Schünemanns Gesamtkonzeption gegen Rechtsextremismus im Original - Reaktionen aller Parteien




[image=46601]„Wir wollen jeden Rechtsextremisten in Niedersachsen mit Namen kennen und ihn oder sie aus der Anonymität herausholen“, sagte Innenminister Uwe Schünemann heute in Hannover. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus habe für die Landesregierung höchste Priorität. Dies sei eine Daueraufgabe, die mit aller Entschlossenheit angegangen werde. Bei der Bekämpfung verfolgt das Niedersächsische Innenministerium eine differenzierte Strategie mit umfassenden repressiven und präventiven Maßnahmen, die beständig fortentwickelt und der Gefahrenlage angepasst würden. Kernstück ist die von Innenminister Uwe Schünemann vorgestellte Gesamtkonzeption des Niedersächsischen Innenministeriums gegen Rechtsextremismus: „Rechtsextremismus in Niedersachsen bekämpfen – Demokratie stärken“.

Schünemann erläuterte, dass sich der Rechtsextremismus, insbesondere im gewaltbereiten neonazistischen Bereich in den letzten Jahren stark verändert habe. Deutlich sei ein Abrücken von tradierten Organisationsformen hin zu aktionsorientierten, lockeren Personenzusammenschlüssen zu erkennen, bei denen die persönliche Bekanntschaft mehr zähle, als in offiziellen Strukturen mit zu wirken. Als Beispiel für diese aktionsorientierten Personengeflechte nannte der Minister die Gruppierung „Besseres Hannover“. Diesen Veränderungen werde nun in der Bekämpfung des Rechtsextremismus verstärkt Rechnung getragen. „Künftig verlagern wir den Schwerpunkt der Informationserhebung vor allem auf die gewaltbereiten Personen“, so Schünemann. Ziel sei es, die Rechtsextremisten aus der Anonymität herauszuholen und den Kontrolldruck zu erhöhen. Die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz in diesem Bereich werde weiter intensiviert, die Beobachtung rechtsextremistischer Aktivitäten im Internet ausgebaut.

[image=5e1764bc785549ede64ccc6c]Innenminister Schünemann betonte, dass die Gesamtkonzeption zur Bekämpfung des Rechtsextremismus neben den wichtigen operativen und repressiven Maßnahmen auch vielfältige Instrumente der Prävention und Aufklärung umfasse. Seit Jahren, so der Minister, sei für Polizei und Verfassungsschutz in Niedersachsen die präventive Bekämpfung des Rechtsextremismus ein wichtiger Schwerpunkt.

Für dieses und für das nächste Jahr werde das Innenministerium als wichtigen neuen Baustein ein Programm zur Multiplikatorenausbildung in den Sportvereinen und in den Freiwilligen Feuerwehren starten. Dafür stelle das Innenministerium insgesamt 200.000 Euro zur Verfügung. „In Zusammenarbeit mit Trägern der Erwachsenenbildung sollen Multiplikatoren aus Sport und Feuerwehren qualifiziert werden, die in ihren Verbänden und Vereinen über Rechtsextremismus informieren und eigenständig Projekte umsetzen“, so Schünemann. Verfassungsschutz und Polizei werden hierfür ihr Fachwissen einbringen und Materialien zur Verfügung stellen.
Als weiteren wichtigen Baustein nannte der Minister die Unterstützung der Kommunen in der Bekämpfung des Rechtsextremismus durch die Herausgabe eines Leitfadens für die kommunale Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in Zusammenarbeit mit dem Landespräventionsrat. „Auf örtlicher Ebene kann so dem Rechtsextremismus noch gezielter entgegen getreten werden“, betonte der Minister.

Die Gesamtkonzeption des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport gegen Rechtsextremismus wird in Kürze auf der Internetseite des Ministeriums zum download bereitgestellt.

Das Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus der Landesregierung, das Innenminister Schünemann heutevorgestellt hat, hält die stellvertretende innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Sigrid Leuschner, für „noch deutlich verbesserbar“.

SPD kritisiert Schünemanns Handlungskonzept


Die Extremismusexpertin sagte: „Schünemann hat heute viele Maßnahmen vorgestellt, doch ist es ein Sammelsurium, wo wir einen ganzheitlichen Ansatz gebraucht hätten.“

Leuschner kritisierte, dass alle Maßnahmen allein auf den Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums beschränkt seien. „Um den Rechtsextremismus erfolgreich bekämpfen zu können, müssen wir auch an die Ursachen herangehen. Deshalb wäre ein Konzept, das sozial-, arbeitsmarkt- und bildungspolitische Aspekte einbeziehen würde, erfolgreicher als dieser Katalog“, sagte Leuschner.

