Wolfenbüttel: Eine Klassenfahrt in die Vergangenheit - Diakonie-Kolleg besuchte das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz

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| Foto: Kolleg- Harald Röleke)



Der Kurs 11-14 des Diakonie-Kollegs Wolfenbüttel besuchte in der letzten Woche das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz in der Nähe von Krakau. Sie wollten auf den Spuren wandeln, die die Deutschen im zweiten Weltkrieg hinterlassen haben, sehen und fühlen, was der Holocaust angerichtet hat.

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Die Gedekstätte in Auschwitz. Hier sind große Tafeln zum Gedenken der Opfer eingelassen wurden ( Foto: H. Röleke)



Vorab sei gesagt, dass es sich um eine Klasse handelt, die sich im zweiten Lehrjahr der Altenpflege befindet. Die "Schüler" sind Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, jeder von ihnen hat die Geschichte um die Massenvernichtung anders gelernt, gehört und vermittelt bekommen. Aber eines hatten alle gemeinsam - sie wollten dort hin, wo Landsleute vor mehr als 60 Jahren Schrecken, Leid und Tod verbreitet haben. Sie wollten nach Auschwitz, in eines der größten Konzentrationslager des zweiten Weltkriegs.

Die Klasse bat um eine Klassenfahrt nach Auschwitz und stieß bei Schulleiter Harald Röleke und Klassenlehrerin Sylvia von Hinüber auf Verständnis. Und so machte sich die Klasse an die Organisation ihrer ungewöhnlichen Klassenfahrt. Vier Tage Krakau lagen vor ihnen, an einem wollten sie die Gedenkstätte besuchen.

Voran gegangen war der Wunsch nach Verständnis ihren Patienten gegenüber. "Wir wollten das, was die alten Menschen erlebt haben, verstehen", erzählen die Schüler. "Nicht nur zuhören, sondern verstehen und vielleicht erreichen, dass Menschen sich öffnen und ihr Erlebnis mitteilen. Manche haben das Schreckliche dieser Zeit nie verarbeitet, oder haben es verdrängt."

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Der Kurs 11-14 des Diakonie-Kollegs Wolfenbüttel Foto:



Innerhalb der Klasse und während des Unterrichts wurde das Thema immer wieder aufgegriffen und diskutiert. Jeder hatte einen anderen Bildungsstand über den Krieg und sein Ausmaß.
"Wir haben früher in der Schule nie intensiv über den Krieg gesprochen. Zwar wurde es angeschnitten, aber nie in der Tiefe behandelt", erzählt Nicole Hornberger. Das bestätigen auch ihre Klassenkameraden. "Die Geschichte der Opfer wurde einem nie nahe gebracht. Dort zu sein, macht einem erst das ganze Ausmaß bewusst", sagt Marie Lampe.

Und das Ausmaß traf die Gruppe mit voller Wucht. Schock, Trauer, Scham und Wut über das, was 1,1 Millionen Menschen dort widerfahren ist, machte sich unter ihnen breit.

"Natürlich fand ich es interessant, auf den Spuren der deutschen Geschichte zu wandeln, aber mir ging es gar nicht gut dabei. Ich habe mich fremdgeschämt für unser Land und unsere Vorfahren", erzählt Nicole Hornberger. "Der Anblick der Kammern trieb mir die Tränen in die Augen."

Wie ihr, erging es auch den Klassenkameraden. Jeder hatte das gleiche bedrückende, traurige und erschreckende Gefühl, ein Teil dieser Geschichte zu sein.

"Ich fand die Vorstellung was dort mit Kindern passiert ist sehr schlimm. Ich bin selber Vater und finde es ganz schrecklich", sagt Björn Bischoff betroffen.

"Dort in Auschwitz zu sein ist, ist etwas anderes, als es nur erzählt zu bekommen. Es ist grausam, was da passiert ist", fügt Saskia Siemann hinzu.

