Wolfenbüttel: Sigmar Gabriel bestaunt das Städtische Klinikum Wolfenbüttel als "kleines Wunder"

von Romy Marschall




<a href= Sigmar Gabriel beim Rundgang durch die Zentrale Aufnahme">
Sigmar Gabriel beim Rundgang durch die Zentrale Aufnahme Foto: Werner Heise)



 Gestern vormittag besichtigte der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel das hiesige Krankenhaus und ließ sich von der Qualität der Sanierungsmaßnahmen und strukturellen Veränderungen überzeugen. "Sie sind ein kleines Wunder," so das Statement des Politikers nach einem Vortrag von Verwaltungsdirektor Klaus Salge über Status quo, Entwicklungsgeschichte und Zukunftsperspektiven des Klinikums. Gabriel interessierte sich zudem für die medizinische Unterversorgung auf dem Land sowie die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals.


Nachdem der Bundestagsabgeordnete bei der Begrüßung feststellte: "Frauenquote ist hier aber nicht!" führte der Rundgang zunächst in die Zentrale Aufnahme (ZA), deren Neubau vor nunmehr fünf Jahren fertiggestellt wurde. Der Chefarzt der Anästhesie und ärztlicher Leiter der ZA Tobias Jüttner erläuterte die  Umstrukturierungsmaßnahme und betonte als großen Vorteil die bessere Patientenversorgung. Erst werde nach den Beschwerden geschaut und dann entschieden, welcher Facharzt dafür zuständig sei, so die Aussage Jüttners. Ergänzend führte Heinrich Keck, ärztlicher Direktor des Klinikums als weitere Gründe die Verkürzung der Wartezeit, die Stärkung der Interdisziplinarität sowie nicht zuletzt die Kostenersparnis gegenüber vormals geteilten Aufnahmestationen an.

<a href= Sigmar Gabriel im Gespräch mit dem ärztlichen Leiter der ZA, Dr. Tobias Jüttner">
Sigmar Gabriel im Gespräch mit dem ärztlichen Leiter der ZA, Dr. Tobias Jüttner Foto: Werner Heise)



Der SPD-Frontmann hakt aber noch einmal nach: "Ist es nicht gerade so, dass nachts die jüngsten Ärzte arbeiten?" Die Frage zielt auf die Schwierigkeiten hinsichtlich der Qualitätssicherung im 24-h-Betrieb. Der ärztliche Direktor bestätigt die Problematik, versichert aber, dass man im hiesigen Krankenhaus nur bereits erfahrene und eingearbeitete Assistenzärzte im Nachtdienst einsetze. "Sie geben wenigstens offen zu, wo das Problem sein könnte," honoriert der Politiker die Stellungnahme.


Zweite Besichtigungsstation war die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die nun zentrale Anlaufstelle für den Patienten am Wochenende und mittwochs ist mit täglich wechselnden Ärzten im Bereitschaftsdienst, erreichbar unter der europaweit einheitlichen Telefonnummer 116117. "Großartige Idee! Warum sind wir darauf eigentlich nicht eher gekommen?" fragt Sigmar Gabriel nach und erkundigt sich nach der Übertragbarkeit des Modells auf Regionen mit wenigen niedergelassenen Ärzten. Der Geschäftsführer der KV Bezirksstelle Braunschweig, Stefan Hofmann, verweist auf die Gewohnheitsbequemlichkeit und die erst seit Kurzem mögliche freie Wohnortwahl niedergelassener Ärzte. "Der Patient müsse sich daran gewöhnen, dass die medizinische Versorgung künftig in Mittel- und Oberzentren stattfindet," so Hofmann auf die Frage nach der Zukunft der ärztlichen Versorgung.

