Braunschweig. Vergangene Woche gab die Stadt bekannt, dass sie mit der Firma Eckert & Ziegler eine Einigung über die Nutzung der von der mit radioaktiven Stoffen arbeitenden Firma geplanten Halle erzielt habe. regionalHeute.de fragte die im Stadtrat vertretenen Fraktionen, wie sie diesen Kompromiss sehen. Wie erwartet gehen die Meinungen weit auseinander.
Stellungnahme des Grünen Fraktionsvorsitzenden Dr. Rainer Mühlnickel zur Einigung der Verwaltung mit:
„Wir freuen uns, dass es jetzt offensichtlich Bewegung im Streit um den Standort Thune gibt. Wir führen dies unter anderem auf die inzwischen stark verbesserte Zusammenarbeit des Niedersächsischen Umweltministeriums und der Braunschweiger Stadtverwaltung zurück. In der Sache ist allerdings noch Vieles offen.
Als Verbesserung sehen wir die Absicht der Firma, Container mit radioaktivem Material zukünftig nicht mehr offen zu lagern. Allerdings wäre das nur dann eine Verbesserung, wenn sichergestellt ist, dass die auf dem Gelände gelagerten Mengen auf keinen Fall steigen. Darüber gibt es bisher keine Aussage der Firma.
Uns geht es um die Sicherheit der Bevölkerung im näheren und weiteren Umfeld des Betriebs. Diese Sicherheit ist durch die 2004 erteilte Genehmigung für den Umgang mit viel zu viel radioaktivem Material aus unserer Sicht gefährdet. Alle Beteiligten sind sich einig, dass der Standort eines solchen Betriebs so nah an einem Wohngebiet ungeeignet ist. Bei entsprechenden Unfällen könnte dieses direkt angrenzende Wohngebiet radioaktiv verseucht werden. Potentiell gefährdet sind auch die in Firmennähe ansässigen öffentlichen Einrichtungen – Kindertagesstätten, Schulzentrum und Jugendzentrum.
Folgerichtig muss die Stadt bemüht sein, die Situation zu bereinigen und im Rahmen des rechtlich Möglichen alles zu tun, um die Lagerung und den Umgang mit radioaktiven Stoffen an dieser Stelle zu minimieren. Wir werden uns die bisher nur grob umschriebenen Vereinbarungsinhalte genau anschauen, sobald sie unterschriftsreif vorliegen. Soweit sie unseren inhaltlichen Zielen entsprechen werden wir sie natürlich unterstützen.“
Heidemarie Mundlos, Ratsfrau der CDU kommentiert die Abstimmungsgesprächeso:
„Wir begrüßen die nun zwischen der Stadt Braunschweig und Vertretern der Firma Eckert & Ziegler sowie des Landes Niedersachsen gefundene Lösung, denn sie schafft endlich Klarheit und sorgt für Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Insbesondere durch die Kompromissbereitschaft der Firmen ist es zu dieser Einigung gekommen. Gleichzeitig bleibt festzuhalten, dass der jetzt erzielte Kompromiss bereits vor Längerem hätte geschlossen werden können, denn die CDU hat im örtlichen Bezirksrat wie auch im Niedersächsischen Landtag entsprechende Anträge gestellt.
Die Verwaltung hat in ihrer Stellungnahme erneut festgehalten, dass alle strahlenschutzrechtlichen Vereinbarungen nicht Bestandteil dieser Übereinkunft sind, denn für diesen Bereich ist einzig das Land Niedersachsen zuständig. Dieses Vorgehen bestätigt uns in unserer Position.
Im Nachhinein kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass es insbesondere der BISS und den BIBS als deren parlamentarische Vertretung nicht um mehr Sicherheit und Klarheit für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort ging, sondern um die Instrumentalisierung dieses sensiblen Themas im Rahmen von Wahlkämpfen! Den Menschen in Wenden, Thune, Harxbüttel und darüber hinaus wurde wider besseren Wissens Angst gemacht. Die Kinder und die Familienangehörigen der bei den betroffenen Firmen beschäftigten Menschen sowie diese selbst wurden wie Aussätzige behandelt und billigend in Kauf genommen, dass ein Riss durch die Bevölkerung geht.