Auch für die Lehrkräfte war dieser Ausflug ein ganz besonderer. Harald Röleke, Schulleiter des Kollegs, war ebenso erschrocken und beschämt wie seine Schüler. Aber er war auch stolz auf sie und die Disziplin, mit der sie Auschwitz besucht haben.

"Das Gefühl, dass die Deutschen für dieses Leid verantwortlich waren, ist sehr bedrückend", erzählt Röleke. Seine Schüler fand er toll an diesem Tag. "Alle sind diesem Ort mit so viel Respekt begegnet, das fand ich wirklich großartig."

Klassenlehrerin Sylvia von Hinüber wurde von den gleichen Gefühlen ergriffen. Sie hatte schon mehrere Konzentrationslager besucht. Aber Auschwitz ist mit seiner Größe schon eine ganz andere Dimension, als beispielsweise Bergen-Belsen.

"Uns sind dort Polen und Israelis begegnet und das war für uns als Deutsche ein komisches Gefühl. Die haben sicher gemerkt, dass wir aus Deutschland waren. Was mögen die wohl gedacht haben?"

Die Erfahrungen sind der Klasse anzumerken. Noch heute, eine Woche später, ist die Betroffenheit groß und spürbar. Sie alle sind ein Teil dieser Geschichte und wollen es auch sein. "Es ist ein Teil unseres Landes und darf nicht in Vergessenheit geraten. Sicher schämen sich manche Menschen in Deutschland  für das, was ihre Vorfahren angerichtet haben. Das Bild, was sie in der Welt hinterlassen haben, wird noch lange, wenn nicht gar für immer, in den Köpfen der Menschheit sein. Aber deshalb darf dieser Teil nicht weg geschwiegen werden", da ist sich die Klassen einig.

"Die Geschichte muss wach gehalten werden. Wir sollten vermitteln und mitteilen, damit unserer Nation nie wieder so ein Fehler passiert", so Sylvia von Hinüber.

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Besichtigung des Block 10 im Lager ( Foto: H.Röleke)



Besonders erschreckend für die Klasse war die Perfektion, mit der man die Massenvernichtung vollzogen hat. Wie ausgeklügelt das System war, um Menschen zu ermorden. Die damalige Wirtschaft hat Maschinen in solch einer Präzision entwickelt, um möglichst viele Menschen umzubringen und hat so ganze Nationen ausgelöscht. Das Gelände war so konzipiert wurden, dass es keinerlei Grünflächen besaß. Und wenn doch einmal Knospen blühten und Gras wuchs, wurde es von den Gefangenen gegessen, denn gute und nahrhafte Lebensmittel waren nicht für sie bestimmt. Sie ernährten sich von Abfall und verdorbenen Speiseresten. Menschen wurden selektiert, nach Herkunft, Hautfarbe und Religion. Zum Schluss noch nicht einmal mehr das. Willkürlich wurden sie hingerichtet. Eine grausame Vorstellung, die die Klasse geprägt und zum Nachdenken angeregt hat.

An der Gedenkstätte, an der für die Opfer jeder Nation große Platten  niedergelegt wurden, hielten die Schüler inne, erzählen sie. Sie trauern und bedauern, jeder für sich. Gedenken der Opfer und versuchen zu verstehen. Eine offizielle Zeremonie am Denkmal wollten sie nicht. "Niemand sollte sich gezwungen fühlen, jetzt und hier den Opfern zu gedenken. Das sollte jeder für sich entscheiden", erklärt Sylvia von Hinüber.

Nach der Fahrt war das Bedürfnis nach mehr Informationen sehr groß. Noch größer war aber das Bedürfnis zu reden."Wir wollten das Erlebte verarbeiten, verstehen und erzählen. Vieles ist einem zu Hause erst richtig bewusst geworden", erzählt Marie Lampe und spricht ihren Mitschülern aus der Seele.

Der Gedanke an diese Zeit und an das Verbrechen, das an der Menschheit begangen wurde, sollte uns nachdenklich werden lassen. Unbequem ist die Wahrheit, aber auch ein Teil unserer Geschichte...






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