Wolfenbüttel. Prophet, Ketzer, Aufklärer, Antisemit, Nationalheld, Fürstenknecht: Wohl kaum eine Gestalt der deutschen Erinnerungskultur hat so unterschiedliche Zuschreibungen erfahren wie Martin Luther.
Anlässlich des Reformationsjubiläums im Jahr 2017 wirft die Herzog August Bibliothek in einer großen Sonderausstellung einen Blick auf die Kultfigur Martin Luther. Die im Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel (MWW) realisierte Ausstellung „Luthermania“ zeigt die Ursprünge dieser Lutherbilder, die zum Teil bis heute wirksam geblieben sind. Eröffnet wird die Schau am Sonntag, den 15. Januar 2017, um 14 Uhr mit einer Festrede der Historikerin und Luther-Biografin Lyndal Roper (Oxford).
Legendäres Wurfgeschoss: Das Tintenfass, mit dem Luther auf der Wartburg nach dem Teufel geworfen haben soll. Blei, Herkunft und Entstehungszeit unbekannt. Foto: HAB
Ein legendäres Wurfgeschoss
Wer kennt nicht die berühmte Legende vom Tintenfass, das Martin Luther nach dem Teufel warf? Das angeblich aus dem Besitz Luthers stammende Gefäß wurde seit dem frühen 18. Jahrhundert Besuchern der Wolfenbütteler Bibliothek gezeigt. Demnächst ist das legendäre Wurfgeschoss wieder zu besichtigen – in der Ausstellung „Luthermania. Ansichten einer Kultfigur“.
Die wohl erst im späten 17. Jahrhundert entstandene Geschichte bestätigte das Bild vom kämpferischen Reformator, der es sogar mit dem Teufel aufnahm. Doch es gibt auch ganz andere Lutherbilder, die zum Teil bis heute wirksam geblieben sind: Prophet, Ketzer, Aufklärer, Antisemit, Kirchenvater, Kirchenspalter, Nationalheld, Fürstenknecht – um nur einige zu nennen. So zeigt ein anderes Exponat der Ausstellung, eine bislang unbekannte Zeichnung aus dem 16. Jahrhundert, wie Luther und der Papst gemeinsam eine Kirche zersägen – eine geradezu wörtliche Umsetzung des Begriffs „Kirchenspaltung“ und ein seltener Fall überkonfessioneller Kritik.
Auftakt zum Reformationsjubiläum
Zum Auftakt des Reformationsjubiläums 2017 zeigt die Ausstellung „Luthermania“, welche Herkunft und Geschichte diese Lutherbilder haben, dass sie geformt sind von der sozialen und politischen Lage, von kulturellen Entwicklungen und Krisen der jeweiligen Zeit. Auf 380 Quadratmetern präsentiert sie vier wesentliche kulturelle „Spielfelder“, in denen sich Lutherbilder entwickelten und über lange Zeiträume wirksam waren: Luther, der Heilige – Luther, der Teufel – Luther, die Marke – Luther, der Deutsche. Die Exponate werden dabei nicht als Wege zu Luther verstanden, sondern als materielle Agenten, die die Aufgabe hatten, eine bestimmte, mit Vorannahmen, Wertzuschreibungen, Idealen und Absichten behaftete „Sichtbarkeit“ herzustellen. Sie haben in ihrer Zeit und mit unterschiedlichem Erfolg „Luther“ gemacht.
Die rund 70 Exponate – illustrierte Bücher, Flugblätter, Handschriften und Objekte – stammen zum größten Teil aus den reichen Beständen der Herzog August Bibliothek, die auch über die weltweit größte Sammlung an Lutherdrucken verfügt. Wichtige Leihgeber sind das Deutsche Literaturarchiv Marbach, das unter anderem die angebliche Totenmaske Martin Luthers zur Verfügung stellt, die Klassik Stiftung Weimar sowie das Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig.
Festvortrag zur Eröffnung
Zur Eröffnung der Ausstellung hält die renommierte Historikerin und Luther-Biografin Lyndal Roper (Oxford) einen Festvortrag mit dem Titel „Lebend war ich die Pest dir, o Papst, todt werd ich dein Todt seyn“. Der Theaterwissenschaftler und Historiker Hole Rößler (Wolfenbüttel) hat die Ausstellung kuratiert; die Gestaltung haben Costanza Puglisi und Florian Wenz vom Studio unodue} in München übernommen.
Zur Ausstellung erscheint der Katalog „Luthermania – Ansichten einer Kultfigur“, hrsg. von Hole Rößler, 408 Seiten mit 213 Farbabbildungen, gebunden, 39,80 Euro, ISBN: 978-3-447-10712-9. Die Schau wird ab dem 15. Januar 2017 begleitet von einer umfassenden virtuellen Ausstellung: www.luthermania.de.
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