Kumlehn: Wilhelm Busch gehört nicht zu Lessing


Jürgen Kumlehn greift auf ein umfangreiches Wissen aus seinem eigenen Archiv zurück. Archivfoto: Anke Donner
Jürgen Kumlehn greift auf ein umfangreiches Wissen aus seinem eigenen Archiv zurück. Archivfoto: Anke Donner | Foto: Anke Donner)

Wolfenbüttel. Im Zuge der Diskussionen um die geplante Aufstellung eines Wilhelm Busch Denkmals des Künstlers Markus Lüpertz, meldet sich der selbsternannte Erinnerer Jürgen Kumlehn zu Wort. Er weist die in Teilen aufgekommene öffentliche Kritik an Busch, dass dieser ein Antisemit war zurück, heißt jedoch den von der Stadt angedachten Aufstellungsort im Quartier Lessings für nicht gut. Wir veröffentlichen Kumlehns Leserbrief an dieser Stelle unkommentiert und ungekürzt.


Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe nichts gegen Wilhelm Busch und halte ihn auch nicht für einen Antisemiten! Er hat antisemitische Äußerungen gemacht, die aber für immer zu lesen sind. Das ist schlimm genug, viel schlimmer aber ist die Wirkung, die diese Äußerungen auf Leserinnen und Leser haben. Ich befürchte ja fast, dass jemand noch die Idee bekommt, ein Denkmal für Rudolf Huch zu errichten; er war nun ein wirklicher Antisemit. Ich habe einen anderen Vorschlag: Ein Denkmal für Leopold Zunz, ein Schüler und späterer Lehrer der Samsonschule. Zunz gilt als eigentlicher Begründer der „Wissenschaft des Judentums“, „der Erforschung der jüdischen Geschichte, Kultur und Religion mit den wissenschaftlichen Methoden des 19. Jahrhunderts“. Eine bedeutende deutsche Persönlichkeit. Anders als Wilhelm Busch hat er in Wolfenbüttel jahrelang gelebt und gearbeitet. Alle Unterstützer meines Vorschlages bitte ich um Kontaktaufnahme; das muss doch hinzukriegen sein.

Ich habe nichts dagegen, dass ein Denkmal für Busch errichtet werden soll. Dass die Wolfenbütteler Bürgerschaft die künstlerische Darstellung des Bildhauers akzeptieren wird, bezweifele ich. Aber so ist eben Kunst, die Lüpertz-Interpretation wird nach der Errichtung noch einige Stürme erzeugen. Vielleicht hätte der Kulturausschuss vor einiger Zeit einer Ratsfrau folgen sollen, die im Zusammenhang mit dem Demnigschen „Gesamtkunstwerk Stolpersteine“ den epochemachenden Vorschlag gemacht hatte, Kunst überhaupt erst einmal zu definieren: Was ist eigentlich Kunst?

Wilhelm Busch war zwar ein großer Liebhaber, aber nicht unbedingt jemand, der der Stadt Wolfenbüttel sehr zugetan war. 1875 schrieb er unter anderem: „Wolfenbüttel …. ficht mich wenig an …. Ich trinke kein Bier, ich spiele keine Karten, ich liebe keine philisterhafte Geselligkeit. Drum - was schert mich Wolfenbüttel die Stadt!?“ (Quelle: Dr. D. Lent im Braunschweigischen Jahrbuch 1987, S. 137.) Der einstige Wolfenbütteler Wilhelm Raabe attestierte ihm in seiner Ablehnung der Person ein „ethisches Armutszeugnis unseres Volkes“ und bezeichnete ihn als einen „grässlichen Kerl, der nur Vergnügen am Peinigen von Menschen und Tieren hat“. Wenn das auch stimmen mag, so habe ich auch heute noch Vergnügen an dem Werk des spaßigen Wilhelm Busch - ohne Gewissensbisse.

Ob Max und Moritz oder Schmulchen Schiefelbeiner, der „Jud“: Ein Wilhelm-Busch-Denkmal gehört nicht in die Aura Lessings und Nathans. Busch am Nathan würde das Interesse auf Wolfenbütteler Geschichte vom Nathan in fataler Weise abziehen. Ein Mensch ansich tendiert nun einmal eher zum Humor als zur Judenverfolgung. Lessing, Nathan und Busch Auge in Auge würde die im Frühjahr dieses Jahres auf dem Stadtempfang verkündeten Qualitätsmerkmale einer verantwortungsvollen Identität mit dem deutschen Klassiker beeinträchtigen. Bisher wurde berichtet, der Standort sei zeitlich begrenzt. Es wird nicht mitgeteilt, welches denn der endgültige Standort sein soll. Ich habe es erfahren: Wilhelm Busch soll am neuen städtischen Museum in der ehemaligen „Jahn-Turnhalle“ sein endgültiges Wolfenbütteler zuhause finden. Dieser Standort ist ebenso unpassend wie der provisorische. Wann müsste denn Busch umziehen? Etwa erst nach der Fertigstellung des Schlossplatzes? Da geht es ja um Jahre? Beide Standorte empfinde ich als einen Angriff auf die jüdische Erinnerungskultur in Wolfenbüttel.

Ich biete zwei alternative Vorschläge für den alten Wilhelm an: Er gehört in die Nähe des Ortes, an dem er sich erholt hatte und um Weiblichkeit umher scharwenzelt war. Der Park am Rosenwall-Berg bietet sich an oder auch die kleine Grünfläche an der Kreuzung Grüner Platz, auf dem bis jetzt die großen Plakate zur Kommunalwahl prangten.

Mich interessiert noch ein anderer Punkt an dem Denkmal: Die Entstehungsgeschichte. Wer hatte die Idee bis hin zur angeblichen Auswahl des provisorischen Standortes durch den Bildhauer selber? Vielleicht erfahre ich das ja in der geplanten Ausstellung.


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