Wolfenbüttel: Mehr Schutz für Kinder und Jugendliche erwünscht - Führungszeugnis auch im Ehrenamt?

von Romy Marschall




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Eine Briefmarke aus dem Jahr 2008 Foto:



In seiner letzten Sitzung hat der Jugendhilfeausschuss des Landkreises Wolfenbüttel über die Verbesserung des Schutzes von Kinder und Jugendlichen beraten. Die Überprüfung des polizeilichen Führungszeugnisses, wie sie für die hauptberufliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bereits verpflichtend ist, soll ausgeweitet werden. Auch im Ehrenamt könnte sie künftig vorgeschrieben sein, wenn die Kontaktform eine erhöhtes Mißbrauchsrisiko aufweist. Die vom Jugendhilfeausschuss erwartete Entscheidung wurde aufgrund notwendiger Nachbesserungen der Beschlussvorlage bis zur nächsten Sitzung im Mai vertagt.


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Kreisjugendpfleger Carsten Ziebarth stellte die Verwaltungsvorlage vor Foto:



Damit werde die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes vorangetrieben, erklärte Carsten Ziebarth. Der Kreisjugendpfleger machte deutlich, "wir haben die Vereine und Verbände frühzeitig mitgenommen und wollen gemeinsam strategisch vorgehen." Nach § 72 des achten Sozialgesetzbuches sind "einschlägig vorbestrafte Personen" von einer Tätigkeit in der Kinder- und Jugendarbeit auszuschließen.

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Muster eines polizeilichen Führungszeugnisses Foto:



Bislang galt diese Pflicht zur Überprüfung seitens des Jugendamtes nur für Beschäftigte oder vermittelte Personen. Nun sollen auch Personen, die ehrenamtlich oder nebenamtlich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten ein Führungszeugnis vorlegen. Dazu müßte der entsprechende Mitarbeiter beim Bürgeramt ein solches Zeugnis beantragen und dem Träger zur Sichtung vorlegen. Als Nachweis für eine ehrenamtliche Tätigkeit solle das Führungszeugnis kostenfrei bleiben, erläutert Ziebarth die Bestrebungen. Nach der Prüfung verbleibe es dann im Privatbesitz.

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Ort des Ehrenamts. Quelle: skverlag Foto: skverlag



Da die Kinder- und Jugendarbeit auf ehrenamtliches Engagement angewiesen ist, will man vermeiden, daß ein Gefühl von Kriminalisierung entsteht. Deswegen soll ein Kriterienkatalog aufgestellt und nur bei erhöhter Gefahrenlage Einsicht in das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis genommen werden, so lautete die Verwaltungsvorlage. Im Gespräch mit den Trägern soll eine Vereinbarung die entsprechenden Aufgaben bezeichnen, für die eine Sichtung des Zeugnisses notwendig sei, so die Verwaltung.

Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es sich um Einzelmaßnahmen handelt, ein großer Altersunterschied besteht oder eine Begegnung in nichtöffentlichen Räumen stattfindet. Eine erhöhte Gefährdung liegt auch vor, wenn Kinder und Jugendliche aufgrund von Behinderungen in besonderem Abhängigkeitsverhältnis stehen oder die Tätigkeit in die Privat- oder Intimsphäre eingreift.

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Holger Barkhau (2.v.r.) diskutiert über den Kriterienkatalog Foto:



Der Kriterienkatalog stieß aber in der Politik auf Kritik. Holger Barkhau (Grüne) verwies auf die Praxis und erklärte die Kriterien für strittig. Beate Ulrich als Vertreterin der freien Jugendhilfeorganisationen pflichtete ihm bei. Barkhau forderte das Führungszeugnis für alle Ehrenamtlichen, die direkten Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, um "größtmöglichen Schutz gegenüber Kinder zu gewährleisten". Zustimmung erhielt er dafür aus der CDU-Fraktion. Nach einiger Diskussion verständigten sich die Ausschussmitglieder darauf, daß man über institutionelle ehrenamtliche Tätigkeiten spreche und nicht "über den Vater, der die Jungs samstags zum Fußball fahre", wie Jugendamtsleiterin Sabine Walter illustrierte.

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Programmheft der EFB Foto:



Die Leiterin der Evangelischen Familienbildungsstätte (EFB) Ute Klinge führte aus, in der EFB sei schon seit Jahren gängige Praxis, daß alle Mitarbeiter ein Führungszeugnis vorlegten: "Das versteht jeder. In dem Moment, wo eine Institution das fordert, setzt sie ein deutliches Signal: da achtet jemand darauf." Als weitere Präventivmaßnahme brachte Kreisjugendpfleger Ziebarth schließlich gesonderte Schulungen ins Spiel, die beispielsweise in die JuleiCa-Ausbildung integriert werden sollen.

Zur Umsetzung des Kinderschutzes gehöre auch die Qualifikation und Sensibilisierung aller in der Kinder- und Jugendarbeit tätigen im Bereich der Kindeswohlgefährdung oder sexualisierter Gewalt, damit Anzeichen rechtzeitig erkannt werden können. Holger Barkhau gab zu Bedenken: "jemand, der mißbrauchen will, werde auch nicht durch Schulungen daran gehindert". Zudem handle es sich häufig um Wiederholungstäter.

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Martin Albinus forderte Nachbesserung. Foto: SPD



Martin Albinus (SPD) wies indes auf zwei Punkte hin, die in der Formulierung der Verwaltungsvorlage unklar seien: erstens die Frage der Wiedervorlage des Führungszeugnisses und zweitens die Frage des Datenschutzes. Er mahnte zudem an, "nicht eine abschließende Aufzählung der Tätigkeiten vorzunehmen, für die eine Zeugnisvorlage notwendig sei". Vielmehr dürfe es sich dabei in den Vereinbarungen zwischen Jugendamt und Träger der Jugendhilfe nur um beispielhafte Aufgaben handeln. Die Verwaltung zeigte Bereitschaft, an diesen Stellen nachzubessern.

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Die Entscheidung mußte Ausschussvorsitzende Katrin Brandes vertagen Foto: Romy Marschall



Der Vertreter der Wohlfahrtsverbände Ulrich Hagedorn forderte hingegen: "Wir sollten jetzt an den Start gehen und Praxiserfahrung sammeln. Und nicht die Entscheidung vertagen, bis eine endgültige Formulierung gefunden ist." Albinus rief  abschließend dazu auf, "interfraktionell eine Haltung zu finden und nichts übers Knie zu brechen. Wir haben auch die Verantwortung, die Entscheidung des Ausschusses dann in der Öffentlichkeit zu vertreten." Er bat die Verwaltung, bei der Überarbeitung der Vorlage ebenfalls die Frage zu klären, "wie geht man mit Auffälligkeiten um, wenn sie festgestellt werden". Der Ausschuss vertagte seine Entscheidung bis zur nächsten Sitzung im Mai.

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Logo des Projektes "Notinsel" Foto:



Hilfe finden Kinder und Jugendliche auch in rund 30 "Notinseln" innerhalb der Stadt. Seit August 2010 kennzeichnet ein spezielles Logo auch in Wolfenbüttel Orte, an denen Betroffene Zuflucht finden. Das Projekt wurde 2002 von der Stiftung Hänsel + Gretel initiiert und wird in Wolfenbüttel vom Kinderschutzbund unterstützt. Bräuchten die beteiligten Geschäfte und Apotheken jetzt ein Führungszeugnis?


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