Bundeswehrreform in NIedersachsen und alle Stellungnahmen unserer Landespolitiker


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[image=5e1764b8785549ede64ccb86]Die Bundeswehr ist bisher an 394 Standorten stationiert. Davon sind aus vorherigen Stationierungsentscheidungen noch 13 Standorte zu schließen. Die Niedersächsische Stadt Celle erfährt, so das Verteidigungsministerium, eine “signifikante Reduzierung”. Die Heeresflieger werden komplett aufgelöst.

Viele kleinere Organisationselemente der Bundeswehr unterliegen häufigen Anpassungen beziehungsweise werden an wechselnden Standorten eingesetzt, wie zum Beispiel die zukünftigen mobilen Anteile der Nachwuchsgewinnung. Zum besseren Verständnis werden deshalb zukünftig Kommunen, in denen weniger als 15 Dienstposten stationiert sind, nicht mehr als Standorte der Bundeswehr bezeichnet – unabhängig vom Fortbestand der dort stationierten Elemente. Von den oben genannten 394 Standorten betrifft dies 58 Kommunen. Eine Auflistung enthält der Anlagenteil.

Fünf Standorte werden zusätzlich erfasst. Die dort stationierten Elemente wurden bisher organisatorisch an anderen Standorten geführt (siehe Anlagenteil). Mit der Abbildung dieser Standorte im Stationierungskonzept werden die Organisation der Bundeswehr und die Stationierung in Übereinstimmung gebracht. Damit bilden 328 Standorte die Ausgangslage.

Ergebnisse

Aufgrund des vorliegenden Stationierungskonzepts werden 31 Standorte geschlossen. Die Schließungen betreffen nach Größenordnung:

8 Standorte mit 15 – 100 Dienstposten
4 Standorte mit 101 – 500 Dienstposten
13 Standorte mit 501 – 1.000 Dienstposten
6 Standorte mit mehr als 1.000 Dienstposten

Darüber hinaus werden 90 Standorte signifikant reduziert, das bedeutet eine Reduzierung um mehr als 50 Prozent des bisherigen Dienstpostenumfangs oder um mehr als 500 Dienstposten. Davon werden 33 Standorte auf weniger als 15 Dienstposten verkleinert und damit nicht mehr als Standort bezeichnet.

Insgesamt wird die Bundeswehr in Deutschland somit zukünftig an 264 Standorten stationiert sein.

In Celle werden die Heeresfliegerinstandsetzungsstaffel 100 H, Heeresfliegerstaffel 109 H, Heeresfliegerverbindungs- Aufklärungsstaffel 100 H und Heeresfliegerwaffenschule Ausbildungszentrum C aufgelöst. Alle Einzelheiten in der u.a. PDF-Datei. Weitere Infos folgen.
Stellungnahme von Verteidigungsminister Thomas de Maizière, ungekürzt und unkommentiert:

Auf Basis der Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 27. Mai dieses Jahres wurden in der Zwischenzeit mit der Festlegung von Fähigkeiten, Umfang und Organisation der Bundeswehr die wesentlichen Entscheidungen für eine einsatzbereite und bündnisfähige Bundeswehr der Zukunft getroffen. Ein Reformbegleitprogramm wurde erarbeitet, die Reservistenkonzeption ebenso.

Nachdem im Juli die Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes ausgesetzt und damit der Übergang zu reinen Freiwilligenstreitkräften vollzogen wurde, folgt nun mit der Entscheidung zur Stationierung der letzte konzeptionelle Schritt zur Neuausrichtung der Bundeswehr.

Ziel der Neuausrichtung ist es, Aufgaben und Fähigkeiten der Bundeswehr den sich verändernden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen anzupassen, die Struktur demografiefest zu gestalten und ein solides finanzielles Fundament für die Zukunft zu schaffen.

Unsere Bundeswehr wird zur Landes- und Bündnisverteidigung und maßgeblich im Bereich der Krisenbewältigung und Konfliktverhütung gefordert sein. Die Vielfalt und Bandbreite potenzieller Konflikte und Einsätze verlangt, eine breite Palette unterschiedlicher Fähigkeiten vorzuhalten.

Die Bundeswehr muss im gesamten Aufgabenspektrum wirkungsvoll einsetzbar sein. Dazu gehören unter anderem rein stabilisierende Einsätze, Einsätze in bewaffneten Konflikten bis hin zu Kampfeinsätzen hoher Intensität. Nur ein solch breites Fähigkeitsspektrum eröffnet Deutschland die benötigten Handlungsoptionen und ermöglicht flexibles und abgestimmtes politisches Handeln zur Sicherung von Frieden und Freiheit.

