Wolfenbüttel. „Recht, Verbrechen, Folgen“. Am heutigen Sonntag fand im Lessingtheater ein feierlicher Festakt zur Eröffnung der zentralen Gedenkstätte zu Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus statt.
Von Tanja Bischoff
Die Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, Martina Staats moderierte die Feierlichkeiten und begrüßte 400 geladene Gäste, darunter 60 Angehörige von Hingerichteten und ehemaligen Gefangenen, die aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden angereist waren.
Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten begrüßte alle Anwesenden und dankte für das große Engagement aller Beteiligten. „Eine Gedenkstätte kann nur dann Wirkung entfalten, wenn sie eingebettet ist in ihr gesellschaftliches und kulturelles Umfeld“, so Wagner. „In unserer neuen Dauerausstellung lernen wir, in welcher Gesellschaft und Rechtsordnung wir nicht leben wollen. Wir lernen, dass es Recht, das diesen Namen verdient, ohne den Rechtsstaat nicht gibt.“ Die Ausstellung zeigt, wie schnell der Rechtsstaat 1933 abgebaut werden konnte und in welchem Umfang Justiz und Strafvollzug den nationalsozialistischen Terror organisieren halfen.
Musikalischer Beitrag zur feierlichen Eröffnung. Foto: Tanja Bischoff
Thomas Pink, Bürgermeister der Stadt Wolfenbüttel und Landrätin Christiana Steinbrügge, sprachen ebenfalls Grußworte. „Mit der Neugestaltung auf dem Gelände der JVA entsteht ein internationaler Lernort mit einer Dauerausstellung in unmittelbarer Nähe zum bedrückenden und historischen Ort einer Hinrichtungsstätte. Zwischen 1933 und 1945 verloren hier über 700 Menschen ihr Leben“, so Steinbrügge.
Der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne, Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten sieht den heutigen Tag als wegweisenden Meilenstein. Es sei eine Besonderheit, dass in Wolfenbüttel der Gedenkstättenbetrieb in einer in Betrieb befindlichen Justizvollzugsanstalt statt findet. „Die Dauerausstellung im neuen Dokumentationszentrum der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel stellt umfassend und auf dem aktuellem Forschungsstand die Geschichte von Strafvollzug und Justiz im Nationalsozialismus dar. Damit bereichert sie die Gedenkstättenlandschaft in Niedersachsen und bundesweit um ein ganz zentrales Thema: die Instrumentalisierung, aber auch die Selbstmobilisierung und Radikalisierung der Justiz im Gefüge des NS-Staates und seiner Verbrechen.“
Der Niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne. Foto: Tanja Bischoff
Dabei stellte Tonne in seiner Ansprache auch aktuelle Bezüge her. Vieles was von den heutigen Rechtsextremen und Populisten zu hören sei, erinnere an das, was in der Ausstellung “Recht, Verbrechen, Folgen“ zu sehen ist. Deshalb sei es in der heutigen Zeit besonders wichtig Haltung zu zeigen und nicht zu schweigen, sondern Vielfalt und Demokratie zu leben, betonte der Kultusminister: „Die Ausstellung und die Gedenkstätte werden zu wichtigen Orten der Aufklärung und des Gedenkens. Sie zeigen eindrucksvoll, wie schnell der Rechtsstaat ausgehöhlt und am Ende abgeschafft werden kann, wie fragil die Grundrechte und die Demokratie sind, wenn sie nicht verteidigt und mit Leben gefüllt werden.“
André Charon hielt als Sohn eines belgischen Widerstandskämpfers und ehemaligen politischen Gefangenen eine sehr persönliche und emotionale Rede. Das Gedächtnis, das Denken, die Empathie, das Wort und das Handeln seien fünf grundlegende Werte, welche das neue Dokumentationszentrum vereint. Es soll diese Werte schützen und an künftige Generationen weiter geben, damit die Finsternis der Vergangenheit nie wiederkehren möge.
André Charon bei seiner emotionalen Rede. Foto: Tanja Bischof
Gegen 16 Uhr starteten dann die Shuttlebusse zur Gedenkstätte. Die Präsidentin des Niedersächsischen Landtages, Gabriele Andretta, Kultusminister Grant Hendrik Tonne, die Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel Martina Staats, Architekt Henner Winkelmüller und weitere Beteiligte durchschnitten im Anschluss an den Festakt das rote Band vor dem Eingang des neuen Dokumentationszentrums und übergaben es somit der Öffentlichkeit.
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