Nun gilt es aber nach vorne zu schauen und die Verwaltung dabei zu unterstützen, schnellstmöglich einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, der alle getroffenen Kompromisse beinhaltet. Denn von diesem geht nicht nur für die betroffenen Gebiete sondern für die gesamte Braunschweiger Wirtschaft Signalkraft aus.“
Christoph Bratmann (Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und zuständiger Landtagsabgeordneter):
„Ich begrüße das Einlenken von Eckert & Ziegler und die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, auf eine Erweiterung zu verzichten und die neue Halle einzig zur Lagerung zu verwenden. Es ist weiterhin unser Ziel, größtmögliche Transparenz hinsichtlich dessen, was auf dem Firmengelände passiert, zu schaffen und die Sicherheit für die Anwohner zu garantieren. Ihre Bedürfnisse besitzen weiter höchste Priorität.“
Nicole Palm (Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende des Planungs- und Umweltausschusses):
„Dies ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber es gibt noch einige offene Fragen: Geklärt werden muss unter anderemnoch, welchen Umfang die im Rahmen des Bebauungsplans notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung haben wird. Hierzu gibt es derzeit Gespräche zwischen dem Niedersächsischem Umweltministerium und Eckert & Ziegler. Mit der Umweltverträglichkeitsprüfung gilt es sicherzustellen, ob die Baumaßnahme mit ökologischen Faktoren wie beispielsweise Wasser, Luft und Natur verträglich ist.“
Stefan Wirtz, Vorsitzender AfD-Fraktion im Rat der Stadt Braunschweig:
Wir begrüßen die grundsätzliche Einigung in wichtigen Teilfragen. Dies führt zu einer deutlichen Entspannung, vor allem der juristischen Lage. Eckert & Ziegler verzichtet hier auf zustehende Rechte und verpflichtet sich langfristig zu einer Nutzung als Lagerhalle, gegen die keine ernsthaften Bedenken mehr aufkommen sollten. Auch eine Bearbeitung von Abfällen wird dort nicht aufgenommen. Die betroffenen Firmen nehmen deutliche freiwillige Selbstbeschränkungen vor, um die Situation zu beruhigen.
Für die Stadt bedeutet dies eine Vermeidung des Prozessrisikos aus dem bisher anhängenden Gerichtsverfahren, und eine hoffentlich nun reibungslose Aufstellung des neuen Bebauungsplans. Die AfD-Fraktion ist zuversichtlich, dass die weiteren Verhandlungen auf sachlicher Ebene ungestört fortgeführt werden können. Damit kann ein lange schwelender und nach unserem Empfinden überflüssiger Streit endlich beigelegt werden, ohne dass der Stadt weitere empfindliche Niederlagen vor Gericht drohen.
Für die FDP-Fraktion äußert sich Mathias Möller, Mitglied im Planungs- und Umweltausschuss, wie folgt:
„Die FDP-Fraktion begrüßt die Einigung in diesem Punkt und sehen die Stadt und die Firmen auf einem guten Weg. Es zeigt sich hier, dass es hilft, miteinander zu reden und wir sind froh darüber, dass Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer auf der einen und die Vertreter von Eckert und Ziegler auf der anderen Seite gleichermaßen an einem Kompromiss interessiert sind.
Den Hallenbau sehen wir als klare Verbesserung – so müssen die Container nicht im Freien herumstehen. Ich bin zuversichtlich, dass es auch für andere Streitpunkte Einigungen durch Gespräche geben kann und hoffe, dass beide Seiten ihre Kompromiss- und Gesprächsbereitschaft behalten.“
BIBS-Ratsherr Peter Rosenbaum zur „Einigung“ zwischen Stadt und Eckert & Ziegler:
„Diese angebliche ‚Einigung‘ löst keines der Probleme mit dem Atommüll. Im Gegenteil: Die illegal zwischengelagerten Container würden akzeptiert, obwohl ein Zwischenlager atomrechtlich gar nicht statthaft ist. Eine Erweiterung in einem Wohngebiet würde seitens der Stadt akzeptiert, obwohl nicht einmal aufgeklärt wurde, für welche Firma mit dem Namensstamm Eckert & Ziegler jemals überhaupt eine Gewerbegenehmigung an diesem Standort eingeholt worden ist“, so Rosenbaum. „Leider setzt die Verwaltung die Politik der schleichenden Unterwerfung unter die Atomlobby damit fort.“
Für die BIBS-Fraktion wirft die Verwaltungsmitteilung eine Reihe von Fragen auf: Wenn am Standort Thune kein Atommüll mehr konditioniert werden soll – wo dann? Zudem kursieren Gerüchte, dass die von Eckert & Ziegler betriebene Landessammelstelle Leese nach Auslaufen der Pachtverträge 2030 geschlossen werden könnte. Weiter stellt sich die Frage, wie rechtsverbindlich eine solche Einigung überhaupt sein kann: In der Mitteilung wird nur verkündet, dass man eine schriftliche Erklärung der Firma Eckert & Ziegler anstrebe. Eine „verbindliche Vereinbarung“ soll erst erfolgen, wenn die „erforderlichen Genehmigungsunterlagen zwischen dem MU und Eckert & Ziegler geklärt sind“.
