Perli: "Wer mit 14 seinen Gott wählen darf, darf mit 16 seinen Ministerpräsidenten wählen"


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Der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Adasch hat sich während der heutigen Wahlrechtsdebatte im Landtag gegen die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Landtagswahlen und damit gegen eine Änderung der Niedersächsischen Landesverfassung ausgesprochen.

Der CDU-Rechtspolitiker erklärte: „Es gibt weder plausible Gründe für die Abkopplung der Wahlberechtigung von der Volljährigkeit noch Hinweise darauf, dass die Herabsetzung des Wahlalters die Politikverdrossenheit eindämmt.“ Adasch stellte klar: „Das Wahlrecht – ob aktiv oder passiv – muss an die Volljährigkeit gekoppelt bleiben. Populistische Vorstöße, die allein darauf abzielen, sich neue Wählerschichten zu erschließen, sind vollkommen unangebracht.“

Das Wahlrecht sei nicht umsonst an die Volljährigkeit gebunden, erklärte Adasch, „damit wird der Zusammenhang von Rechten und Pflichten des Bürgers verdeutlicht – wie etwa die volle Geschäftsfähigkeit oder die volle Strafmündigkeit“. Gerade am Beispiel des Strafrechts zeige sich indes, dass selbst bei Heranwachsenden oftmals nur von einer eingeschränkten Urteilskraft ausgegangene werde. „Bei den 18- bis 21-jährigen Angeklagten wird vor Gericht nach individueller Prüfung in etwa 70 Prozent der Fälle das Jugendstrafrecht angewendet“, sagte Adasch.

Wissenschaftliche Studien belegten zudem, dass sich Jugendliche durch eine Senkung des Wahlalters nicht zwangsläufig stärker für politische Fragen interessieren ließen. Adasch verwies auf die jüngste Einschätzung des Münsteraner Politikwissenschaftlers Wichard Woyke, der von einer Herabsenkung des Wahlalters abrät. „Woyke hat Recht: Warum sollte ein 16-Jähriger, der nicht einmal einen Handyvertrag ohne Zustimmung seiner Eltern abschließen kann, den Ministerpräsidenten wählen können?“

Ähnlich äußert sich der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Roland Zielke. Er sagte in der Debatte im Niedersächsischen Landtag: „Mit 16 oder 17 Jahren sind Jugendliche noch nicht voll strafmündig und sie sind nur beschränkt geschäftsfähig. Wenn sie aber zugleich voll wahlberechtigt sein sollen, geraten Rechte und Pflichten Jugendlicher aus der Balance.“ Schließlich werde man auch erst mit 18 volljährig und damit auch strafmündig.

Zielke zufolge sind Jugendliche mangels eigener Lebenspraxis leichter zu beeinflussen, zu begeistern und politisch zu verführen als ältere, erfahrenere Menschen. Darüber hinaus gehörten Rechte und Pflichten der Bürger zusammen und seien teilweise an bestimmte Altersstufen gekoppelt. „Das halte ich auch für vernünftig“, meinte Zielke.

Wir veröffentlichen dazu die Rede von Victor Perli, dem stellvertretenden Vorsitzenden und jugendpolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE aus Wolfenbüttel:

[image=5e1764b8785549ede64ccb82]Sehr geehrter Herr Präsident,

meine Damen und Herren,,

heute diskutieren die Menschen in unserem Land nicht über die langweilige Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, sondern über die Frage, ab wann sich junge Menschen an den Landtagswahlen beteiligen dürfen. Wir beantragen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das aktive Wahlrecht für die Wahlen zum Niedersächsischen Landtag von 18 Jahre auf 16 Jahre zu senken. Grundsätzlich würden wir auch einen weitergehenden Schritt unterstützen, aber eine Absenkung muss von breiten politischen Mehrheiten getragen werden. Ein Wahlalter ab 16  - das hat sich gezeigt  - ist heute längst mehrheitsfähig. Im Vorfeld der heutigen Debatte äußerten Vertreter aller relevanten politischen Jugendverbände Unterstützung für diese Initiative - auch die CDU- und die FDP-Jugend.

