Ohne Bürgerbeteiligung - Politik berät über Wiederbelebung der Innenstadt

Eigentlich hatte Bürgermeister Ivica Lukanic eine Bürgerbeteiligung beim Sofortprogramm "Perspektive Innenstadt" versprochen, doch daraus wird erst einmal nichts.

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Ein Projekt zur Belebung der Innenstadt beschäftigt sich mit einer Erneuerung der Wolfenbütteler Wasserwege.
Ein Projekt zur Belebung der Innenstadt beschäftigt sich mit einer Erneuerung der Wolfenbütteler Wasserwege. | Foto: Axel Otto

Wolfenbüttel. Über 1 Million Euro hat die Stadt Wolfenbüttel vom Land Niedersachsen zur Verfügung gestellt bekommen, um die Innenstadt nach der Corona-Pandemie "wiederzubeleben". Geld, das in Maßnahmen fließen wird, über die Wolfenbüttels Bürger mitbestimmen sollten. So hatte es Bürgermeister Ivica Lukanic auch noch nach seiner Wahl versprochen. Doch daraus wird nun vorerst nichts, denn die Politik soll bereits in der kommenden Woche eine finale Entscheidung über die von der Verwaltung vorgegebenen Projekte treffen.



"Zielsetzung ist es, auf breiter bürgerschaftlicher Basis Ideen zu entwickeln, auch einzubringen in das Konzept 'Perspektive Innenstadt'", sagte Lukanic noch im Oktober im Gespräch mit regionalHeute.de und kündigte den Beginn für November an.


Nachdem das Thema "Sofortprogramm 'Perspektive Innenstadt'" auf der Tagesordnung des Ausschusses für Stadtentwicklung auftauchte, fragten wir bei der Pressestelle der Stadtverwaltung an, was aus dieser angekündigten Bürgerbeteiligung wurde. Antworten auf unsere konkreten Fragen vom 2. Dezember erhielten wir nicht. Stattdessen wurde auf eine Pressemitteilung verwiesen, die angeblich "bereits seit einigen Tagen" in Arbeit sei und "so schnell wie möglich" veröffentlicht werden soll.

Bürgermeister nimmt Videobotschaft auf


Am heutigen Dienstag, wenige Stunden vor der ersten politischen Diskussion zur Verwaltungsvorlage, erschien jetzt ein Video von Bürgermeister Lukanic, auf das die Pressestelle mit einer E-Mail aufmerksam machte. Teile unserer Fragen wurden darin aufgegriffen, andere nicht. In dem Video spricht Lukanic von einer Bürger-Informationsveranstaltung, die in dieser Woche in der Lindenhalle geplant gewesen sei und nun coronabedingt nicht stattfinden könne. Öffentlich angekündigt war eine solche Veranstaltung, die nun zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden soll, bislang jedoch nicht.

Ivica Lukanic (parteilos) trat am 1. November die Nachfolge des langjährigen Bürgermeisters Thomas Pink an.
Ivica Lukanic (parteilos) trat am 1. November die Nachfolge des langjährigen Bürgermeisters Thomas Pink an. Foto: Axel Otto


"Leider ist ein früherer Auftakt nicht möglich gewesen. Allerdings stellt der verschobene Termin an dieser Stelle nicht den Beteiligungsprozess insgesamt infrage. Ich freue mich auf die jetzt anstehende Beratung der Vorlage im Bauausschuss und den darauf folgenden Gremien", sagt Lukanic und weist darauf hin, dass auch die Bürger zu den Sitzungen eingeladen seien. Rederecht haben diese hier, bis auf die Einwohnerfragestunden, in denen nur Fragen gestellt werden dürfen, jedoch nicht.


Ausschließlich digitale Veranstaltung soll es nicht geben


"Selbstverständlich halte ich an einer nachhaltigen und langfristigen Beteiligung von Akteurinnen und Akteuren an städtischen Projekten und Entscheidungsprozessen fest. Selbst wenn uns die Umstände zurzeit viel Improvisationstalent abverlangen, wird im Rahmen des Sofortprogramms 'Perspektive Innenstadt' ein Beteiligungsprozess initiiert werden. Eine ausschließlich digitale Veranstaltung soll es nicht geben. Teile unserer Bürgerinnen und Bürger würden hierdurch ausgeschlossen. Auch wenn eine Präsenzveranstaltung unter 2Gplus denkbar wäre, passt sie nicht in die Zeit. Kontaktvermeidung ist jetzt das Gebot der Stunde, damit wir alle im Kreise unserer Liebsten ein frohes Weihnachtsfest verbringen können", so Lukanic weiter.

