Kommunalwahlrecht für Ausländer – Änderungen liegen auf Eis

von Robert Braumann


Bis in Niedersachsen alle wählen dürfen, wird es wohl noch etwas dauern. Foto: Balder
Bis in Niedersachsen alle wählen dürfen, wird es wohl noch etwas dauern. Foto: Balder | Foto: Christina Balder



Braunschweig. Ohne deutschen Pass zur Wahlurne? Geht es nach der rot-grünen Landesregierung und der FDP, dann soll dies in Zukunft umgesetzt werden. Bereits im Juli hatten sie eine Bundesratsinitiative verabschiedet. So könnten die rund 175 000 derzeit im Land lebenden Ausländer aus Drittstaaten, künftig bei den Wahlen von Bürgermeistern, Kreistagen und Landräten mitbestimmen. Der Antrag verfolgt das Ziel, sich im Bundesrat mit anderen Bundesländern für die notwendige Änderung des Grundgesetzes einzusetzen. Doch passiert ist seitdem nichts. Die Braunschweiger Ratsfraktion sehen, das Thema durchaus unterschiedlich. 

Die Initiative geht eigentlich schon auf das Jahr 2007 zurück, der rheinland-pfälzische Landtag unter dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD), hatte sich für die Änderungen stark gemacht. 2015 kam Fahrt in die Sache, weil neben Niedersachsen auch Baden-Württemberg, später auch Bremen, Brandenburg und Schleswig-Holstein auf den Zug aufsprangen. Um die Änderungen tatsächlich in die Tat umsetzen zu können, bedarf es einer Änderung im Grundgesetz, diese ist nur mit einer zwei Drittel Mehrheit im Bundesrat zu erreichen.

CDU ist dagegen


Klaus Wendroth, Vorsitzender CDU-Ratsfraktion hatte schon im Juli erklärt, dass er den Vorstoß für den falschen Weg halte. Daran habe sich nichts geändert: "Alle Jahre wieder versucht die SPD in Niedersachsen ihre Inaktivität beim Thema Integration durch einen Vorstoß zum Kommunalwahlrecht für Ausländer zu kaschieren, doch diese Initiative ist aus mindestens zwei Gründen falsch: Erstens weiß die SPD genau, dass für die Einführung eines Wahlrechtes auf kommunaler Ebene auch für Ausländer eine Grundgesetzänderung mit zwei Dritteln der Stimmen im Bundestag notwendig wäre, CDU und CSU aber dagegen stimmen würden und diese Initiative deshalb zum Scheitern verurteilt ist.



Vielmehr wird den Migrantinnen und Migranten suggeriert, als wenn das Kommunalwahlrecht eine reelle Chance auf Umsetzung hat. Und zweitens tun die Vertreter der SPD, genauso wie übrigens die Kollegen von den Grünen und von der FDP so, als wenn alle Probleme der Integrationspolitik mit dem Kommunalwahlrecht für Ausländer erledigt wären. Dem ist aber mit Nichten so und darüber hinaus gibt es triftige Gründe gegen diesen Vorstoß. Zum einen steht für die CDU am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit ihr werden nicht nur einige Pflichten übernommen sondern man erhält auch zahlreiche Rechte, unter anderem das aktive sowie das passive Wahlrecht bei allen Wahlen. Und zum anderen würde durch ein Wahlrecht bei Kommunalwahlen eine tatsächliche Partizipation nur vorgegaukelt, denn bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen wäre der betroffene Personenkreis weiterhin ausgeschlossen."

SPD kämpft weiter


Gänzlich anders sieht das Dr. Christos Pantazis MdL, SPD Braunschweig, "Die rot-grüne Regierungskoalition in Niedersachsen will den in der Gesellschaft teilweise mit falschen politischen Voraussetzungen verbundenen Begriff der „Integration“ durch den selbstverständlichen Anspruch auf Teilhabe ergänzen. Teilhabe kann sich allerdings nicht nur im Erlernen der deutschen Sprache erschöpfen. Vielmehr setzt diese auch voraus, an der Gestaltung des eigenen Lebensumfeldes aktiv mitwirken zu können. Und gerade auf kommunaler Ebene haben Entscheidungen der örtlichen Selbstverwaltung – es handelt sich hierbei nicht um Parlamente – in besonderem Maße unmittelbare Auswirkungen auf die Situation jeder/s Einzelnen – und zwar unabhängig von der Nationalität! Vor diesem Hintergrund stellt das Recht, an der politischen Willensbildung auf kommunaler Ebene gleichberechtigt mitwirken zu können, einen elementaren Bestandteil einer teilhabeorientierten Politik dar. Als Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Migration und Teilhabe möchte ich daher unmissverständlich klarstellen: - Wir bekennen uns zum kommunalen Wahlrecht für alle rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland und Niedersachsen lebenden Einwohner/-innen! Wir tun dies, weil wir überzeugt sind, dass es gut für unsere Demokratie und unsere Kommunen ist."