Und in einer Umfrage des NDR haben sich heute über zwei Drittel der Teilnehmer für die Absenkung ausgesprochen. Wir halten eine solche Regelung erstens politisch für geboten, zweitens rechtlich für zwingend und drittens in der Praxis für bereits erfolgreich erprobt. Zu erstens: Die Festsetzung des Wahlalters ab 18 kommt aus dem letzten Jahrhundert. Nun ist im letzten Jahrhundert nicht alles schlecht gewesen, aber es hat sich doch einiges geändert.  Jugendforscher haben in Studien die veränderten und beschleunigten Sozialisations- und Entwicklungsprozesse der Jugendliche immer wieder beschrieben und aufgezeigt.  In der heutigen Gesellschaft mit veränderten Familienstrukturen und mehr Möglichkeiten an gesellschaftlicher Teilhabe und an einem erheblich breiteren und günstigeren Zugang zu Informationen, beispielsweise über das Internet, seien die Unterschiede zwischen 16- und 18-jährigen nicht mehr so gravierend, dass man daraus den Schluss ziehen müsse, 18-jährige dürften wählen, 16-jährige nicht.  Und genau um diesen Unterschied geht es. Was rechtfertigt es, allen 16-jährigen das Wahlrecht aufgrund ihres Alters zu verweigern und was rechtfertigt es, allen 18-jährigen dieses Wahlrecht zu geben? Aus unserer Sicht gibt es keinen Unterschied zwischen 16- und 18-jährigen, der dieses Ausschluss vom Wahlrecht und diesem Ausgrenzen von Demokratie erlauben würde. Der Bundestag sieht es in anderen Rechtsfeldern übrigens ganz genauso. Nehmen wir das Asylrecht. Hier können 16-jährige als politische Flüchtlinge in Deutschland anerkannt werden. Und zwar nicht, weil ihre Eltern politisch verfolgt sind und sie als Kinder quasi in Sippenhaft genommen werden könnten. Nein, ein 16-jähriger kann als politischer Flüchtling aufgrund seiner eigenen politischen Handlungen als asylberechtigt anerkannt werden. Hier ist er also handelndes Subjekt und mit einem eigenen Willen und eigenem Handlungsbewusstsein. Wenn also das Asylrecht den 16-jährigen ein eigenes bewusstes politisches Handeln zubilligt, dann müssen wir auch konsequent sein und deutschen Jugendlichen ein solches bewusstes politisches Handeln ebenfalls zutrauen.

Und daraus folgt dann zwingend - und hier bin ich bei meinem zweiten Punkt -, dass wir das Wahlrecht ändern. Ich lese Ihnen Artikel 28 Satz 2 des Grundgesetzes einmal vor. Er lautet: „In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.” Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl gebietet es, dass wir keine Bevölkerungsgruppe mit deutscher Staatsbürgerschaft ohne einen überzeugenden Grund von der Wahl ausschließen dürfen. Und es gibt keinen Grund mehr, beim aktiven Wahlrecht die 16-jährigen gegenüber den 18-jährigen zu benachteiligen. Daher ist es zwingend geboten, dass wir den Auftrag aus Artikel 28 unseres Grundgesetzes umsetzen und das Wahlrecht absenken.  Andere Länder haben dies vorgemacht, und wir auf kommunaler Ebene auch. Damit bin ich beim dritten Punkt: Die Praxis gibt uns recht. Bremen war im letzten Jahr das erste Bundesland, in dem auf Landesebene 16- und 17-jährige wählen gehen durften. Der Wahlleiter wertete diese Absenkung als Erfolg. Die Kohorte der Erstwählerinnen und Erstwähler war die einzige Altersgruppe in Bremen, deren Wahlbeteiligung gegen den Trend gestiegen ist. Das zeigt: Die Jugendlichen haben ein Interesse an den Wahlen und wollen ihr Recht wahrnehmen.

Die rot-rote Regierung in Brandenburg hat mit den Stimmen der Grünen die Landesverfassung im letzten Dezember geändert und genau wie in Bremen das aktive Wahlrecht ebenfalls auf 16 Jahren gesenkt. In Österreich können 16- und 17- Jährige seit 2007 sogar an Wahlen auf Bundesebene teilnehmen. Es ist also kein Neuland, das wir hier betreten, sondern wir reihen uns ein in eine konsequente Weiterentwicklung des Wahlrechts. Wir wollen mehr Demokratie und mehr Menschen die Möglichkeit zur Mitbestimmung durch ihre Teilnahme an Landtagswahlen geben.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders von der CDU: wenn man schon mit 14 Jahren seinen Gott wählen darf - dann sollte man mit 16 auch den Ministerpräsidenten wählen dürfen.


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