Doch über die grundsätzlichen Maßnahmen, für die nun Geld zur Verfügung steht und die die Innenstadt "wiederbeleben" sollen, können die Bürger bei einer verschobenen Veranstaltung dann nicht mehr mitreden, denn der Ausschuss für Bau, Stadtenwicklung und Umwelt berät bereits heute Abend über insgesamt 18 Projektvorschläge. Am Freitag wird die Vorlage dann ein weiteres Mal im Wirtschaftsausschuss besprochen, bevor sie dann am Montag nicht öffentlich im Verwaltungsausschuss beraten wird, um dann am Mittwoch final vom Rat der Stadt Wolfenbüttel - möglicherweise mit Änderungsergebnissen der Ausschüsse - beschlossen zu werden.

Das sind die Projektvorschläge:


Nachhaltigkeitskonzept Veranstaltungen
Eine Projektagentur begleitet das Veranstaltungsmanagement über ein Veranstaltungsjahr bzw. alle -formate, in denen die Veranstaltungen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit geprüft werden. Nach der Prüfung aller Veranstaltungen werden mit Hilfe von Workshops Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, um diese klimagünstiger für die Zukunft durchführen zu können.

Kostenpunkt: 63.000 Euro -netto-

Akteursdialog Innenstadt
Ziel des Projekts ist die Stärkung des Miteinanders in der Innenstadt von Wolfenbüttel. Es wird kein neues städtebauliches Leitbild oder einen Rahmenplan für die Innenstadt angestrebt. Es geht um die Schaffung einer Struktur, die Eigentümer, Ladeninhaber und Anwohner einbindet, um z. B. im Rahmen verschiedener Projekte oder der kommenden Bauabschnitte der Fußgängerzone zielführend zu interagieren. Aufgabe des Dialogs ist (unter anderem) die Einbindung der Öffentlichkeit in ausgewählte Projekte des Förderprogramms „Perspektive Innenstadt“.

Kostenpunkt: 75.000 Euro

Konzepterstellung zur Prüfung des Einsatzes von Mini-Hubs
Der Lieferverkehr ist für die Geschäfte der Innenstadt notwendig, steht jedoch im Konflikt mit der Aufenthaltsqualität in der Fußgängerzone. Das Konzept „Mini-Hubs“ soll Alternativen aufzeigen, die nachhaltig und klimafreundlich sind.

Kostenpunkt: 50.000 Euro

Neukonzeptionierung Ausschilderungssysteme sowie die entsprechende Umsetzung (Projekt 4+11)
Bisher wird bei der Lenkung des Verkehrs in Wolfenbüttel nicht hinreichend zwischen Zielsuchverkehren der Industrie und touristischen Besucherströmen differenziert. Dies soll künftig mit Hilfe der typisch touristischen braun-weißen Hinweisschilder beginnend ab der A36 bis zu jeder relevanten Einrichtung erfolgen. Auch sollen bspw. touristische Hinweise aufgestellt werden, sofern die Sehenswürdigkeit sich nicht von selber erschließt.

Kostenpunkt: 80.000 Euro -netto-

Realisierung Wissensort Wolfenbüttel (WOW): Zwischennutzung einer Leerstandsimmobilie als multifunktionellen Raum
In einem Leerstand soll ein Lern- und Austauschort für Lehrende, Studierende und die Zivilgesellschaft geschaffen werden. Ziel ist der Wissenstransfer in breite Bevölkerungsschichten zu Kernthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung. Durch die Integration eines kleinen Cafés soll eine längere Verweildauer ermöglicht und durch temporäre Informations- und Serviceangebote der Stadt, des Landkreises, der Ostfalia u.a. ein neuer Anziehungspunkt entstehen.

Kostenpunkt: 150.000 Euro

Umsetzung Pop-Up-Store-Konzept
Die Stadt mietet für den Förderzeitraum 1 bis 2 Leerstände an und gibt diese zu subventionierten Mieten für begrenzte Nutzungszeiten (ca. 4-8 Wochen) ab. Geschäfte/Start-ups können hier ihr Warenangebot für Kunden testen. So besteht die Möglichkeit, kreative Ideen auszuprobieren. Für die Raumnutzung können sich Interessenten mit einem Konzept im Rahmen eines Wettbewerbes bewerben.

Kostenpunkt: 75.000 Euro

„Digitale Fitness – Innenstadt Wolfenbüttel“
Auf Basis einer strukturierten wissenschaftlichen Analyse werden den Unternehmen individuelle Handlungsmöglichkeiten für digitale
Verkaufsansätze aufgezeigt. Die Beratung erfolgt durch eine Ausgründung der Ostfalia unabhängig von Unternehmen und Agenturen. Es wird ein verständlich aufbereitetes Grundlagenwissen zum Thema digitaler Vertrieb/Verkauf zur Verfügung gestellt.

Kostenpunkt: 130.000 Euro

Marketingkampagne zur Digitalisierung des Citygutscheins
Das digitale Gutscheinsystem soll sukzessive in den bisher rd. 100 teilnehmenden Geschäften eingeführt werden und für eine steigende Akzeptanz sorgen. Mit Hilfe einer gezielten Werbe- und Öffentlichkeitsarbeitskampagne sollen das digitale Gutscheinsystem und seine Vorzüge erläutert werden.