Mit den Entscheidungen zur künftigen Stationierung wird festgelegt, wo und in welchem Umfang die Bundeswehr künftig in den Ländern und Regionen Deutschlands beheimatet sein wird. Unsere Soldatinnen und Soldaten, die zivilen Angehörigen der Bundeswehr sowie ihre Familien sind davon unmittelbar betroffen. Unsere Gesellschaft hat aus vielerlei Gründen ein hohes und verständliches Interesse daran, dass unsere Bundeswehr in ganz Deutschland präsent bleibt. Auch die Bundeswehr selbst mit ihren Soldatinnen und Soldaten und zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte eine Armee in der Mitte unserer Gesellschaft bleiben.

Die Entscheidungen zur künftigen Stationierung sind daher ein wesentlicher Bestandteil der erforderlichen Anpassung und Umstrukturierung der Bundeswehr im Rahmen der Neuausrichtung. Sie sind das Ergebnis einer gründlichen und umfassenden Analyse, in der alle relevanten Faktoren sorgsam und umfassend gegeneinander abgewogen wurden. Die Belange der Menschen in der Bundeswehr und in den Garnisonen und Gemeinden wurden – wo immer möglich und funktional vertretbar – berücksichtigt. Der Zeithorizont für die Umsetzung wird im Rahmen der jeweiligen Realisierungsplanung für den einzelnen Standort gesondert festgelegt werden.

Mit der Neuausrichtung vollziehen wir wichtige Schritte für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr und für den künftigen Schutz unseres Landes. Dazu gehört, die Bundeswehr so zu stationieren, dass eine effektive und finanzierbare Auftragserfüllung in einem komplexen sicherheitspolitischen Umfeld auch unter den Bedingungen eines zu konsolidierenden Bundeshaushaltes und mit geringeren Umfangszahlen möglich ist.

Die Bundeswehr wird kleiner werden. Sie ist eine Freiwilligenarmee ohne Wehrpflicht. Sie bleibt in der Fläche und sie bleibt in unserem Land und für unser Land präsent.
Bundeswehr in Niedersachsen

McAllister/Schünemann: „Niedersachsen bleibt ein starkes Bundeswehrland“

Der Niedersächsische Ministerpräsident David McAllister erklärte dazu:

„Die Landesregierung hat in den zurückliegenden Wochen und Monaten in intensiven Gesprächen auf allen denkbaren Ebenen um jeden Standort gerungen und gekämpft. Dies vorausgeschickt, stelle ich fest, dass Niedersachsen nach den heutigen Entscheidungen des Bundesverteidigungsministers auch zukünftig ein starkes Bundeswehrland bleibt.“

Der Ministerpräsident sagte weiter: „Die Bundeswehrstandorte ‚in der Fläche’ bleiben größtenteils erhalten. Munster bleibt mit mehr als 5.000 Dienstposten größter Heeresstandort in Deutschland. Der Marinestützpunkt in Wilhelmshaven wird deutlich mit zusätzlichen 790 Dienstposten gestärkt, auch Nordholz und Schortens werden aufgestockt. Wittmund ist als Luftwaffenstandort gerettet und wird künftig ein Stützpunkt der neuen Eurofighter. Diese Entscheidung ist gerade für Ostfriesland von erheblicher Bedeutung. Seedorf ist mit über 2.700 Dienstposten als Heimat der Fallschirmjäger stabilisiert. Auch die Heeresflieger in Bückeburg und das Lufttransportgeschwader Wunstorf bleiben erhalten. Die Standorte in der Lüneburger Heide werden im Wesentlichen verschont. Das ist umso wichtiger, als dass diese Region bereits durch den angekündigten Abzug der britischen Streitkräfte besonders betroffen ist.“

Dennoch sei von Anfang an klar gewesen, so David McAllister, dass auch Niedersachsen von Standortentscheidungen betroffen sein würde. Nach der Entscheidung des Bundesverteidigungsministers werden die Standorte Schwanewede und de facto Visselhövede aufgegeben. Erhebliche Reduzierungen erfolgen unter anderem in Aurich, Delmenhorst, Hannover, Lüneburg und Rotenburg (Wümme). „Das ist für die betroffenen Kommunen ohne Frage ein bedauerlicher und schmerzlicher Einschnitt. Die Landesregierung wird jetzt alles ihr Mögliche unternehmen, um den betroffenen Standorten zu helfen“, betonte der Ministerpräsident.