<a href= Sigmar Gabriel diskutiert mit Stefan Hofmann (KVN), Heinrich Keck (Ärztl. Direktor) und Tobias Jüttner (Chefarzt Anästhesie)">
Sigmar Gabriel diskutiert mit Stefan Hofmann (KVN), Heinrich Keck (Ärztl. Direktor) und Tobias Jüttner (Chefarzt Anästhesie) Foto: Werner Heise)



In doppelter Funktion fragt der SPD-Politiker erneut nach: "Was müssen wir tun, um die Unterversorgung zu verbessern?" Es gäbe zwei Strategien, so die Mediziner, entweder eine mobile Infrastruktur oder eine bessere Bezahlung. Professor Heinrich Keck macht noch auf die Abwanderung junger Mediziner in medizinferne Bereiche aufmerksam, die ebenfalls ein wesentliches Problem darstelle für die Patientenversorgung und korreliert jene mit dem hohen Anteil an Medizinstudentinnen. Die Kerbe kann der Politiker nicht ungenutzt lassen und weist darauf hin, dass hierin eine Chance zu sehen sei. Tobias Jüttner spricht sogleich auch von der "multitasking-Fähigkeit" der Mütter, "die den besten Job machen, solange sie pünktlich um 16 Uhr die Kinder aus der Betriebskita holen können."

Im Verlauf des Besuches ging es immer wieder um klassische Wahlkampfthemen der SPD: Frauenerwerbstätigkeit, Familienfreundlichkeit und Renteneintrittsalter. Im Zentrum der Debatte stand also der demographische Wandel und die mit ihm verbundenen Probleme. Das Krankenhaus sei durch die Einbindung in den Verbund der Sana-Kliniken sowie die Schwerpunktbildung trotz aller Schwierigkeiten als kommunale Klinik wirtschaftlich gut aufgestellt, so Verwaltungsdirektor Salge, "noch!" Da bleibt dem Kommunalpolitiker Gabriel nur ein Fazit: "Gut, dann schicke ich ab morgen alle zu Ihnen, damit Sie denen zeigen, wie es geht."

<a href= Verwaltungsdirektor Klaus Salge beim Vortrag">
Verwaltungsdirektor Klaus Salge beim Vortrag Foto: Werner Heise)



Klaus Salge berichtet in seinem Vortrag über die Stärken des Klinikums, wie beispielsweise den ersten offenen Magnetresonanztomographen (MRT) der Region, "der sieht aus wie ein Hamburger" illustriert er, und endet mit der drohenden Finanzierungslücke aufgrund steigender Personalkosten. Da aber nicht nur der "Pflege-Notstand", sondern auch der medizinische Fortschritt immer mehr Geld kosten, komme man um eine "Steigerung der Krankenversicherungsbeiträge" nicht herum, so sind sich die Anwesenden einig. Einigkeit herrscht auch darüber, dass dem Fachkräftemangel sowie den steigenden Patientenzahlen konzeptionell begegnen muß.

<a href= Sigmar Gabriel erörtert seine Vorstellung eines flexiblen Arbeitszeitkontos">
Sigmar Gabriel erörtert seine Vorstellung eines flexiblen Arbeitszeitkontos Foto: Werner Heise)



Der SPD-Parteivorsitzende beschreibt den demographischen Wandel wie folgt: "Wir machen als erste Nation ein großes industrielles Experiment: wir senken die Beschäftigungszahlen in wenigen Jahren um 5 bis 6 Millionen." Er fordert daher neue Arbeitszeitmodelle, die sowohl zeitliche wie räumliche Schwankungen einer individuellen Arbeitsbiographie berücksichtigen.

Auf die Frage nach weiteren geplanten Sanierungsmaßnahmen, wird seitens des Krankenhauses über laufende Verhandlungen berichtet, denn "Stillstand bedeutet Rückschritt", so der ärztliche Direktor Heinrich Keck. Im Wettbewerb setzt das Klinikum Wolfenbüttel auf Nachhaltigkeit und Patientenbindung, so der Verwaltungsdirektor Salge: "Wir punkten gegenüber Braunschweig durch unsere Überschaubarkeit, durch den familiären Charakter. Wir kennen uns noch."


mehr News aus Wolfenbüttel


Themen zu diesem Artikel


SPD SPD Wolfenbüttel