Wolfenbüttel. Verbale Entgleisungen von Politikern sind so alt wie die Demokratie selbst. Da ist das „Mit Verlaub, Herr Präsident“ vor dem „Arschloch“ von Joschka Fischer noch eine der höflicheren Beleidigungen. Von kreativen bis schier primitiven Denunziationen ist im politischen Miteinander alles zu finden, was einst auf dem Schulhof seinen Vorreiter fand. Eine Art diagnostiziertes Schimpfwort-Tourette kann bei einigen wohl nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Bayrisches Rumpelstilzchen, alternder Lümmel oder geistiges Eintopfgericht sind noch die netteren Kommentare von Spitzenpolitikern über ihre politischen Gegner. Jeder Journalist, der in seinem beruflichen Leben mal Parteitage und Bundestagsdebatten dokumentieren durfte, weiß, wie unflätig so manch einer unserer Volksvertreter werden kann. Wobei immer auf die Kreativität und den Humor des jeweiligen Ausspruches zu achten ist: „Sie verkörpern Dick und Doof in einer Person“, sagte zum Beispiel Karsten Voigt (SPD) einmal zu Martin Bangemann (FDP). Weniger kreativ ist gar die berufliche Zuordnung von Micheal Glos (CSU), der Joschka Fischer als „Zuhälter“ betitelte. Der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla raunzte seinen Parteifreund Wolfgang Bosbach (CSU) mal so richtig übel an: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ und „Wenn ich so eine Scheiße höre wie Gewissensentscheidung.“ Der gute Mann ist übrigens mittlerweile in der freien Wirtschaft angesiedelt. Man kann nur hoffen, dass die Deutsche Bahn einen anderen Mitarbeiter die Durchsagen machen lässt.
Auffällig bei der Begutachtung der Schimpfwort-Tiraden der Politiker ist, dass die Kreativität im Laufe der Jahrzehnte tendenziell eher abgenommen hat. Etwas mehr Gestaltungslust, wenn ich bitten darf. Heute hängen die werten Damen und Herren Politiker einfach ein „Faschist“ oder „Nazi“ an den Parteinamen und schon ist der geistige Wust ausgesprochen. Aber eines muss man unseren demokratisch gewählten Vertretern ja zugestehen – von intellektueller Arroganz und Volksferne kann man wirklich nicht sprechen. „Ihr da oben“ seid dann doch irgendwie ganz nah bei „uns da unten“. Und nun schnell wieder in die Klasse, die Pause ist vorbei.
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