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Christos Pantazis äußerte sich. Foto: C. Balder



Er ergänzt: "Welches Gerechtigkeitsempfinden rechtfertigt die Situation, dass Unionsbürgerinnen und –bürger, die seit 3 Monaten in Deutschland gemeldet sind, bei Kommunalwahlen wählen dürfen, Bürgerinnen und Bürger eines Drittstaates allerdings, die seit Jahren – wenn nicht sogar Jahrzehnten – hier unter uns leben und in unseren Gemeinden, Vereinen und Verbänden integriert sind, gewissenhaft ihre Steuern zahlen, nicht mitentscheiden dürfen, was vor ihrer eigenen Haustür passiert? Dieses Beispiel ist nicht nur mit unserem Rechtsempfinden, sondern vor allem mit unserem Verständnis von Willkommens- und Anerkennungskultur unvereinbar. Und nicht nur das: dieses Beispiel ist und bleibt Ausdruck einer überholten, national bestimmten Abschottungskultur des vorigen Jahrhunderts." Eine Gesellschaft, die einen Teil der Bevölkerung von politischen Entscheidungen dauerhaft ausschließt, verliere ihre demokratischen Grundlagen und erleide ferner ein erhebliches Legitimationsproblem.

Auch dr. Dr. Wolfgang Büchs kann sich solch eine Regelung vorstellen: „Die BIBS-Fraktion hat sich schon immer für ein Kommunalwahlrecht auch für Die politische Teilhabe über Wahlen und Abstimmungen ist ein Kernelement unserer demokratischen Verfassung. Kommunales Wahlrecht ist wichtig für die ldentifikation der MigrantInnen mit dem Land, in dem sie leben und damit ein entscheidender Baustein für den Erfolg von lntegrationsprozessen.“

"Kommunales Wahlrecht für alle"


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Gerald Heere nahm Stellung für die Grünen. Foto: Bündnis 90 die Grünen



Der Grüne Landtagsabgeordneter und Ratsherr Gerald Heere ergänzt: „Das kommunale Wahlrecht für dauerhaft hier lebenden Menschen fordern wir Grünen schon seit langem, und zwar auf sämtlichen politischen Ebenen. Wir wollen, dass zukünftig auch sogenannte „Drittstaatsangehörige“ an Kommunalwahlen teilnehmen können. Das sind Menschen, die (noch) keinen deutschen Pass haben und nicht aus einem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) stammen. (EU-Bürger/innen dürfen seit 1992 auf kommunaler Ebene auch dann wählen, wenn sie nicht mehr in ihrem Heimatland, sondern in einem anderen EU-Mitgliedsland wohnen.). In Niedersachsen sind wir damit dank der Initiative von SPD und Grünen schon ein gutes Stück vorangekommen. Auch die FDP hat sich im Landtag unserer gemeinsamen Forderung angeschlossen, nur die CDU mauert bei diesem Thema immer noch. Daher wird es noch eine ganze Weile dauern, bis wir in Niedersachsen und damit auch in Braunschweig das kommunale Wahlrecht für ALLE haben."

"Wir werden am Ball bleiben"


Er benennt das Problem: "Denn zunächst einmal müssen Bundestag und Bundesrat das Grundgesetz (Artikel 28, Absatz 1) ändern, damit die einzelnen Bundesländer das kommunale Wahlrecht auf Nicht-EU-Bürger/innen ausweiten können. In unserem Bundesland bedarf es dazu dann - in einem zweiten Schritt - einer Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG). Wir hoffen sehr, dass die genannten Gesetzesänderungen auf Bundes- und Landesebene bis zur Kommunalwahl 2021 tatsächlich erfolgen werden. Bis zur Kommunalwahl 2016 am 11. September ist das bedauerlicherweise wohl nicht mehr zu schaffen. Wir Grünen werden aber auf jeden Fall am Ball bleiben, bis wir unser Ziel endlich erreicht haben!" Auch die Piraten und die Linken im Rat der Stadt, hatten bereits im Juli eine Änderung des Wahlrechts begrüßt (regionalHeute.de berichtete).


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