Wolfenbüttel: 2. Fachtagung Medien und Gewalt - Internetkriminalität

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| Foto: Anke Donner)



Cyber Mobbing, Cyber Grooming, Happy Slapping. Worte die vielleicht nicht jedem gleich geläufig sind, aber mit einem hohen Potential wesentlich zur Internetkriminalität beitragen. Was bedeuten diese Wörter und was steckt dahinter? Dazu hielten die Diplom Sozialpädagogin Susanne Pensler und die Justiziarin der Polizeidirektion Braunschweig, Dr. Susanne Graf einen Fachvortrag zum Thema Mediengewalt.

Im Raum "Kenosha" der Lindenhalle fanden sich am Abend nur wenige Interessierte ein, obwohl es um ein aktuelles und brisantes Thema ging: Kriminalität im Internet. Oft noch werden die Ausmaße dieses schwer zu kontrollierenden Problems unterschätzt. Kaum ein Betroffener kann die Gefahren, die das Internet verbirgt, einschätzen. Oder die Scham verbietet ein Öffentlichmachen. Auf ihrer zweiten Fachtagung referierten Susanne Pensler und Susanne Graf über die Gefahren im Internet.

Angefangen vom scheinbar harmlosen Chat, bis hin zu Gewaltvideos, die in den Schulen kursieren. Auf das Handy geladen, brüsten sich Jugendliche mit den Videos. Und übertreten die unsichtbare Linie zur Straftat. Das sogenannte "Happy Slapping" (fröhliches Schlagen) gehört zum Alttag von Jugendlichen und Kindern. Mit "Happy" hat diese Art von Filmen jedoch wenig zu tun. Mehr ist es eine Umschreibung für das Erstellen und Verbreiten von selbstgedrehten Videos, die eine Gewaltszene zeigen. Das Erstellen solcher Filme hat sich zu einem Freizeitspaß entwickelt und findet leider immer mehr Anhänger. Dramatisch dabei ist, dass es oft willkürlich Passanten und Mitschüler trifft. Aus reiner Lust werden Angriffe provoziert und gefilmt. In der Vergangenheit wurde mehrfach in den Medien über solche Angriffe berichtet. Eine Schlägerei in der U-Bahnstation, herausgefordert und gefilmt, nur so zum Spaß. "Anerkennung spielt hier eine wesentliche Rolle", sagt Susanne Pensler. "Die Leute fühlen sich cool und mächtig, wenn sie solche Videos drehen und verbreiten."

Der Begriff Cyber Grooming dürfte nur wenigen etwas sagen. Das Wort Cyber Grooming kommt aus dem Englischen und bedeutet sinngemäß "Das Internet streicheln". Hört sich ungefährlich an, ist es aber ganz und gar nicht. Denn hinter dem Begriff steckt etwas bedrohliches. Es bezeichnet das gezielte Ansprechen von Minderjährigen, mit der Absicht zu sexuellen Kontakten. Also eine sexuelle Belästigung im Internet. Ältere Menschen, meist Männer, nehmen unter falschen Namen Kontakt zu Kindern auf. Sie machen sich jünger und attraktiver und erschleichen sich so das Vetrauen ihres "Chatpartners". Wenn hier nicht Eltern und Erziehungsberechtigte schnell eingreifen, nimmt es oft ein schlimmes Ende. Da wird aus einem scheinbar harmlosen Flirt unter "Kindern" schnell ein sexueller Übergriff, der auch den Weg in die reale Welt finden kann.
Genauso dramatisch, aber ebenfalls unterschätzt ist das Thema Cyber Mobbing. Hier mal eine Beleidigung und dort mal eine Beschimpfung. Nichts schlimmes, denkt man sich. Aber gerade in den sozialen Netzwerken wie Facebook und Schüler VZ stehen Kinder und Jugendliche unter Beschuss. Geschriebene Beschimpfungen lassen sich doch schneller und einfacher formulieren. "Und genau dort liegt auch das Problem", erklärt Susanne Pensler. "Die Hemmschwelle ist niedriger, wenn man seinem "Feind" nicht in die Augen blicken muss." Beschimpfungen an Pinnwänden der Netzwerke, aufwiegeln und anstiften zu Straftaten, Verleumdungen und Terror bestimmen oft das virtuelle Leben.