Kostenpunkt: 50.000 Euro

Konzeptionierung und Umsetzung eines Co-Working Spaces
Viele Firmen haben im letzten Jahr zahlreiche Möglichkeiten für „Homeoffice“ eröffnet. Nicht alle haben jedoch die entsprechenden Voraussetzungen in der eigenen Wohnung. Diese Entwicklung kann den allgemeinen Trend von „Co-WorkingSpaces“ weiter verstärken. Häufig sind sie mehr als reine Büroflächen und tragen mit ihren flankierenden Angeboten zur Stärkung der Innenstadt bei.

Kostenpunkt: 150.000 Euro

Digitalisierung Wasserwege
Die 22 Jahre alten Informationstafeln sollen geprüft und ggf. abgebaut oder erneuter werden. Weiterhin sollen die 20 Stationen mit AR-Technik / Mixed-Reality per Smartphone vor Ort erlebbar gemacht werden. Zum Beispiel könnten historische Personen über die alten, längst vergangenen Stadtsituationen im AR-Video erzählen. Ergänzend wird es für analoge Nutzer*innen eine Erlebnisbroschüre geben. In die Konzeption/Realisierung sollen interessierte Bürgerinnen und Bürger eingebunden werden.

Kostenpunkt: 71.500 Euro -netto-

Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt z. B. durch Schaffung von Aufenthaltsorten in der FGZ wie mobile Sitzgelegenheiten (zweiteiliges Projekt)

12a: Sicherstellung der Stromversorgung für die Weihnachtsbeleuchtung in der Innenstadt
Die Weihnachtsbeleuchtung wird durch die alte Stromversorgung der Straßenbahn (fuhr bis 1954) betrieben. Die abgängige Stromversorgung soll ersetzt werden.

12b: Mobile Sitzmöbel als Ersatz für die abgängigen Palettenmöbel
Die bisherigen Palettenmöbel waren eine temporäre Lösung, die mittlerweile seit Jahren besteht. Aufgrund der sehr guten Annahme von Aufenthaltsmöglichkeiten sollen professionelle Sitzmöglichkeiten angeschafft werden. Der Vorteil mobiler Sitzmöglichkeiten ist, dass sie in der Fußgängerzone flexibel aufgestellt werden können.

Kostenpunkt: 60.000 Euro

Veranstaltung „Funkenkutsche“ zum 125. Jahrestag der Straßenbahnlinie BS-WF
Siehe Vorlage Kulturausschuss 16.09.2021 (Drs.-Nr. 0141/2021)

Kostenpunkt: 65.000 Euro -netto-

Radabstellanlagen
Durch die zunehmende Zahl hochwertiger E-Bikes steigt das Bedürfnis nach sicheren, witterungsgeschützten Abstellanlagen in der Innenstadt. Die Nutzung von Leerständen in Bestandsbauten soll hier Vorrang vor einem Neubau haben.

Kostenpunkt: 95.000 Euro

Verleihsysteme im Bereich Mobilität
In Wolfenbüttel gibt es derzeit weder Car-Sharing noch BikeSharing Angebote. Damit es für potenzielle Anbieter attraktiv ist, in Wolfenbüttel Angebote zur eröffnen, sind die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen (bspw. entsprechende Flächen im öfftl. Raum zu planen, zu beschildern und auszubauen.)

Kostenpunkt: 135.000 Euro

Mehrwegkampagne Gastronomie
Ab 2023 werden Mehrwegverpackungen in der Gastronomie gesetzlich als Alternative zur Einwegverpackung vorgeschrieben. Mit Hilfe der Kampagne soll im Förderzeitraum sowohl den Gastronomen als auch den Verbrauchern der Umstieg erläutert und damit ein Anreiz zur Umstellung geschaffen werden.

Kostenpunkt: 75.000 Euro

Verstärktes Innenstadtmanagement
Die Umsetzung der zahlreichen Maßnahmen erfordern ein hohes Maß an zusätzlicher Kommunikation mit den vielfältigen Handelsbetrieben in der Innenstadt. Dieser Aufwand kann nicht von der Abteilung Einzelhandelsentwicklung getragen werden, da dort bereits 2/3 der Projekte zusätzlich zur normalen Arbeit umgesetzt werden. Um die Innenstadt zukunftsfähig aufzustellen, wird das Citymanagement für den Projektzeitraum institutionell unterstützt.

Kostenpunkt: 30.000 Euro

Aufstellung eines Trinkbrunnens
Gemäß VA Beschluss vom 13.05.2019 zum Antrag der Ratsfraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN soll in der Fußgängerzone ein Trinkbrunnen installiert werden. Dieser soll nun südwestlichen Stadtmarktes im Bereich des ehemaligen Rathauseingangs umgesetzt und durch das Förderprogramm kofinanziert werden. Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, Aufenthaltsdauer in der Innenstadt zu verlängern.

Kostenpunkt: 55.000 Euro


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