Gericht kippt Braunschweiger Sperrbezirksverordnung

Das Oberverwaltungsgericht hat in zwei Normenkontrollverfahren die Verordnung verworfen. Die Polizeidirektion will prüfen, ob man Rechtsmittel einlegt.

Gegen ein geplantes Bordell an der Berliner Straße regte sich vor ein paar Jahren Protest. Archivbild
Gegen ein geplantes Bordell an der Berliner Straße regte sich vor ein paar Jahren Protest. Archivbild | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Der 11. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteilen vom 31. Januar in zwei Normenkontrollverfahren die Verordnung über das Verbot der Prostitution in Braunschweig der Polizeidirektion Braunschweig vom 15. August 2022 (Sperrbezirksverordnung) insoweit für unwirksam erklärt, als darin die Bordellprostitution verboten wurde. Das berichtet das OVG Lüneburg in einer Pressemitteilung.



Die Sperrbezirksverordnung enthielt unter anderem ein grundsätzliches Verbot der Bordellprostitution für das gesamte Stadtgebiet. Die Bordellprostitution blieb jedoch im historischen Rotlichtviertel der Stadt Braunschweig sowie in im Zeitpunkt des Inkrafttretens legalen Prostitutionsbetrieben erlaubt. Zudem waren in der Sperrbezirksverordnung fünf - flächenmäßig allerdings nur einen kleinen Teil des Stadtgebiets betreffende - Toleranzzonen festgelegt, in denen die Bordellprostitution weiterhin zulässig sein sollte.

Toleranzzonen ermittelt


Die Polizeidirektion Braunschweig hatte die Toleranzzonen ermittelt, indem sie sich von der Stadt Braunschweig die festgesetzten und faktischen Industrie- und Gewerbegebiete mitteilen ließ und sodann anhand einer von ihr entwickelten „Checkliste“ darauf hin überprüfte, ob diese Gebiete im Hinblick auf den Schutz der Jugend sowie des öffentlichen Anstands als schutzbedürftig erschienen. Die Checkliste enthielt Merkmale wie „angrenzendes Wohngebiet“, „Schule inkl. 500 Meter Umkreis“ oder „soziale Einrichtungen“. Solche Industrie- und Gewerbegebiete, in denen nach wertender Einschätzung der Polizeidirektion ein oder mehrere Merkmale der „Checkliste“ erfüllt waren, wurden als potentielle Toleranzzone verworfen.

Der 11. Senat hat dieses Vorgehen beanstandet. Nach Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) sei in einer Stadt wie Braunschweig mit mehr als 50.000 Einwohnern ein Verbot der Prostitution nur für Teile des Stadtgebiets zulässig. Der Normgeber dürfe die Prostitution nur in solchen Gebieten verbieten, die unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet seien, zum Beispiel als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen.

Bei Kerngebieten Schutzbedürftigkeit pauschal unterstellt


Insofern sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Polizeidirektion etwa bei Kerngebieten eine Schutzbedürftigkeit pauschal unterstellt habe. Denn die darin baurechtlich zulässigen Nutzungen könnten unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht pauschal als schutzbedürftig eingestuft werden. Ähnliches gelte für Mischgebiete, insbesondere nachdem der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und das Bundesverwaltungsgericht jüngst bestimmte Bordelle im Wege einer Einzelfallbetrachtung auch in Mischgebieten für baurechtlich zulässig gehalten hätten.

Hinsichtlich der pauschal unter Schutz gestellten Gebiete im sogenannten unbeplanten Innenbereich habe sich die Polizeidirektion ebenfalls nicht ohne weiteres auf die Einschätzung der Stadt Braunschweig zum Gebietscharakter dieser Gebiete verlassen dürfen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei schließlich, dass die Polizeidirektion auf einen Zuschnitt der Gewerbegebiete verzichtet habe und deshalb stets das gesamte Gewerbegebiet als potentielle Toleranzzone verworfen und als Sperrgebiet ausgewiesen habe, wenn aufgrund der Prüfung anhand der „Checkliste“ schutzwürdige Merkmale festgestellt worden seien. Denn der Zuschnitt der Gewerbegebiete orientiere sich allein an den städtebaulichen Vorstellungen der Stadt Braunschweig und nicht daran, inwieweit ein im Hinblick auf die ordnungsrechtlichen Schutzzwecke des Art. 297 EGStGB schutzwürdiges Gebiet vorliege.

Rechtsmittel möglich


Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Da der Senat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen hat, kann gegen die Nichtzulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Auch die Polizeidirektion Braunschweig äußert sich in einer Pressemitteilung. Eine Urteilsbegründung liege der Polizeidirektion noch nicht vor und werde abgewartet. Nach dem Eingang dieser Begründung erfolge eine detaillierte Prüfung im Rechtsdezernat. Dabei werde die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels betrachtet, bevor das Urteil des OVG rechtskräftig wird. Mit jetzigem Kenntnisstand könne die Polizeidirektion Braunschweig darüber hinaus noch keine näheren Angaben zum diesbezüglichen Verfahren machen.


mehr News aus Braunschweig