[image=5e1764d2785549ede64cd124]Die SPD-Landtagsfraktion macht die Gutachten-Vergabepraxis der Landesregierung zum Thema im Landtag. Hintergrund ist die Kritik des Bundes der Steuerzahler an einem Gutachten zur Rechtmäßigkeit der Beschäftigung von Honorarkräften an Ganztagsschulen, das das Kultusministerium in Auftrag gegeben hatte. Der NDR hatte in der vergangenen Woche darüber berichtet.
„Wir haben die NDR-Berichterstattung zum Anlass genommen, uns die seit 2006 dem Landtag zur Verfügung gestellten jährlichen Auflistungen der von der Landesregierung vergebenen Gutachten vorzunehmen. Dabei sind einige Auffälligkeiten aufgetaucht“, erläuterte die haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Renate Geuter, am Donnerstag in Hannover. So seien allein an das Internationale Institut für Staats- und Europawissenschaften (ISE, Berlin) von Professor Hesse zwischen 2005 und 2010 vier Gutachtenaufträge in einem Gesamtvolumen von rund einer halben Million Euro vergeben worden. „Dabei hatte die Landesregierung mehrfach im Landtag betont, sie sei bei der Verwaltungsmodernisierung nicht auf externen Sachverstand angewiesen. Obwohl extra eine personell gut ausgestattete Stabsstelle gegründet und obwohl mit Herrn Meyerding extra ein Staatssekretär installiert worden war, kaufte man noch für teures Geld Expertisen von Professor Hesse ein“, stellte Geuter fest.
Es falle auf, dass insbesondere bei der delikaten Frage, ob die bestehenden kommunalen Gebietskörperschaften zukünftig überlebensfähig seien, das federführende Innenministerium eben jenen Professor Hesse vorgeschickt habe. „Finanzminister Möllring hat 2004 diese Art von Gutachtenvergabe als ,Flucht der Politik aus der Verantwortung‘ bezeichnet und sich damit über die Vorgängerregierung erhoben. Heute lässt sich feststellen, dass die selbsternannten Oberkonsolidierer ebenfalls gerne Steuergeld aufgewendet haben, um sich hinter Gutachtern zu verstecken“, kritisierte die SPD-Finanzexpertin.
Sie erinnerte zudem an eine Feststellung der damaligen CDU-Oppositions-fraktion, die 2002 rigoros erklärt hatte, dass „bei Gutachten zur Effizienzsteigerung der Landesverwaltung, zur Staatsmodernisierung, zu Personalfragen und Organisationsfragen etc. (…) grundsätzlich hinreichender eigener Sachverstand in den Reihen der niedersächsischen Landesverwaltung vorhanden“ sei. Geuter: „Einmal in der Regierung schienen CDU und FDP offenbar erstaunlich schnell das Vertrauen in die Kompetenz und den Ideenreichtum der Landesbediensteten verloren zu haben.“
Noch fragwürdiger sei die gutachterliche Begleitung beim Verkauf der Landeskrankenhäuser gewesen. „Zwischen 2006 und 2008 hat das Land hierfür 4,216 Millionen Euro zuzüglich Umsatzsteuer ausgegeben. Auftragnehmer waren die Berater von Pricewaterhouse Coopers und Baker McKenzie“, zählte Geuter auf. Allein für eine nicht näher beschriebene „Rechtsberatung“ durch die Anwälte von Baker McKenzie habe das Land 2,47 Millionen Euro zuzüglich Umsatzsteuer berappt.
Die SPD-Finanzexpertin führte weitere Beispiele an, die Fragen aufwerfen: „Warum wurden 2006 fast 590.000 Euro für ein Gutachten zur Evaluation der niedersächsischen Arbeitsmarktprogramme ausgegeben, wenn doch der eigene Sachverstand so hoch ist? Wieso werden noch rechtliche und technische Hilfestellungen beim Projekt TK2010 benötigt, wenn für den Aufbau des integrierten Landesdatennetzes im Bieterverfahren doch der mutmaßlich beste Dienstleister gefunden worden ist?
Geuter kündigte eine Reihe parlamentarischer Anfragen an, mit deren Hilfe in den nächsten Wochen und Monaten die Praxis der Gutachtenvergabe der Landesregierung beleuchtet werden solle: „Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte die schwarz-gelbe Landesregierung die Vorgängerregierung der ,Gutachteritis‘ zulasten der Landeskasse bezichtigt. Wir wollen nun wissen, ob man Wasser gepredigt und Wein getrunken hat. Die genannten Stichproben lassen es vermuten. Insbesondere wollen wir wissen, ob Gutachterleistungen gestückelt worden sind, damit sie unter der Meldepflicht-Grenze von 50.000 Euro liegen.“
Nach Angaben der Landesregierung wurden in den Jahren 2005 bis 2011 insgesamt 791 Gutachten und Sachverständigendienstleistungen zu den unterschiedlichsten Fragestellungen von der Landesregierung in Auftrag gegeben. Davon wurden nur 206 Gutachten mehr oder weniger detailliert beschrieben. 585 Gutachten wurden nur summarisch aufgeführt. Insgesamt gab das Land für die 791 Expertisen 44,46 Millionen Euro (zuzüglich Umsatzsteuer) aus.
mehr News aus Wolfenbüttel