Die BIBS-Fraktion hält deswegen fest: Bislang sind sämtliche Erklärungen, Ankündigungen und Versprechungen der Firma Eckert & Ziegler nur unverbindliche Lippenbekenntnisse gewesen. Das gilt auch für die jüngst verkündete, angebliche „grundsätzliche Einigung“.
Anke Schneider von der Fraktion Die Linke sagt:
Der Standort eines Unternehmens, das radioaktive Stoffe verarbeitet, in unmittelbarer Nähe eines Wohngebietes mit Schule und Kita wird immer ein Problem bleiben. Da alle bisherigen Versuche der Stadt, die Problemlage zu entschärfen, gescheitert sind, begrüßt es unsere Fraktion sehr, dass das Moratorium vereinbart werden konnte und seit einiger Zeit Gespräche zwischen der Stadtverwaltung und der Firma Eckert & Ziegler stattfinden.
Wir begrüßen die Bereitschaft der Firma, vertraglich festzuhalten, dass die beantragte Halle nur zur Lagerung und nicht zur Konditionierung radioaktiver Abfälle genutzt werden soll. Unter diesen Voraussetzungen würde der Hallenneubau eine Verbesserung im Sinne des Schutzes der Anwohner darstellen. Das Beharren von Eckhard und Ziegler auf einer dauerhaften Genehmigung befestigter Containerstellplätze unter freiem Himmel verstehen wir in diesem Kontext allerdings nicht.
Die Verpflichtung, am Standort Braunschweig nicht mit Abfällen aus Kernkraftwerken oder aus der Asse umzugehen, sowie die Aufhebung der 2000-Stunden-Regelung halten wir für Schritte in die richtige Richtung. Was die geplante Reduzierung der Umgangsgenehmigung angeht, ist allerdinge Wachsamkeit geboten – die Genehmigung ist sehr hoch und wurde niemals ausgeschöpft, die Reduzierung müsste schon sehr hoch ausfallen, um eine Verbesserung der Situation zu bewirken.
Die politischen Gremien waren am 7. Juni letztmals in die Gespräche eingebunden. Die Verhandlungen laufen noch. Die Textentwürfe der Vereinbarungen liegen uns nicht vor. Eine abschließende Beurteilung ist uns daher zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.
In der Diskussion im Planungs- und Umweltausschuss am 7. Juni, an der neben den betroffenen Firmen auch Vertreter_innen des Nds. Umweltministeriums teilnahmen, konnte nicht abschließend geklärt werden, inwieweit die von E&Z durchgeführten Störfallanalysen tatsächlich alle Elemente des von der Bürgerinitiative Strahlenschutz eingeforderten spezifischen Stresstestes abdecken und weshalb die Ergebnisse so sehr von denen des generischen Stresstestes der Entsorgungskommission des Bundes abweichen. Solange dies nicht überzeugend dargestellt ist, kann von den Anwohnerinnen und Anwohnern nicht erwartet werden, sich mit ihren „strahlenden“ Nachbarn zu arrangieren.
Stellungnahme von Christian Bley, Mitglied im Planungs- und Umweltausschuss (Fraktion P2):
"Auch wenn es erfreulich ist, dass es positive Absichtsbekundungen aus den Gesprächen zwischen der Stadtverwaltung und Eckert &Ziegler gibt, so ist doch davon noch nichts in Stein gemeißelt. Weder sind Vereinbarungen unterschrieben, noch gibt es Verbindliches zur Höhe der Umgangsreduzierung. Und auch wenn die zukünftige Lagerhalle demnächst die derzeit draußen lagernden Container beherbergt - schützt das dann vor weiteren Containern, die auf dem Grundstück abgestellt werden? Hier ist noch so vieles im Klärungsprozess, ein Aufatmen halte ich für verfrüht. Ich warte gespannt auf juristisch Belastbares, die genauen Ausführungen im neuen Bebauungsplan und auf das Ergebnis der Umweltträglichkeitsprüfung. Bis dahin bleibe ich bezüglich einer Einigung skeptisch!"
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