Wolfenbüttel: Autofreie Okerbrücke zwischen Jägermeister und JVA? - Bauausschuss genehmigt Prüfauftrag

von Romy Marschall


| Foto: Romy Marschall



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Stefan Brix erläutert den Antrag der Grünen-Fraktion für eine neue Okerbrücke Foto:



Entlastung für den Grünen Platz und Minimierung der Unfallgefahr für Radfahrer - insbesondere radelnde Schüler - solle sie bringen, eine neue Brücke über die Oker auf Höhe der ehemaligen Bastion Philippsberg. Nun - ein dreiviertel Jahr nach dem ersten Einreichen des Antrags durch die Grünen - einigte sich der städtische Bauausschuss schließlich auf die Prüfung des Vorschlags.


Unter Vermeidung des Neuen Weges radelt man künftig über die Räubergasse, an Jägermeister vorbei, durch den schönen Friedhofspark und dann weiter entlang des Walls um die Justizvollzugsanstalt (JVA). Klingt nach einer schönen Vision für alle, die im Norden Wolfenbüttels wohnen und in Richtung Innenstadt unterwegs sind.
Die Verwaltung wird beauftragt, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Fußgänger-/Radfahrerbrücke über die Oker auf Höhe der ehemaligen Bastion Philippsberg (vom ehemaligen Friedhof an der Friedrich-Wilhelm-Straße zum Weg zwischen Oker udn JVA) aufzuzeigen und die Kosten für eine solche Brücke zu ermitteln.

Vier Argumente liefert der gerade zitierte Antrag, den die Fraktion der Grünen bereits im April diesen Jahres einreichte (WolfenbüttelHeute.de berichtete damals). Erstens sei an den beiden Knotenpunkten Grüner Platz und Juliusmarkt/Marktstraße die Situation für Fußgänger und Radfahrer gegenüber dem restlichen Verkehr deutlich benachteiligt. Kurze Ampelphasen mit langen Wartezeiten, zu enge Fußwege, zu schmale oder gar keine Radwege und zu enge Aufstellflächen kennzeichneten die derzeitige Lage. Eine Verbesserung sei nicht absehbar, heißt es in dem Papier.

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Blick auf die Kreuzung Wilhelm-Raabe-Str./Friedrich-Wilhelm-Str./Jägermeisterstraße in Richtung des alten Friedhofs Foto:



Zweitens minimiere die oben beschriebene Verlagerung die Gefahren für Fußgänger und Radfahrer. Die Kreuzung an der Jägermeister-Zentrale sei wesentlich übersichtlicher und weniger stark belastet. Eine Verkehrslenkung im vorgeschlagenen Sinne hätte zudem positive Auswirkungen auf die Situation Räubergasse/Neuer Weg unmittelbar neben der Bushaltestelle, führt die Grünen-Fraktion im Antrag aus.

Drittens verbessere sich die Situation für die Schüler der Großen Schule, IGS Wallstraße und Grundschule Karlstraße. Schüler der Großen Schule würden zumindest morgens zwangsläufig in die richtige Verkehrsrichtung fahren, nachmittags sei dafür jedoch noch die zusätzliche Verbesserung der Situation am Rosenwall erforderlich. Schüler der IGS und Karlstraße führen entlang des Gefängniswalls über die zukünftig verkehrsberuhigte Kreuzung Wallstraße/Landeshuter Platz zu ihren Schulen, heißt es dazu im Antragspapier. Die im Rahmen der Verkehrsberuhigung für beide Radfahrrichtungen freigegebene Wallstraße wäre von Jägermeister kommend eine Trasse in die Innenstadt.

Viertens bedeute eine erhöhte Frequenz in der Wallstraße und am Gefängniswall - gepaart mit der Einrichtung einer Beleuchtung - auch mehr soziale Sicherheit für den Einzelnen, betonen die Grünen in ihren Vorschlag. Hintergrund des Fraktionsantrages sind also neben der Verkehrsentlastung vor allem die Verbesserung des Radverkehrs und  Sicherheitsaspekte.

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Blick durch die Parkanlage am alten Friedhof in Richtung Oker und JVA Foto:



Gerade aus dem letzten Punkt ließe sich folgern, daß durch eine forcierte Erhöhung der Frequenz im Friedhofspark, am Gefängniswall und in der Wallstraße dieser Teil der Stadt sich beleben und damit wieder einer öffentlichen Nutzung zugeführt würde. Keine Beachtung fanden bei der Argumentation von Punkt 3 die Grundschüler der Geitelschule, die - wenn sie den Hort der Kita am Herzogtore besuchen - von einer solchen Brücke profitierten.