Innenminister Uwe Schünemann erklärte, die Landesregierung werde bereits in der kommenden Woche (am 2. November) mit den betroffenen Kommunen Möglichkeiten erörtern, um die Folgen abzumildern. Als ersten Schritt habe die Landesregierung beschlossen, den bestehenden ‚Interministeriellen Arbeitskreis (IMAK) Konversion’ zum angekündigten Abzug der britischen Streitkräfte, um die von Standortschließungen und signifikanten Reduzierungen der Bundeswehr betroffenen Kommunen zu erweitern. „Alle betroffenen Standortkommunen wird die Landesregierung nun umfassend beraten und über mögliche Förderprogramme und Hilfestellungen informieren“, sagte der Innenminister.

Die Niedersächsische Landesregierung hält darüber hinaus zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen der Bundesregierung für erforderlich. „Wir brauchen ein Konversionsprogramm des Bundes, um den betroffenen Standorten zu helfen. Der Bund könnte beispielsweise den Kommunen nicht mehr benötigte Liegenschaften verbilligt überlassen und die Kosten für die Sanierung etwaiger Altlasten übernehmen. Die Landesregierung wird sich darüber hinaus bei der Europäischen Union dafür einsetzen, dass ‚Konversionskommunen’ zukünftig EU-Mittel im Rahmen der Struktur- und Kohäsionspolitik erhalten können“, so Innenminister Uwe Schünemann.

Landes-SPD zur Bundeswehrreform: Kommunen brauchen Finanzhilfen

Zur Bundeswehrreform und den damit für Niedersachsen verbundenen Standortentscheidungen erklärt der Innenpolitiker und Bundeswehr-Experte der SPD-Fraktion, Heiner Bartling:

„Es war klar, dass Niedersachsen bei der Reform nicht ungeschoren davonkommen würde. Der Verlust von rund 11.000 Dienstposten ist jedoch ein schwerer Schlag. Die Behauptung, Niedersachsen sei mit drei von insgesamt 31 Standortschließungen bundesweit nicht so stark betroffen, wird dadurch widerlegt, dass etliche Standorte stark verkleinert werden sollen.

Für die betroffenen Kommunen ist die Auflösung oder deutliche Reduzierung eines Bundeswehrstandortes ein erheblicher Aderlass. Hier sind Bund und Land jetzt aufgefordert, den Kommunen Hilfestellung zu geben. Die Einrichtung eines Härtefonds sowie die kostengünstige Abgabe ehemaliger Bundeswehr-Liegenschaften, wie sie der Städte- und Gemeindebund fordert, wird von uns unterstützt. Dieses ist umso wichtiger, da Niedersachsen ja auch vom Abzug der britischen Rheinarmee betroffen ist. Wenn Niedersachsen nicht zu einem Land werden soll, in dem sich eine verfallende Militärbrache an die nächste reiht, muss Ministerpräsident McAllister jetzt deutlich mehr Aktivitäten zugunsten der niedersächsischen Kommunen entfalten als bisher.“

Landes-CDU: Niedersachsen bleibt nach Standortschließungen und Dienstpostenreduzierung größter Bundeswehrstandort

Zu den heute bekannt gegeben Standortendscheidungen im Zuge der Bundeswehrreform hat der Vorsitzende der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, Björn Thümler, erklärt:

„Im bundesweiten Vergleich liegen Niedersachsens Einbußen unter dem Durchschnitt. Natürlich sind die Schließungen und Dienststellen-Reduzierungen im Land schmerzlich – es war aber allen klar, dass auch Niedersachen durch die Reform Einschnitte hinnehmen muss.“

Ausdrücklich lobte der CDU-Fraktionschef das Engagement der Landesregierung: „Der unermüdliche Einsatz unseres Ministerpräsidenten für den Standort Niedersachsen hat sich ausgezahlt, David McAllister hat geschickt verhandelt: Niedersachsen war vor der Reform Deutschlands größter Bundeswehrstandort und ist es mit Abstand auch nach der Verkleinerung der Truppe.“ Es sei ebenfalls ein großer Erfolg, dass traditionsreiche und lange Zeit auf der Kippe stehende Standorte nicht geschwächt, sondern gestärkt worden seien, wie Thümler erklärte: „Nach jetzigen Plänen soll der Marinestandort Wilhelmshaven von 7780 Dienstposten auf etwa 8570 aufgestockt werden. Von der Entscheidung profitiert die ganze Küstenregion.“ Gleiches gelte für die Standorte Celle und Wittmund. „Am Beispiel Wittmund sieht man, dass es sich eben doch lohnt, sich massiv für den Erhalt der Bundeswehr vor Ort einzusetzen“, so Thümler, „die SPD-Landtagsfraktion wollte den Standort kampflos übergeben“. Wittmund soll nach Plänen des Verteidigungsministeriums nach einer vorübergehenden Dienstpostenreduzierung mittelfristig wieder zu einem Vollgeschwader aufgestockt werden. Wenig glaubhaft seien zudem die Verlautbarungen von Linken und Grünen zu den Ergebnissen der Reform: „Wer die Haltung von Linken und Grünen zu Fragen der Bundeswehr kennt, muss sich ernsthaft wundern, wenn von dieser Seite nun Ratschläge für Truppenstandorte kommen.“