Die Diplom Sozialarbeiterin Susanne Pensler veranschaulicht diese und andere Gefahren in einer Präsentation und gibt Fallbeispiele.
"Vor nicht langer Zeit wurde ein Schüler so sehr drangsaliert und gehetzt, dass er mit der Situation nicht mehr umgehen konnte. Der Schüler löste das Problem auf seine Weise und sah nur noch einen Ausweg. Den Tod..."

Ein anderes Beispiel:
"Ein Mädchen chattet mit einem vermeintlichen "Freund" im Internet. Es werden Interessen, Hobbys und Vorlieben ausgetauscht, ehe es zum Treffen kommt. Arglos verabredet sich das Mädchen mit seiner neuen Bekanntschaft. Nur der aufmerkamen Mutter ist es zu verdanken, dass hier nichts schlimmeres passiert ist. Diese verfolgte den Chatverlauf ihrer Tochter und alarmierte die Polizei. Am verabredeten Treffpunkt wartete bereits die Polizei auf den Straftäter."

Klingt wie aus einem schlechten Film, ist aber bittere Realität. Und das auch hier bei uns, in unserer Nachbarschaft. Die Täter bleiben meist unerkannt und treiben weiterhin ihr Unwesen. Zumindest was das Cyber Grooming angeht.

Anders sieht es beim Cyber Mobbing aus. Oft wird Susanne Pensler von Lehrern, Eltern und Schülern auf den virtuellen Spießrutenlauf aufmerksam gemacht. Dann greift sie ein, berät und klärt auf. "Meist geht das Mobbing aus dem unmittelbaren Umfeld hervor. Plötzlich werden Freunde zu Feinden", klärt sie auf. Was darauf folgt ist eine Hetzjagd über das Internet. Eine Starftat ist es jedoch erst dann, wenn die Grenzen zwischen der virtuellen Welt und dem wirklichen Leben verschwimmen. Wenn aus Mobbing, Stalking wird.
Der Grat zwischen der virtuellen und der realen Gewalt ist schmal. Auch das ist Inhalt der Fachtagungen. Wann mache ich mich einer Straftat schuldig? Wenn ich gewaltverherrlichende Videos anschaue, oder wenn ich sie verbreite? Wann werden Urheberrechte verletzt und wann wird aus einem Streich eine strafbare Handlung?
Das größte Problem sehen Susanne Pensler und Susanne Graf in der Anonymität des Internets. Hier kann jeder sein Unwesen treiben, ohne aufzufallen. Und es gibt nichts, was es nicht gibt. Eine Anleitung zum Bau einer Bombe? Kein Problem, das Internet hilft. Foren für Selbstmörder, Magersüchtige, Kinderschänder und Gewaltverbrecher machen der Polizei und der Jugendhilfe sorgen. Schließt sich eine Plattform, öffnen sich zwei neue. Den Grund, dass die Internetkriminalität stetig steigt, vermuten die Expertinnen auch darin, dass das "Tatwerkzeug" immer zugänglich ist. Und es gibt eine hohe Dunkelziffer, erklären sie. Delikte werden meist sehr spät, oder garnicht erkannt. Es ist so gut wie unmöglich die Täter dingfest zu machen oder zu kontrollieren.
Einzig in der Aufmerksamkeit, der Aufklärung und der Kontrolle von Eltern, Lehrern und Sozialarbeitern liegt eine Chance, auf die Gefahren im Internet hinzuweisen. Sie vielleicht einzudämmen.
Was Susanne Pensler und Susanne Graf in ihrer interessanten und aufschlussreichen Präsentation schildern, gibt zu denken. Täglich setzen wir uns und unsere Kinder den Gefahren des Internets aus. Manchmal arglos verfolgen wir die Einträge in den Netzwerken, nicht ahnend, dass dahinter eine wirkliche und echte Bedrohung stecken könnte. Bedenken nicht, dass wir durch das bloße anschauen von Videos vielleicht eine Strafttat begehen. Können oft nicht zwischen realtität und virtualität unterscheiden.
Das World Wide Web ist nicht durchweg schlecht. Aber es birgt Risiken, die es abzuschätzen gilt. Wir können uns auch weiterhin durch die unendlichen Weiten des Internets bewegen. Mit der richtigen Mischung aus Achtsamkeit, Kontrolle und Aufklärung.

Wer sich für die Gefahren des Internets interessiert und sich mehr Aufklärung wünscht, ist gerne zu der nächsten Fachtagung eingeladen. Am 13. November 2012 ab 18 Uhr wird in der Lindenhalle die dritte Fachtagung zum Thema "Psychosoziale Risiken der Internetnutzung für Kinder und Jugendliche" stattfinden.


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