Diesel–Skandal: Anklage gegen Winterkorn erhoben


Martin Winterkorn und vier weitere Personen müssen sich vermutlich vor dem Braunschweiger Landgereicht wegen mehrerer Straftatbestände verantworten. Symbolfoto: Archiv
Martin Winterkorn und vier weitere Personen müssen sich vermutlich vor dem Braunschweiger Landgereicht wegen mehrerer Straftatbestände verantworten. Symbolfoto: Archiv | Foto: Anke Donner

Braunschweig/Wolfsburg. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat nach Teilabschluss ihrer Ermittlungen im NoX-Verfahren zum sogenannten „Diesel-Skandal“ Anklage gegen fünf Beschuldigte vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig erhoben. Unter ihnen befindet sich auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende Dr. Winterkorn. Das teilt die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit.


Vorgeworfen wird den jeweils als Führungskräften eingestuften Personen eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen, insbesondere ein besonders schwerer Fall des Betruges und ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Darüber hinaus ist für einige der Angeschuldigten der für eine Anklage erforderliche hinreichende Tatverdacht bejaht worden, sich als Täter oder Teilnehmer wegen Untreue, Steuerhinterziehung und mittelbarer Falschbeurkundung strafbar gemacht zu haben. Der Tatzeitraum erstreckt sich auf die Zeit zwischen dem 15. November 2006 und dem 22. September 2015, die individuellen Tatzeiten der Angeschuldigten sind unterschiedlich lang.

Betrug, unlauterer Wettbewerb, Untreue


Dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Martin Winterkorn wird tateinheitlich ein besonders schwerer Fall des Betruges, ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sowie eine Untreue vorgeworfen, weil er es seit dem 25. Mai 2014 als „Garant“ unterlassen habe, nach Kenntnis der rechtswidrigen Manipulationen an Diesel-Motoren diese gegenüber den zuständigen Behörden in Europa und den USA sowie gegenüber den Kunden offen zu legen und den weiteren Einbau der sogenannten „Abschalteinrichtungen“ als auch den Vertrieb der Fahrzeuge mit diesem „defeat device“ zu untersagen. Hierdurch sei es am Ende sowohl in Deutschland als auch den USA zu der Verhängung deutlich höherer Geldbußen gegen die Volkswagen AG gekommen.

Zudem, so der Vorwurf der Anklage, habe der Konzern mit Wissen und Billigung auch des Angeschuldigten Dr. Winterkorn im November 2014 ein Softwareupdate mit Kosten von 23 Millionen Euro durchgeführt, das nutzlos war und dazu dienen sollte, den wahren Grund für die erhöhten Schadstoffwerte im Normalbetrieb der Fahrzeuge weiterhin zu verschleiern.

Den Angeschuldigten wird in der Anklage insbesondere vorgeworfen, „kraft ihres überlegenen Wissens“ über die Verwendung der Abschalteinrichtung wissentlich und willentlich bewirkt zu haben, dass die Ersterwerber der Fahrzeuge bei Vertragsschluss und Kaufpreiszahlung über die Zulassungsfähigkeit getäuscht wurden und das von ihnen gekaufte Fahrzeug wesentlich weniger wert war als die vereinbarte und geschuldete Leistung.

Bonuszahlungen sollen entzogen werden


Die Angeschuldigten hätten in dem Bestreben gehandelt, dem Unternehmen möglichst hohe Verkaufszahlen mit einem möglichst hohen Gewinn zu verschaffen. Von dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens hing letztlich auch das Einkommen der Angeschuldigten, insbesondere deren vertraglich vorgesehene Bonuszahlung, ab. Der Strafrahmen des den Angeschuldigten vorgeworfenen Betruges im besonders schweren Fall (gewerbsmäßiges Handeln und das Herbeiführen eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) beträgt sechs Monate bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Die durch die Tat von den Angeschuldigten jeweils unrechtmäßig erlangten Bonuszahlungen sollen diesen im Strafverfahren wieder entzogen werden. Es handelt sich dabei um Beträge zwischen knapp 300.000 Euro bis hin zu knapp elf Millionen Euro.

Das zuständige Landgericht Braunschweig wird die 692 Seiten starke Anklageschrift und den in 300 Aktenbänden mit rund 75.000 Seiten dargelegten hinreichenden Tatverdacht gegen die Angeschuldigten nunmehr prüfen, schließlich über die Zulassung der erhobenen Anklage entscheiden und im Falle der Zulassung Termine zur Hauptverhandlung bestimmen. Angesichts des außerordentlich großen Umfanges der Ermittlungen und ihrer Ergebnisse kann und wird über die Dauer dieser gerichtlichen Prüfung keine Prognose möglich sein. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die übrigen 36 Beschuldigten des NOx-Verfahrens dauern an. Der Zeitpunkt ihres Abschlusses ist offen.

Identität der weiteren Beschuldigten bleibt geheim


Für die fünf Angeschuldigten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Daher können weitere Einzelheiten zu den konkreten Tatvorwürfen gegen die Angeschuldigten aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht genannt werden können. "Darüber hinaus würden Angaben zum genauen Inhalt der Beteiligung der neben Herrn Dr. Winterkorn angeklagten Personen geeignet sein, Schlüsse auf deren Identität zu ermöglichen", so die Staatsanwaltschaft.


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