Mit Blick auf die von der Truppenreduzierung betroffenen Kommunen sagte Thümler: „Diesen Gemeinden muss jetzt schnell geholfen werden, damit ihnen der Übergang in die Zeit mit weniger Kaufkraft vor Ort gelingt.“

Landes-FDP: „Niedersachsen bleibt auch zukünftig Bundeswehrland“

Anlässlich der heute bekannt gewordenen Standortentscheidungen der Bundeswehr äußert der Vorsitzende der niedersächsischen FDP, Stefan Birkner, Verständnis für die Sorgen der von Standortschließungen betroffenen Kommunen.

„Für die lokale Wirtschaft ist der Wegfall der Bundeswehr als wichtiger Arbeit- und Auftraggeber ein harter Schlag. Deswegen müssen wir jetzt mit dem Bund über Konversionshilfen sprechen.“ Die Kommunen dürften nicht die Leidtragenden einer bundespolitischen Entscheidung sein, so der FDP-Landesvorsitzende. Jetzt gelte es, alle Betroffenen an einen Tisch zu holen um nachhaltige Lösungen zu finden. „Auch Wirtschaft, Handwerk und Wissenschaft verlieren durch die Bundeswehr einen wichtigen Partner. Sie müssen in die Suche nach zukünftigen Lösungen mit eingebunden werden,“ so der niedersächsische FDP-Chef.

Birkner unterstreicht, dass alle existierenden Fördermöglichkeiten ausgereizt werden müssten. „Die Kommunen dürfen nicht mit der gefallenen Entscheidung allein gelassen werden.“ Grundsätzlich sei die Strukturreform der Bundeswehr und die Aussetzung der Wehrpflicht jedoch richtig und wichtig. „Die Bundeswehr muss sich schneller als bisher bei Veränderungen anpassen und reagieren können. Deshalb werden flexiblere Strukturen und Verfahren unabdingbar. Die Bundeswehr von morgen muss mithilfe der Reform attraktiv, modern und flexibel sein.“ Die heute gefallenen Standortentscheidungen seien daher Birkner zufolge ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer effizienteren Bundeswehr. Mit nur drei Standortschließungen sei jedoch klar, dass Niedersachsen auch zukünftig Bundeswehrland bleiben wird.

Landes-Linke bekräftigt Forderung nach Konversionskonzept



Die Linke im Landtag hat nach der Bekanntgabe, dass drei Bundeswehrstandorte in Niedersachsen aufgelöst und zahlreiche Dienstposten an weiteren Standorten wegfallen sollen, ihre Forderung nach einem schlüssigen Konversionskonzept bekräftigt. Dr. Manfred Sohn, der friedenspolitische Sprecher der Fraktion und Landeschef der Partei DIE LINKE, kritisierte noch einmal das schlechte Konversionsmanagement der Landesregierung:

„Die von der Landesregierung angekündigten Maßnahmen sind halbherzig – sie reichen bei weitem nicht, um in den betreffenden Kommunen militärische Arbeitsplätze in zivile umzuwandeln. Das Land muss alles dafür tun, dass die betroffenen Beschäftigten eine Perspektive erhalten.“ Nach Ansicht Sohns soll die Landesregierung Konversionsleitlinien entwickeln und sich für die Einrichtung eines Konversionsfonds auf Landes- und Bundesebene einsetzen.

Außerdem sei für die betroffenen Standorte neben einem Unterstützungsfonds eine Machbarkeitsstudie mit der Analyse der Auswirkungen und Konzepten für die Zukunft erforderlich. Auch der am Wochenende auf dem Parteitag der LINKEN beschlossene Vorschlag, anstelle der Bundeswehr ein ziviles ‚Willy-Brandt-Korps‘ in Krisengebiete zu schicken, sollte in solche Konversionsüberlegungen einbezogen werden. „Der Landtag ist nun gefordert, sich mit eigenen Vorstellungen in den Prozess einzubringen. Das Land muss in Abstimmung mit den Kommunen und dem Bund die Vorgänge koordinieren.“ Sohn kündigte eine parlamentarische Initiative seiner Fraktion an.


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