Anders jedoch verlief die Diskussion im Bauausschuss am vergangenen Dienstag. Hier regte sich breiter Widerstand aus verschiedenen Lagern wie bereits im Frühjahr des Jahres. Für die CDU-Fraktion sah Birgit Oppermann keinen Bedarf, die bereits beschlossene Umgestaltung hinsichtlich einer Verkehrsberuhigung an der Wallstraße würde ausreichen. Insgesamt wolle man in der Stadt doch in Richtung "shared space" gehen, "das könnte auch eine Lösung für den Grünen Platz sein."



Das verkehrs- und stadtplanerisches Konzept  "Shared Space" wurde ursprünglich in den Niederlanden von Hans Monderman in den 1990er Jahren entwickelt. Untersuchungen belegen die Verwirklichung der mit der Umsetzung angestrebten Ziele: Verringerung der Unfallzahlen und Steigerung der Lebensqualität durch Integration des Verkehrs. Wesentliche Merkmale von shared space sind beispielsweise der Verzicht auf Bordsteinkanten, der Verzicht auf eine Überregulierung sowie die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer.

Stefan Brix beantwortete den Einwand der CDU-Fraktion - in seiner Funktion als Fraktions- und nicht Ausschussvorsitzender - mit folgender Prognose: "Am Grünen Platz werden wir keinen shared space hinbekommen." Auf telefonische Nachfrage unserer Redaktion erläutert Brix seine Aussage dahingehend, daß es bereits bei der Gestaltung des Holzmarktes keine politische Mehrheit für eine Lösung mit shared space gegeben habe. Zudem sei der Grüne Platz "kurz davor eine rein technische Verkehrsanlage zu sein," äußert sich der verkehrspolitische Sprecher. Es gäbe kaum Geschäfte und daher müsse man ernsthaft überlegen, "ob shared space dort sinnvoll ist, auch wenn es technisch machbar ist," führt Stefan Brix weiter aus, "schließlich handelt es sich um eine der größten Kreuzungen der Stadt." Sinnvoller sei seiner Meinung nach die Überlegung, den Kreisel am Herzogtore als shared space zu gestalten.

Gleichwohl stimme er Frau Oppermann zu, so der Grünen-Politiker, daß eine Verbesserung der Radverkehrssituation in der Friedrich-Wilhelm-Straße und Marktstraße eine verkehrstechnisch bessere Lösung als die Brücke sei. "Aber die ist auch wesentlich teurer," führt er einwendend weiter aus.

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Vor der 14. Sitzung des Bauausschusses der Stadt Foto:



Im Bauausschuss problematisierte Torsten Ohms für die SPD-Fraktion im Hinblick auf die Okerbrücke, daß "die Kosten nicht im Verhältnis zum Nutzen stehen." Der Friedhof sei nicht städtisches Eigentum, müßte also aufgekauft werden und "zudem handelt es sich um ein Landschaftsschutzgebiet," beendete er seine Einwände.

Werner Heise teilte daraufhin mit, daß die Piraten sich für den Antrag aussprechen und machte die SPD-Fraktion darauf aufmerksam, daß es sich zunächst nur um einen Prüfauftrag an die Verwaltung handele: "Es ist klasse, daß Sie die Kosten schon kennen, wo das doch erst geprüft werden soll." Heise merkte ferner kritisch an, daß man nicht einerseits ständig von der Verbesserung des Radverkehrs sprechen und andererseits einen einfachen Prüfauftrag ablehnen könne. Grünen-Sprecher Brix schloß sich diesen Ausführungen an und zeigte sich enttäuscht von der vielbeschworenen Förderung des Radverkehrs.

In einer Stellungnahme verweist Thilo Neumann vom Kreisverband Wolfenbüttel des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) darauf, eine solche Verbindung vor einigen Jahren bereits in die Diskussion gebracht zu haben. Mittlerweile werde die Brücke aber nicht mehr priorisiert, heißt es in der Email weiter. "Denn die Haushaltsmittel für den Bereich Rad- und Fußverkehr sind so gering, dass andere Maßnahmen, die dringender sind, wegen der Brücke noch weiter verschoben werden müssten," so die Sorge des Fahrradclubs.


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