Am 9. Juni ist Europawahl und vielerorts weisen die Plakate daraufhin! Plakate gehören nun einmal zu einer Wahl und sind somit auch ein Ausdruck unserer Demokratie. Für mich gehören Wahlplakate dazu! Mit Plakaten möchte jede Partei ihre Besonderheiten und ihre Einzigartigkeit dokumentieren. Es gibt interessante Plakate, Plakate die weniger auffallen und Plakate, deren Aussagen den Betrachter förmlich zu weitergehenden Fragen drängen! Die Gestaltung von Wahlplakaten ist wahrlich nicht einfach. So macht man stets den Spagat zwischen ernst zu nehmender / ernst gemeinter Werbung oder Realsatire! Ich kann selbst ein Lied davon singen, betrachte ich heute meine eigenen Wahlplakate von damals!
Nun zur aktuellen Wahlwerbefront. Ein Plakat hebt sich meiner Meinung nach, deutlich hervor! Warum? Ein gehöriger Schrecken fuhr mir in die bis dato entspannten Knochen. An der Kreuzung Grüner Platz in Richtung Innenstadt registrierte ich ein Plakat mit „Auszügen“ des Gesichtsfeldes der Europakandidatin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Nach längerem Hinsehen konnte ich die Kandidatin im Dämmerlicht identifizieren. Es reichte gerade die Rotphase der Ampel, um das Plakat zu erfassen! Liebe FDP, wer hat sich denn das ausgedacht?
Isoliert und ganz für sich betrachtet erinnerte es mich zunächst einmal an meine Schwarz-Weiß-Fernsehzeit in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Im Folgenden wurde ich hin- und hergerissen zwischen den Fragen, haben wir hier ein Bilderrätsel oder die Ankündigung für einen neuen Psychothriller, der in Kürze im Filmpalast gezeigt wird! Meiner blühenden Fantasie entsprang der Verdacht, man habe für die Aufnahme just einen Moment abgepasst, als Frau Strack-Zimmermanns Lieblingskanzler, Olaf Scholz, eine Regierungserklärung vortrug.
Und dann dieser Text! „Es ist nicht egal. Es ist Europa“. Ich fühlte mich postwendend an eine von mir besonders verschmähte Radiowerbung eines Discounters erinnert, in dem ein Mädchen im Grundschulalter in den Äther blökt: „Dann geh' doch zu N…!“
Will man so tatsächlich für Europa werben, für Europa begeistern? Für den europäischen Gedanken, für Frieden, Freiheit, Demokratie und gemeinsame Werte? Will man tatsächlich mit dieser griesgrämig dreinschauenden Senior-Liberalen die Wähler davon überzeugen zur Wahl zu gehen und für ein demokratisches Europa einzustehen? Und will man so die getarnten Biedermeier und offenkundigen Brandstifter von rechts verhindern, die dieses Europa abschaffen wollen und uns ganz offensichtlich lieber in die Fänge des Kriegsverbrecher Putin und seiner Komplizen treiben wollen?
Ganz im Ernst: Für mich und für viele andere ist Europa nicht „FDP-Strack-Zimmermann-Grau“! Europa ist bunt, ist vielfältig, bedeutet Reisefreiheit und bedeutet für mich besonders die Erinnerungen an unsere Städtepartnerschaften und das Kennenlernen anderer Kulturen. Die Diskussionen mit Freunden aus Frankreich, Polen, Rumänien und sonst woher! Und natürlich! Europa ist unsere Zukunft! Auch wenn einiges zu reformieren und zu verändern gilt! Ich bin ganz ehrlich: Ich schätze durchaus die klare Kante der selbst ernannten „Oma Courage“ der FDP, vor allem in der Frage der Unterstützung der Ukraine! Aber so ein medialer Abgesang geht gar nicht!
Ich musste schon kürzlich schmerzhaft den Slogan des vergangenen Bundesparteitages der FDP zur Kenntnis nehmen.„Wachstun#bpt24“! Was ist bitte schön „Wachstun“? Und „wachs“ sagt ein liberales Urgestein und ein Sprachpurist wie der geschätzte FDP-Ratsherr Rudi Ordon zu solchem Wortgehäcksel? Bei derartigen Wortmetzeleien fällt mir beim abendlichen Glas Rotwein sofort ein: FDP - Fast Drei Prozent!
So, das war meine ganz persönliche Bewertung auf eines der bisher aus meiner Sicht herausragenden Plakate dieses Europawahlkampfes! Das nächste Mal beschreibe ich andere Illustrationen politischer Meinungsbildung, die mir jetzt schon ins Auge gefallen sind.
Herzlichst
Ihr Thomas Pink
Pi(n)kant ist die Kolumne von Wolfenbüttels Bürgermeister a.D. Thomas Pink auf regionalHeute.de. Sie erscheint in unregelmäßigen Abständen und gibt allein die Meinung des Autos wieder. Lesen Sie auch die Overtüre "Pi(n)kant: Spezialitäten unserer Zeit" sowie die zuletzt erschienene Pi(n)kant-Kolumne "Gibt es einen Seher im Rat der Stadt?".
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