Die niedersächsische Torfindustrie reagiert mit Unverständnis auf die Pläne der Landesregierung, die Vorranggebiete für die Torfgewinnung aus dem Landesraumordnungsprogramm zu streichen. Gründe des Klima- und Naturschutzes sprechen angesichts der seit mehr als 30 Jahren gelebten Symbiose zwischen Torfgewinnung und Renaturierung nicht für das rein politisch motivierte Ende des Industriezweigs. Für die Torfindustrie werden keinerlei intakte Moorflächen entwässert und zerstört. Die Branche nutzt degenerierte Flächen, die für eine landwirtschaftliche Nutzung vor Jahrhunderten entwässert wurden und über keinerlei typische Moorfauna mehr verfügen. Nach Abschluss der Torfgewinnung verbleibt eine Resttorfschicht von einem halben Meter in der Fläche und bildet durch Wiedervernässung das Initial für die Moorregeneration. Innerhalb weniger Jahre stellt sich ein Torfmooswachstum ein und es entwickelt sich aus der vormals landwirtschaftlichen, degenerierten Fläche ein intaktes Moor, das Kohlenstoff aufnimmt.
Nach Zahlen des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie belaufen sich die CO2-Emissionen aus der Torfgewinnung auf unter 0,2% der Gesamt-emissionen der Bundesrepublik Deutschland. Die Torfindustrie nimmt mit derzeit 11.500 ha Torfgewinnungsfläche noch nicht einmal 2% der niedersächsischen Hoch- und Niedermoorflächen in Anspruch. Der allergrößte Teil der Moorflächen befindet sich in landwirtschaftlicher Hand oder ist unter Naturschutz gestellt. Gerade auch aus den unter Schutz gestellten Flächen resultiert eine größere Klimarelevanz als aus den Torfgewinnungsflächen, da es versäumt wurde, ausreichende Mittel für die Pflege und Entwicklung der bestehenden Schutzgebiete zur Verfügung zu stellen. „Die Landesregierung täte also gut daran, ihre Mittel in den Bereichen einzusetzen, in denen das Zusammenwirken mit der Industrie nicht möglich ist, d.h. in bestehenden, schlecht entwickelten Schutzgebieten und Bereichen, die sich für eine Wiedervernässung ohne Torfgewinnung anbieten. Leider wird platt in schwarz-weiß gedacht und Chancen nicht ergriffen“, so Johannes Welsch, Geschäftsführer des Branchenverbands IVG.
Torf ist als Ausgangsstoff für die Produktion von 9,5 Mio. Kubikmeter Blumenerden und Kultursubstrate für die Anzucht und Produktion von Pflanzen in den jährlich benötigten Mengen und Qualitäten nicht ersetzbar. Der Hauptnutznießer des in Niedersachsen gewonnenen Torfs ist der Erwerbsgartenbau mit seinen 60.000 Betrieben und 400.000 Mitarbeitern in Deutschland. Ein geringer Anteil der Torfmenge geht nach seiner Veredelung in den Export.
Die Industrie befasst sich bereits seit Jahrzehnten mit der Erforschung von Alternativ- und Zuschlagsstoffen. Derzeit werden für Blumenerden ca. 23% andere Ausgangsstoffe als Torf eingesetzt. Für gärtnerische Kultursubstrate sind es bereits 7%. Während z.B. Kompost in der Vergangenheit zumindest einen Teil des eingesetzten Torfs ersetzen konnte, sind die für die Substratindustrie zur Verfügung stehenden Mengen stark rückläufig durch die Konkurrenznutzung in der energetischen und thermischen Verwertung mit der entsprechenden Förderung durch das Erneuerbare Energiengesetz. Torf, der nicht in Niedersachsen gewonnen wird, wird nach Einschätzung der Industrie noch auf lange Sicht mangels Alternativen aus dem Baltikum importiert. Mit den entsprechenden CO2-Emissionen, die aufgrund der Transportwege noch hinzukommen.
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