[image=47480]Macht es Sinn, Bäume zu fällen, sogar viele Bäume zu fällen, um Wiesenflächen wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen? Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Wolfenbüttel beantwortet diese Frage für eine geplante umfangreiche Pflegemaßnahme im Landschaftsschutzgebiet Wohld bei Schandelah, einem ehemaligen Standortübungsplatz, nach gründlichem Abwägen mit einem eindeutigen „Ja“.
In dem Schutzgebiet ist in den Sommermonaten ein großer Maschineneinsatz geplant, um ehemals aufgeforstete Pfeifengraswiesen wiederherzustellen. Die Maßnahme erfolgt in enger Abstimmung mit der Bundesforstverwaltung, die die Bundesrepublik Deutschland als Flächeneigentümerin vertritt. Die wertvollen Wiesen sind vor rund dreißig Jahren für den militärischen Übungsbetrieb bepflanzt worden. Damit hatten die Pfeifengraswiesen zunächst das Nachsehen.
Unter den Kronen des Stangenholzes haben sich jedoch Restbestände des überaus seltenen Wiesentyps erhalten. Aktuelle Bestandserhebungen der Hochschule Bremen in den vergangenen zwei Jahren bestätigten, dass die für Pfeifengraswiesen typische Pflanzenzusammensetzung vorhanden ist und dass das gesamte Gebiet einer herausragenden Anzahl von gefährdeten Pflanzenarten Lebensraum bietet.
[image=47481]Für die charakteristischen Rote -Liste-Arten „Heilziest“ und „Färberscharte“ beispielsweise wurden jeweils mehr als 1000 Exemplare auf einer Wiese gezählt! Derart hohe Vorkommen sind auf Pfeifengraswiesen niedersachsenweit einzigartig und haben dem Wohld schon vor vielen Jahren die Einstufung „landesweit bedeutsam“ eingebracht. In Verbindung mit der Vorgabe der Europäischen Union, in diesen Gebieten einen „günstigen Erhaltungszustand“
zu gewährleisten und wiederherzustellen, rechtfertigt diese Artenausstattung den geplanten großen Pflegeeinsatz, so die Untere Naturschutzbehörde.
Es ist vorgesehen, in einem Teilbereich am südlichen Rand des ehemaligen Standortübungsplatzes die vorhandenen Erlen, Eschen, Traubenkirschen und andere Gehölze zu entfernen. Anschließend werden die Baumstümpfe (Stuken) gefräst. „Natürlich werden die Flächen erstmal unschön aussehen“, schreibt Silke Krause, Diplom-Biologin der Unteren Natur-schutzbehörde in einer Pressemitteilung. Nach Entfernung der Aufforstungen werde jedoch bereits in einem zweiten Schritt Saatgut der direkt angrenzenden Pfeifengraswiesen über eine sogenannte Heublumenansaat aufgebracht. Dadurch, so die Biologin, soll das Aufkommen von unerwünschten Pflanzen, die sich ansiedeln wollen, möglichst unterdrückt und die Wiesenbegrünung angekurbelt werden.
Begleitet wird das Projekt von der Hochschule Bremen, die seit 2010 im Zuge von Gelände-praktika den Bestand dokumentiert und die Entwicklung der Wiesen in einem Monitoring auch in den nächsten Jahren begleiten wird. Silke Krause: „Wir sind über diese wissenschaftliche Begleituntersuchungen sehr froh. Und wir müssen geduldig sein und den Wiesen einen Entwicklungszeitraum von fünf bis zehn Jahren zugestehen, um das Ziel zu erreichen“. Dies solle auch durch eine jährliche Mahd unterstützt werden.
Zunächst ist für den Maschineneinsatz in diesem Jahr alles von den Witterungsbedingungen abhängig. Die wechselfeuchten Standorte der Pfeifengraswiesen speichern nämlich das Niederschlagswasser über einen langen Zeitraum. Die Wiesen dürfen jedoch nur bei trocke-nem Wetter befahren werden, um unnötige Schäden zu vermeiden. Im Idealfall kann in Kürze mit den Arbeiten vor Ort begonnen werden. Sie wären dann bis Ende August abgeschlossen, bevor im Spätsommer die Heublumenansaat erfolgen kann.
[image=47482]Betroffen sind zwei Wiesenflächen mit einer Gesamtgröße von etwa. 3,5 Hektar. Die Kosten dieser Maßnahme tragen das Land Niedersachsen und die Bundesforstverwaltung.
Die Wiesen wurden vom Land Niedersachsen ausgewählt als repräsentative Vertreter für den Lebensraumtyp „Pfeifengraswiesen“. Als sogenanntes FFH - Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) wurde es an die EU gemeldet und von dort in das europaweite ökologische Schutzgebietssystem „Natura 2000“ aufgenommen. Die im Wohld vorhandenen günstigen Standortbedingungen (Bodenart, Bodengefüge, Feuchtverhältnisse) als wichtige Voraussetzung für die gute Ausprägung dieser Pfeifengraswiesen sowie die große Anzahl der gefährdeten Pflanzen, finden sich nur noch ganz selten in Niedersachsen. Die Erlen und Eschen kommen auch mit anderen Standortbedingungen gut zurecht. Damit insgesamt eine große Vielfalt an Lebensräumen mit entsprechenden Pflanzen und Tieren erhalten bleibt, ist in diesem Fall der Förderung und Wiederherstellung der Pfeifengraswiesen der Vorrang einzuräumen.
Muss das gerade jetzt im Sommer passieren? Anderen verbietet das Naturschutzgesetz die Fällung von Bäumen während der Vegetationszeit. „Auch hier die eindeutige Antwort: Ja!,“ sagt Ulrike Wronski, Leiterin der Abteilung Natur- und Landschaftsschutz beim Landkreis. „Die wechselfeuchten Wiesen und Aufforstungsflächen können nur bei trockenen Bodenverhältnissen mit schweren Maschinen befahren werden, ohne dass Schäden am Bodengefüge entstehen. Das bedeutet, die Arbeiten müssen zwingend im Sommer oder Spätsommer durchgeführt werden“.
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