GRÜNE: „Licht und Schatten“ in Schünemanns Maßnahmenpaket


Nach der heutigen (Montag) Vorstellung des Programm der Landesregierung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sieht der rechtspolitische Sprecher Helge Limburg “Licht und Schatten” in den Maßnahmen. “Das Paket enthält zwar richtige Vorschläge, zum Beispiel zur besseren Prävention in Sportvereinen und Feuerwehren oder bei Kontrollen im Waffenrecht. Die fortgesetzt einseitige Fixierung auf den Verfassungsschutz als Hauptakteur in der Bekämpfung des Rechtsextremismus ignoriert aber völlig die berechtigte öffentliche Kritik an der Behörde”, sagte der Grünen-Politiker.

Insbesondere die Forderungen nach mehr Verbunddateien, längeren Speicherfristen und einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung würden einen “gefährlichen Angriff auf die Bürgerrechte” unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Rechtsextremismus darstellen. “Anstatt die Aufklärung über mögliches Fehlverhalten auch des niedersächsischen Verfassungsschutzes voranzutreiben und die Ergebnisse dieser Überprüfung abzuwarten, missbraucht der Innenminister die Debatte, um seine Lieblingsprojekte durchzusetzen”.

Limburg kritisierte, dass Minister Schünemann bislang nicht plausibel erklären konnte, wie seine Maßnahmen zu einem frühzeitigeren Erkennen der Terrorakte der NSU hätten beitragen können. Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland schon von 2008 bis 2010 praktiziert wurde, ohne dass sie in irgendeiner Weise zur Aufdeckung der rechtsterroristischen NSU beigetragen hätte. “Wenn Sicherheitsbehörden die Sensibilität für rassistische Hintergründe von Straftaten fehlt, nützen auch längere Speicherungen der Erkenntnisse nichts”, sagte Limburg.

DIE LINKE fordert unabhängige Beobachtungsstelle


DIE LINKE im Landtag hat das heute vom Innenminister vorgestellte Gesamtkonzept im Kampf gegen Neonazis als ungenügend bezeichnet.

Insbesondere Schünemanns Vorhaben, weiterhin V-Leute einzusetzen, stieß bei den LINKEN auf heftige Kritik. „Die Strategie der V-Leute ist gescheitert. Deshalb ist es unverständlich, dass Schünemann weiterhin darauf setzt und sie sogar zu einer tragenden Säule in seinem Konzept macht“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Pia Zimmermann. In der Neonzi-Szene rekrutierte V-Leute seien Neonazis und blieben dies auch trotz ihrer Tätigkeit für den Verfassungsschutz. Es dürfe deshalb nicht riskiert werden, dass staatliches Geld über V-Leute in die militante Neonaziszene fließt. Mit Blick auf die Erkenntnisse über die rechtsterroristische Zelle NSU sei der Informationswert der V-Leute insgesamt in Frage zu stellen. „Der Verfassungsschutz war nicht in der Lage, ein annähernd adäquates Lagebild zur neonazistischen Gefahrenlage zu erstellen und konnte die Menschen nicht vor den terroristischen Taten schützen“, sagte Zimmermann.

Die innenpolitische Sprecherin forderte stattdessen die Einrichtung einer unabhängigen und transparent arbeitenden Beobachtungsstelle. „Sie sollte auf der Arbeit zivilgesellschaftlicher Gruppen aufbauen, die über Neonazistrukturen in ihren Regionen oft viel besser informiert sind als jede Behörde“, so Zimmermann. Die Beobachtungsstelle könnte eine institutionelle Alternative sein, die Lageberichte erstellt, Vorschläge für zivilgesellschaftliche Strategien gegen rechte Gewalt macht und dem Landtag regelmäßig berichtet. „Wir fordern schon lange, im Kampf gegen Rechts auf die Kräfte der Zivilgesellschaft zu setzen“, so Zimmermann.

Wir veröffentlichen die Gesamtkonzeption Rechtsextremismus im Original: Gesamtkonzeption-Rechtsextremismus-16.01.2012


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