. Niemand kommt in die Einrichtung - außer das Personal. Die Bewohner stehen unter Quarantäne, dürfen keinen Besuch empfangen und das Haus nicht verlassen. Das weitläufige Gelände sei aber laut Sabine Resch-Hoppstock weiter zugänglich. Und so versuche man beispielsweise wenigstens ein Winken am Fenster zu ermöglichen, während draußen die Angehörigen stehen. Denn der Kontakt, das soziale und gesellschaftliche Leben, ist besonders für psychisch erkrankte Menschen besonders wichtig, weiß Sabine Resch-Hoppstock. Und daher werde man versuchen, alles zu ermöglichen, was eben gestattet und vertretbar ist und keine Risiken birgt, um den Kontakt zu halten.

Corona - trotz vieler Maßnahmen


Regelmäßige Tests bei den Mitarbeitern und Bewohnern, Masken, Desinfektion, Temperaturmessung, Kontaktlisten - die Einrichtung hat alles getan, um einen Ausbruch zu vermeiden. Einmal wöchentlich und bei Verdacht oder Bedarf wurden die Mitarbeiter getestet. Und auch bei den Besuchern wurde genau hingesehen, ob ein Test durchgeführt werden muss, bevor sie ihre Angehörigen besuchen. "Wir haben alles getan und alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die man treffen kann. Aber wenn es dann eine Mitarbeiterin trifft, die sich das Virus zugezogen hat, dann ist die Gefahr groß. Wir sind eine Einrichtung, die sich sehr am Gemeinwesen orientiert und wir wollen, dass unsere Bewohner so weit wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Aber wenn man das so lebt, dann passiert eben das, was überall auf der Welt gerade passiert. Dann trifft es irgendwann auch uns", sagt sie. Auf die Frage, wie es denn trotz Hygienemaßnahmen zu einer Übertragung kommen kann, antwortet Sabine Resch-Hoppstock offen und ehrlich: "Der Schutz ist je nach Tätigkeit ausgerichtet. Die Masken sind bei körpernahen Tätigkeiten im Einsatz. Bei Arbeiten, die beispielsweise in der offenen Küche stattfinden, werden manchmal nur Alltagsmasken oder gar keine Masken getragen. Gerade bei den Dementen ist es oft wichtig, dass die die Mimik erkennen. Das ist mit Masken schwer und für die Demenzkranken nur schwer zu verstehen und zu erkennen. Masken führen bei den Bewohnern sehr zu Irritationen. Sie sehen nur Masken und Augen - für sie sehen die Mitarbeiter aus wie Marsmenschen. Das macht vielen Bewohnern auch Angst. Die Mitarbeiter haben immer dann, wenn es gefordert war und der Tätigkeit angemessen, die Schutzausrüstung getragen. Und jetzt ist es aber so, dass alle ausschließlich und permanent FFP2-Masken tragen", erklärt Sabine Resch-Hoppstock, der es wichtig ist, transparent zu sein und mit der Situation offen umzugehen.

Ein Balanceakt


Es ist sei ein Balanceakt zwischen sozialem Gefüge, dem Miteinander und der Sicherheit der Bewohner und Mitarbeiter. "Wir begleiten hier Leben. Es ist wie eine Wohngemeinschaft. Wir leben hier mit den Menschen. Und sie sollen Freiheit wie irgend möglich haben. Gleichzeitig sollen sie natürlich auch geschützt werden. Es ist so schrecklich, dass es uns getroffen hat. Aber auch jetzt ist es so, dass wir schauen, dass wir die menschliche Seite nicht aus den Augen verlieren", betont sie und spricht großes Dank und Lob an ihre Mitarbeiter aus. "Für die Kollegen hier ist es eine große, psychische Belastung und da kann ich nur meinen größten Dank aussprechen", sagt sie abschließend.


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